Geht es nach den Bundesländern, sollen sich Hauseigentümer künftig verpflichtend gegen Elementarschäden versichern - unabhängig davon, ob sie in einer Region mit hohen oder niedrigen Naturrisiken leben. Der Bundesrat hat sich in seiner Sitzung am Freitag einstimmig für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ausgesprochen. „Der Bundesrat stellt fest, dass die Versicherung von privaten Gebäuden gegen Elementarschäden noch nicht ausreichend ist und Handlungsbedarf besteht“, heißt es im Beschluss.

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Bundesweit verfüge nur etwa die Hälfte der privaten Gebäudeeigentümer über eine Elementarschadenversicherung, berichtet der Bundesrat, wobei die Versicherungsdichte im Ländervergleich stark schwanke. „Zu oft wird das Thema nach einer Unwetterkatastrophe wieder verdrängt, weil man darauf vertraut, selbst nicht betroffen zu sein. Auch die Erwartung, dass im Notfall staatliche Ad-hoc-Hilfen den Schaden auffangen, führt zu einer geringeren Versicherungsbereitschaft“, argumentiert der Bundesrat im Beschlusstext.

Doch die vergangenen Monate und Jahre hätten gezeigt, dass Extremwetterereignisse immer häufiger auftreten. „Die schrecklichen Bilder der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021 mahnen zum Handeln. Menschenleben, Gesundheit und verlorene Erinnerungen sind unersetzlich. Der materielle Schaden sollte aber niemanden in Existenzangst versetzen. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es an der Zeit ist, systematisch Maßnahmen zu ergreifen und zu fördern, damit nach einer Hochwasserkatastrophe oder anderen Großschadenereignissen kein Mensch vor dem finanziellen Ruin stehen muss“, schreibt der Bundesrat.

Der Versicherungswirtschaft kommt der Bundesrat in dem Sinne entgegen, dass Versicherer die Gefährdung eines Wohngebäudes bei der Prämiengestaltung berücksichtigen dürfen. "Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei ihrem Regelungsvorschlag zu berücksichtigen, dass je nach Lage des Grundstückes unterschiedlich hohe Risiken bestehen können und daher nach Risikostufen gestaffelte Tarife zugelassen werden sollten", heißt es dazu im Beschluss.

“Verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen“

Der Beschluss geht auf eine Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen zurück. Das Bundesland war von der verheerenden Hochwasserkatastrophe durch das Sturmtief „Bernd“ im Juli 2021 besonders betroffen. Dabei kamen nicht nur 134 Menschen ums Leben, sondern es wurden auch zehntausende Häuser zerstört. Viele Familien verloren ihre finanzielle Existenzgrundlage.

Der Bundesrat verweist auf einen Konflikt: Wer sich gegen Elementarschäden versichert, übernimmt auf eigene Kosten Verantwortung und unterstützt die Solidargemeinschaft, „deren Leistungsfähigkeit bei immer häufigeren Großschadenereignissen an Grenzen stößt“. Andere wiederum versichern sich nicht - und hoffen darauf, dass Bund und Länder im Katastrophenfall für die finanziellen Schäden aufkommen. Allein für das stark betroffene Ahrtal haben Bund und Länder 356,4 Millionen Euro für Privathäuser bereitgestellt, insgesamt will der Bund 15 Milliarden Euro für den Wiederaufbau der Region zahlen. Laut SWR warten viele Betroffene aber noch immer auf das zugesagte Geld, unter anderem wegen bürokratischer Hürden.

Wenn sich Hausbesitzer nicht versichern, kommt die Allgemeinheit über Steuergelder folglich dennoch für einen Teil der Schäden auf: auch zu Lasten derer, die eine private Versicherung abgeschlossen haben. Bereits im Vorfeld hatten die Justizministerinnen und Justizminister der Länder in einer Arbeitsgruppe erörtert, ob eine Versicherungspflicht verfassungsgemäß wäre. Sie bejahten dies: „insbesondere wenn substantielle Selbstbehalte oder vergleichbare Instrumente vorgesehen werden, die zudem versicherungsinhärent zur Vermeidung von Fehlanreizen hinsichtlich der Eigenvorsorge sachgerecht erscheinen“, berichtet die Länderkammer in ihrem Beschluss. Diese rechtliche Bewertung habe sich auch die Bundesregierung in einem Bericht vom Dezember 2022 zu eigen gemacht.

Bundesjustizminister Buschmann lehnt Versicherungspflicht ab

Aber die Bundesregierung steht aktuell auf der Bremse - Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat dem Vorhaben sogar eine Absage erteilt. „In einer Zeit höchster finanzieller Belastungen privater Haushalte sollten wir von allem die Finger lassen, was Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer macht“, sagte er im Dezember dem „Handelsblatt“. Es wäre in der gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Lage unangebracht, den Wohngebäudeeigentümern noch mehr Kosten aufzubürden, sagte er mit Blick auf die hohe Inflation und weitere Kosten, die Hauseigentümern drohen - etwa für den energetischen Umbau. Die Kosten würden zudem an die Mieterinnen und Mieter durchgereicht werden.

Im Bundesrat sorgt die ablehnende Haltung für Verärgerung. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst warf der Bundesregierung in seiner Rede am Freitag eine „Verzögerungstaktik“ vor. Obwohl Bundeskanzler Olaf Scholz den Ländern zugesagt habe, Lösungsvorschläge für eine Elementarschaden-Pflicht zu präsentieren, sei in dieser Hinsicht nichts passiert. Der Hinweis auf die finanzielle Last privater Haushalte sei "kurzsichtig", denn "die Belastung im Schadensfall ist um ein Vielfaches höher und kann – wie die Flut im Sommer 2021 gezeigt hat – teilweise sogar existenzbedrohend sein", heißt es im Beschluss.

Auch das Argument des Bundesjustizministers, die Bundesländer könnten selbst eine Versicherungspflicht einführen, weist die Länderkammer zurück. „Der Bundesrat ist davon überzeugt, dass eine Elementarschaden-Pflichtversicherung bundesweit gelten muss. Katastrophen machen nicht an Landesgrenzen halt. Sie stellen eine gesamtstaatliche Aufgabe dar und werden auch als solche wahrgenommen. Der mit der Einführung einer Pflichtversicherung verknüpfte Solidargedanke erfordert eine zeitgleiche, flächendeckende und einheitliche Vorgehensweise. Die nötige Akzeptanz findet eine Pflichtversicherung nur dann, wenn von Beginn an klar ist, dass sie bundesweit gilt“, argumentiert der Bundesrat in seinem Beschluss.

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Die Versicherungswirtschaft spricht sich gegen eine Versicherungspflicht aus. Sie warnt vor einer Kostenexplosion infolge der Pflicht: Demnach bedeute es einen Fehlanreiz, dass sich auch Häuser in stark gefährdeten Hochwasser-Regionen problemlos versichern ließen. Die Branche befürchtet, dass damit vermehrt in gefährdeten Regionen gebaut werde. Stattdessen spricht sich der Versichererverband GDV für ein Opt-out-Modell aus. Demnach soll Elementarschutz zunächst in Wohngebäude-Policen standardmäßig enthalten sein: allerdings zu risikoadäquaten Prämien. Auf Wunsch könnten neue Versicherungsnehmer dann den Schutz abwählen. So werde eine höhere Versicherungsdichte erreicht.

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