„Obwohl Europa eine der höchsten individuellen Sparquoten der Welt aufweist, ist die Beteiligung von Kleinanlegern an den Kapitalmärkten im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften nach wie vor sehr gering“, schrieb die EU-Kommission vor fast genau einem Jahr und nahm sich vor, das zu ändern.

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Nun, ein Jahr später, soll die Kleinanleger-Strategie vorgestellt werden. Und im Vorfeld der geplanten Veröffentlichung mehrten sich Hinweise, dass die Kommission ein Verbot der provisionsbasierten Finanzberatung anstrebt. Einer der deutlichsten Hinweise darauf ist ein Briefwechsel zwischen der irischen Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness und dem EU-Parlaments-Abgeordneten Markus Ferber (EVP/CSU). Darin bemängelt McGuinness, dass die seit 2018 geltende Finanzmarktrichtlinie MiFID II „entgegen der mit ihr verfolgten Absichten“ nicht zu mehr unabhängiger und provisionsfreier Beratung geführt habe. Bereits in der ursprünglichen MiFID-Novelle von 2011 war ein solches Verbot angedacht.

Wie die FAZ seinerzeit berichtete, stützte sich Kommissarin McGuinness auf eine Studie, in der es hieß, dass Verbraucher im Durchschnitt gegen Provision im Schnitt 35 Prozent mehr zahlten als im Falle einer Honorarberatung (Versicherungsbote berichtete).

Doch diese Zahl stimmt nicht, meldet der Votum-Verband und spricht von einem „groben Berechnungsfehler“: „Das von der Europäischen Kommission beauftragte Kantar-Institut musste in ihrer 2022 veröffentlichten Kleinanlegerstudie (korrigierte Version) nun einen groben Fehler bei der Berechnung von Kostenquoten einräumen. Ursprünglich kam das Institut zu dem fragwürdigen Ergebnis, dass die Kosten für durch Provisionsberatung vertriebene Finanzprodukte 35 Prozent höher sind als für Produkte ohne Provisionsvergütung. Dieses Ergebnis stellt sich nun als schlichtweg falsch heraus. Seit kurzem gibt die Kommission an, dass diese Zahl auf 24 bis 26 Prozent nach unten korrigiert werden musste – und auch dieser Wert erscheint mehr als zweifelhaft“, so Votum-Vorstand Martin Klein in einer ersten Einschätzung.

„Damit steht die zuständige Kommissarin Mairead McGuinness vor einem Scherbenhaufen. Schließlich hat sie diese fehlerhaften Werte bei all ihren Argumentationen – auch gegenüber dem EVP-Abgeordneten Markus Ferber und in ihrer Anhörung vor dem ECON-Ausschuss des EU-Parlaments am 24. Januar – immer wieder als Hauptargument in Bezug auf angebliche Fehlanreize in der Anlagevermittlung angeführt“, so Klein weiter.

Die Forderung des Vermittlerverbands in Richtung Brüssel sind eindeutig: „Die fehlerhafte Kantar-Studie kann keine Grundlage für so eine richtungsweisende politische Diskussion sein. Die Kommissarin muss den Fehler eingestehen und öffentlich zurückrudern. Es kann nicht sein, dass wir auf Basis falscher Berechnungen über die Zukunft von hunderttausenden Finanzberatern diskutieren“, so Klein.

Außerdem bemängelt Klein die weiterhin bestehende Intransparenz der Studienergebnisse: „Es ist nicht tragbar, dass die Verbände der betroffenen Berufsträger wie Votum bis heute keinen Einblick in die Datengrundlage der Studie erhalten haben. Wohin diese Intransparenz führt, sehen wir nun auf öffentlicher Bühne. Das ist peinlich. Die Kommissarin sollte zu diesem Fehler stehen und die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen.“

„Es verstärkt sich mehr und mehr der Eindruck, dass in der Studie Äpfel mit Birnen verglichen wurden. Bei dem Erwerb eines Finanzprodukts, für das ein Berater eine Provisionsvergütung erhält, liegt immer eine zuvor gegenüber dem Kunden erfolgte Anlageberatung zugrunde. Wird keine Provisionsvergütung gezahlt, handelt es sich entweder um ein beratungsfreies Direktgeschäft des Anlegers oder diesem wird die Beratung mit einer gesondertem Honorarvereinbarung in Rechnung gestellt. Beides müsste in die Bewertung einfließen. Für die bloße Feststellung, dass beratungsfreies Anlegen kostengünstiger ist, braucht es keine breit angelegte Studie“, so Kleins Fazit.

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Es ist nicht das erste Mal, dass Vermittlerverbände auf Fehler bei den Regulierungsbemühungen der EU-Institutionen aufmerksam machen. So kam es bei der Übersetzung der Delegierten Verordnung 2021/1253, mit der unter anderem festgelegt wird, wie Nachhaltigkeitsfaktoren in der Beratung zu berücksichtigen sind, zu einem Fehler, der die Produktauswahl deutlich eingeschränkt hätte (Versicherungsbote berichtete).

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