Grundfähigkeitsversicherungen haben sich in den vergangenen Jahren einen Platz als Nischenangebot in der Arbeitskraftabsicherung gesichert und wachsen langsam aus der Nische heraus. Inzwischen setzen Versicherer sogar verstärkt auf die Absicherung von Grundfähigkeiten als alternative Arbeitskraftabsicherung. Denn vielen möglichen Kunden ist der Zugang zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung schlicht verwehrt. Grund sind meist die zu hohen Beiträge aufgrund von körperlicher Tätigkeit im ausgeübten Beruf. Um diese Kunden dennoch zu erreichen, schafft die Assekuranz zunehmen Alternativangebote zur klassischen BU. Die abgespeckte Einkommensabsicherung ist in der Regel deutlich günstiger als die höchste Absicherungsform.

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In seinem ersten Rating hatte das Analysehauses Morgen & Morgen zunächst 53 Tarife und Tarifkombinationen durchleuchtet. In den Folgejahren entwickelte sich der Markt rapide und bot 2021 bereits 78 Tarife. 2022 stieg das Angebot auf 112 Tarife. Im aktuellen Ratingjahrgang werden inzwischen 167 Tarife bewertet. „Dabei handelt es sich um ein sehr modulares Wachstum auf hohem Bedingungsniveau. Die Zielgruppe der Grundfähigkeitsabsicherung wird zunehmend jünger. Bereits für Kinder von sechs Monaten ist sie abschließbar.", erklärt Andreas Ludwig, Bereichsleiter Rating & Analyse bei Morgen & Morgen.

Der Wettbewerb in der Grundfähigkeit findet nach wie vor hauptsächlich in der zunehmenden Ausdifferenzierung der Leistungsauslöser statt. „Langfristig kann dies zu einem höheren Preisniveau führen und die preisliche Attraktivität für körperlich tätige Berufe gefährden“, sieht Andreas Ludwig, Bereichsleiter Rating & Analyse bei Morgen & Morgen, die aktuelle Entwicklung kritisch. Überdies sei seit diesem Jahr ein beginnender Wettbewerb um eine immer jünger werdende Zielgruppe zu erkennen. Einige wenige Gesellschaften würden die Grundfähigkeitsversicherung aktuell schon für Kinder ab sechs Monaten anbieten. „Wir erwarten weitere Angebote wie diese, ebenfalls mit Wechseloption zur Berufsunfähigkeit, um beim Thema Arbeitskraftabsicherung als Versicherungsgesellschaft bereits frühzeitig den Fuß in der Tür zu haben“, zeigt Ludwig den zarten Trend auf.

Die Entwicklung am Markt zeige auch eine starke Zunahme an Tarifen sowie einen immer modulareren Aufbau der Tarife. Einige Tarife enthielten zudem eine Arbeitsunfähigkeitsklausel. Dies würde die jeweiligen Tarife stark in Richtung temporärer BU treiben und damit den Preis in die Höhe. Als bezahlbare Ausweichprodukte gelten diese Tarife selten.

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Kritisch seien auch die immer größer werdende Anzahl an Leistungsauslösern zu sehen. Die Grundfähigkeitenversicherung soll eine bezahlbare Alternative der Einkommensabsicherung sein. Einer flächendeckenden Absicherung der Arbeitskraft würde es entgegenwirken, wenn das Versicherungsprodukt durch weitere Zusatzoptionen und Erweiterungen nicht mehr für die primäre Zielgruppe der körperlich Tätigen finanzierbar ist. Aufgrund dieser Entwicklungen würden sich die Prüfer auf 15 relevante Grundfähigkeiten in der Ratingbewertung konzentrieren. "Einen Bedingungswettbewerb ähnlich wie in der BU, der am Ende auch den Preis in die Höhe treibt, möchten wir nicht anstoßen. Dieser Verantwortung sind wir uns bewusst.“, erklärt Ludwig.

138 GF-Tarife mit fünf Sternen ausgezeichnet

Die gestiegene Anzahl der Angebote am Markt war auch Grund genug für das Analysehaus zum vierten mal die Bedingungswerke der Grundfähigkeits-Tarife unter die Lupe zu nehmen. Die Tester von Morgen & Morgen haben bei ihrer Auswertung insgesamt 167 Tarife und Tarifkombinationen von 31 verschiedenen Anbietern durchleuchtet. Dabei seien die Bedingungen anhand von insgesamt 69 Leistungsfragen bewertet worden. Davon seien allerdings nur 36 Fragen relevant für das Rating.

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So mussten Tarife für eine Bewertung mit fünf Sternen beispielsweise folgende Merkmale erfüllen:

  • Der Prognosezeitraum wird auf sechs Monate verkürzt.
  • Der Versicherer verzichtet auf sein Recht auf Beitragserhöhung oder Kündigung bei unverschuldeter Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers nach §19 VVG.
  • Der Versicherungsschutz besteht weiter, wenn die versicherte Person während der Versicherungsdauer ins Ausland verzieht.
  • Auf Antrag werden die Beiträge ab dem Zeitpunkt der Leistungsmeldung bis zur endgültigen Entscheidung über die Leistungspflicht gestundet.

