Versicherungsbote: Das Marktumfeld ändert sich: eine hohe Inflation trifft aktuell auf steigende Zinsen. Ukraine-Krieg und Krisenbewusstsein bestimmen die Schlagzeilen. Hat das Einfluss auf Ihre Empfehlungen in Sachen Geldanlage, Vermögensaufbau und Altersvorsorge, sodass sie heute andere Produkte empfehlen als vielleicht noch 2019?

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Tim Wolff: Nein, eigentlich ändert sich für mich nicht wirklich viel. Ich habe meine Kunden schon immer sehr investment-lastig beraten. Wir haben einen großen Bestand an fondsgebundenen Renten- oder Lebensversicherungen und auch einen großen Bestand an Depot-Volumen. Das bedeutet, unsere Kunden kennen das Thema und wissen, dass es an der Börse auch mal auf und ab geht. Und wenn man gut beraten hat, wissen die Kunden auch, selbst wenn sich die aktuelle Situation für sie nicht gut anfühlt, dass sie diese Situation an der Börse brauchen, um auch wirklich Geld zu verdienen. Zumindest, wenn monatlich in den Markt investiert wird. Das heißt also der Kunde versteht, dass die Situation sich zwar ‚irgendwie blöd‘ anfühlt, aber eigentlich zumindest aus Sicht der Vermögensanlage ‚irgendwie gut‘ ist.

Reagieren Kundinnen und Kunden, die Ihren Rat suchen, verunsichert auf die aktuelle Situation? Müssen Vermittler aktuell auch ein bisschen Krisenmanager und -erklärer sein?

Ja, natürlich kommt es schon vor, dass Kunden verunsichert reagieren. Das hält sich glücklicherweise im Rahmen. Als Vermögensberater verstehe ich mich auch ein bisschen als Lebens-Berater. Wir arbeiten immer mit einer Einnahmen- / Ausgaben-Liste. Dadurch kennen wir die Geldströme unserer Kunden. Ich kann deshalb auch mal den Kunden beruhigen, wenn es im Moment 10 Prozent Inflation heißt… Wer beispielsweise 2.000 Euro Ausgaben im Monat hat, hat ja nicht automatisch aufgrund der Inflation nun 2.200 Euro Kosten. Die Kaltmiete ist ja nicht automatisch um 10 Prozent gestiegen, das kann man ein bisschen ins Verhältnis setzen. Wenn man als Vermögensberater einen guten Job gemacht hat, die Einnahmen-/ Ausgaben-Liste aktualisiert, dann sieht der Kunde: ‚Hey, ich hab ja trotzdem immer noch Luft.‘ Es bleibt bestimmt ein bisschen weniger übrig - keine Frage. Aber der Kunde muss dann keine ‚Harakiri-Aktionen‘ starten und irgendwelche Verträge auflösen, sondern er weiß: ‚OK. Das könnte bedeuten mal ein halbes Jahr den Gürtel enger zu schnallen und dann sieht es auch besser wieder aus.’

Vermittlerinnen und Vermittler müssen bei bestimmten Altersvorsorge- und Anlageprodukten nun auch das Thema Nachhaltigkeit beachten - und zumindest dazu informieren. Wie bewerten Sie diese neue Vorgabe? Erfahrungen aus Ihrer Praxis: Wird Nachhaltigkeit bei Kundinnen und Kunden nachgefragt?

Als ich anfing, als Vermögensberater zu arbeiten, war gerade ‚Goldgräber-Stimmung‘ am Neuen Markt. Damals wurden alle möglichen Firmen mit Geld ‚zuge…häuft‘, obwohl sie es gar nicht verdient haben. Dadurch entstand diese gigantische Blase. Wir müssen aufpassen, dass sich so etwas jetzt nicht wiederholt. Nicht, dass jede Pommesbude, die auf die Idee kommt, Strohhalme aus Mais zu produzieren, mit Millionen zugeschüttet wird. Es muss mit Bedacht gehandelt werden. Nachhaltigkeit ist mir natürlich auch wichtig. Ich habe eine achtjährige Tochter und möchte selbstverständlich, dass sie und ihre Nachkommen auch auf diesem Planeten leben können. Gut finde ich Ansätze von Firmen wie Microsoft, die sich vornehmen, bis zu einem bestimmten Datum klimaneutral zu arbeiten. Die Idee, solche Vorhaben auch über die Geldanlage-Beratung zu unterstützen, finde ich grundsätzlich richtig. Allerdings gibt es auch jede Menge Kunden, die sagen: ‚Ich will nicht auf Teufel komm raus auf Rendite verzichten‘. Darüber spreche ich natürlich mit meinen Kunden und wer solche Produkte haben will, bekommt sie auch. Aber Nachhaltigkeit ist kein Thema, dass in jeder Beratung aus Kundensicht als besonders wichtig gesehen wird.

Auf Social Media geben Sie sich sehr meinungsfreudig, manchmal streitbar. Damit heben Sie sich auch von vielen Beratern ab - und sind erfolgreich. Würden Sie andere Vermittlerinnen und Vermittlern ermutigen, mehr Personality zu zeigen? Wo sehen Sie Grenzen - vielleicht auch für sich persönlich?

Streitbar ich? Sagen wir mal so: ich kann es nicht leiden, wenn Vermittler sich gegenseitig bashen: Wenn der eine über den anderen schimpft und sagt: ‚Du taugst nichts oder eure Produkte taugen nichts‘. Das finde ich ehrlich gesagt respektlos. Denn bei jeder Versicherung, bei jeder Bausparkasse, bei jeder Investmentgesellschaft arbeiten Menschen, die täglich ihr Bestes geben. So etwas zu sagen, einfach weil man es kann und weil niemand widerspricht, finde ich ehrlich gesagt ‚unterste Schublade‘. Aus meiner Sicht ist das auch ein Grund, warum der Berufsstand der Vermittler grundsätzlich nicht den allerbesten Ruf hat. Ich finde das schade und es gehört sich einfach nicht, weil diese Menschen ihr Bestes für den Job geben. Natürlich sind Produkte unterschiedlich. Aber es gibt doch nicht das gute Produkt und das schlechte Produkt. Es gibt passend und es gibt nicht passend. Es gibt auch nicht teuer und es gibt billig, sondern meistens ist es so, wenn ein Produkt etwas teurer ist, ist es flexibler, kann mehr, whatever. Zu der Frage, ob Vermittler mehr Personality wagen sollten: Ja, aber nur, wenn das zum Wohl der gesamten Branche beiträgt. Von denjenigen, die noch mehr ‚draufhauen‘ und sich selbst nur besser darstellen wollen als andere, gibt es schon genug. Es heißt ja oft: ‚Versicherer zahlen eh nie‘ und wir, die wir das den ganzen Tag machen, sollten das Gegenteil beweisen können. Wenn wir nicht zeigen: ‚Pass auf, wir machen unseren Job und das ist verdient und wir retten Kunden im wahrsten Sinne des Wortes den Allerwertesten…‘ - dann wäre es schade. Es sollte mehr Berater geben, die zeigen, wieviele Berufsunfähigkeits-Leistungen oder andere große Versicherungsschäden reguliert wurden. Also ja, wenn es darum geht, dann sollten wir Vermittler mehr Kante zeigen.

Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich mit witzigen Sprüchen auf T-Shirts präsentieren. Stellen Sie sich vor, Sie dürften eine Kampagne leiten, um das Image der Vermittlerbranche aufzupolieren. Haben Sie ein paar passende Sprüche parat?

Wenn ich eine Kampagne leiten dürfte, dann würde ich Kampagne gegen die Kampagnen machen. Was meine ich? Zum Beispiel das Thema Riester. Ich finde da ist wirklich viel schief gelaufen. Einiges wird anders dargestellt als es ist. Beispielsweise wird auf einen Riester-Kunden abgestellt, der 2.100 Euro im Jahr in seinen Riester-Vertrag einzahlt, 175 Euro Zulagen bekommt und 200 Euro Gebühren zahlt. Und diese Gebühren, heißt es dann, fressen ja die Zulagen auf. Das manifestiert sich dann -oft geschürt von Verbraucherschützern. Irgendwann glaubt es dann die Politik und die Kunden glauben es auch. Was total schade ist, denn der Kunde, den ich eben erwähnte, profitiert in den meisten Fällen noch von einer Steuerersparnis von circa 600 Euro. Das wird meistens nicht mit erzählt. Auch die 200 Euro Gebühren relativieren sich, wenn man den Vertrag über einen längeren Zeitraum betrachtet.

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Dass Riester heute kaum noch eine Rolle spielt, ist doch traurig. Denn für eine Familie mit zwei Kindern oder für eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die 750 Euro Zulage bekommt, gibt es nichts Vergleichbares. Dieser Quatsch, dass sich das alles nicht rechnen würde, ist einfach Blödsinn. Das hat sich in den Köpfen manifestiert, weil Verbraucherschützer sich wichtig getan haben. Ich bin wirklich für Verbraucherschutz. Aber gegenwärtig hat Verbraucherschutz nicht mehr viel mit Verbraucherschutz zu tun.

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