Für eine Bewertung mit vier Sternen mussten Tarife mindestens folgende Merkmale erfüllen:

  • Bei einem verspätet gemeldeten Versicherungsfall wird ohne Einschränkung rückwirkend geleistet.
  • Bei einer bereits sechs Monate andauernden ununterbrochenen Fähigkeitenbeeinträchtigung wird rückwirkend von Beginn an geleistet.
  • Jeder einzelne Fähigkeitenverlust ist ausreichend, um die Leistungspflicht zu begründen.
  • Der Versicherer verzichtet auf unübliche Einschränkungen bzw. Klauseln, die nicht zu den ratingrelevanten Sachverhalten gehören.

Bereits in der Auswertung aus 2022 konnten 94 Prozent der Tarife eine Vier- oder Fünf-Sternebewertung einfahren. Im aktuellen Rating ist die Tendenz zu ausgeprochen positiven Benotungen noch eindeutiger geworden. Heute sind es fast 96 Prozent der Tarife mit Höchstbewertungen von vier und fünf Sternen.

Insgesamt 138 mal konnte das Unternehmen aus Hofheim im Taunus die Höchstbenotung von fünf Sternen vergeben, und das bedeutet ein „ausgezeichnet“. Ergo sind vier von fünf aller Tarife und Tarifkombinationen (82,6 Prozent) als „ausgezeichnet“ eingestuft worden. Über diese Bewertung freuen sich AKS Flex Swiss Life, Allianz, Alte Leipziger, Baloise, Barmenia, Bayern-Versicherung, Canada Life, DEVK, DEVK Eisenbahn, die Bayerische, Die Dortmunder, Generali, Gothaer, HDI, Helvetia, Huk-Coburg, Klinikrente Swiss Life, Metallrente Swiss Life, Nürnberger, R+V, Signal Iduna, Stuttgarter, Swiss Life, Volkswohl Bund, VRK Leben und Zurich. Manche Anbieter können mit gleich mit mehreren Fünf-Sterne-Tarifen glänzen. So hat beispielsweise die Nürnberger 28 Bestbenotungen eingefahren. Hier alle Tarife mit Bestbewertung aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Die Ergebnisse können auf der Webseite des Ratinghauses eingesehen werden.

Immerhin 22 Tarife erhielten 4 Sternchen zugesprochen und damit eine „sehr gute“ Bewertung. Diese verteilten sich auf neun Anbieter. Zu diesen Gesellschaften zählen Alte Leipziger, Baloise, Generali, Gothaer, HDI, Huk-Coburg, Signal Iduna, Stuttgarter und VRK. Im Mittelfeld finden sich insgesamt drei Tarife und damit knapp 1,8 Prozent der untersuchten Tarife. So wurden Angebote von Gothaer, VGH und Württembergische mit drei Sternchen bewertet.

Lediglich vier der durchleuchteten Tarife musste sich nach der Interpretation von Morgen & Morgen mit einer unterdurchschnittlichen Bewertung begnügen. Mit zwei Sternchen ("schwach") Vorlieb nehmen mussten Angebote der PrismaLife, Targo sowie der WWK (mit zwei Tarifen). In der Auswertung wurde in diesem Jahr kein Angebot mit nur einem Sternchen bedacht. Interessierte finden die detaillierte Liste aber auf der Webseite von Morgen & Morgen.

Rating mit nur wenig schwachen Ergebnissen

Trotz der detaillierten Auswertung ist die Summe an Bestbewertungen auffallend. In den vergangenen Jahren hatte es deshalb immer wieder Kritik um Ratings in der Versicherungsbranche gegeben. So hatte sich beispielsweise die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kritisch zu den vielen positiven Ratings von Versicherungs-Policen geäußert. In einer Stichprobe hatten die Verbraucherschützer eine wahre Flut an besten Bewertungen ausgemacht. Dabei wurde den Ratinghäusern auch ein gewissen Eigeninteresse unterstellt. Schließlich würden viele Unternehmen mit Testsiegeln gutes Geld verdienen. Versicherer, die mit dem Original-Signet um Kunden werben wollen, müssen oft Lizenzgebühren zahlen. Locker einige tausend Euro kann es beispielsweise kosten, das Logo von Focus Money oder der Stiftung Warentest zu verwenden.

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Auch Morgen & Morgen verlange eine Schutzgebühr, wenn ein Versicherer mit den Testergebnissen werben wolle, berichtete eine Unternehmenssprecherin bereits im Jahr 2018. Diese sei aber niedrig, die Unabhängigkeit des Analysehauses gewahrt. Die genaue Höhe der Gebühr wollte die Sprecherin nicht nennen.

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