Bisher konnten Banken und Versicherer in Deutschland erfolgreich verhindern, dass -ähnlich wie in Großbritannien oder in den Niederlanden- ein Provisionsverbot für bestimmte Anlageprodukte durchgesetzt wird. Entsprechende Vorstöße, etwa der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), wurden stets abgewendet. Das aber könnte sich schnell ändern, denn neues Ungemach droht den Provisions-Befürwortern nun aus Brüssel.

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Provisionsverbot im Zuge der Retail-Investment-Strategie?

Wie das „Handelsblatt“ und die „FAZ“ berichten, plant die EU-Kommission für das erste Quartal 2023 eine neue Kleinanleger-Strategie. Dabei gebe es vermehrt Hinweise darauf, wonach die EU ein Verbot der provisionsbasierten Finanzberatung anstrebe. Unter anderem habe die irische Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness in einem Brief an den CSU-Abgeordneten Markus Ferber geklagt, dass die seit 2018 geltende Finanzmarktrichtlinie MiFID II „entgegen der mit ihr verfolgten Absichten“ nicht zu mehr unabhängiger und provisionsfreier Beratung geführt habe. Bereits in der ursprünglichen MiFID-Novelle von 2011 war ein solches Verbot angedacht.

Tatsächlich ist die Honorarberatung in Deutschland weiterhin eine Nische. In der Lebensversicherung machte zum Beispiel der Anteil an sogenannten Nettotarifen 2020 lediglich sechs Promille des vermittelten Neugeschäfts aus, wie eine Studie von Matthias Beenken und Heinrich Schradin zeigte. Die Zahl der „reinen“ Honorarberater, die zu Finanzen und Versicherungen Rat geben, stagniert seit Jahren im dreistelligen Bereich. Allerdings bieten mittlerweile auch viele Versicherungsmakler und 34f-Finanzanlagenvermittler ihren Service gegen Honorar an. Standard bleibt im Banken- und Versicherungsvertrieb die Provision.

Kommissarin McGuinness zitiere nun aus einer Studie, wonach die Verbraucher im Durchschnitt gegen Provision im Schnitt 35 Prozent mehr zahlten als im Falle einer Honorarberatung, berichtet die FAZ. Um welche Studie es sich handelt, wird nicht genannt. Vor allem für Privatanleger mit einem kleinen Portfolio würde das bedeuten, dass sie mehr zahlen müssten als notwendig. Welche Vorschläge ihre Behörde im Rahmen der sogenannten Retail-Investment-Strategie vorschlagen werde, sei aber nach wie vor offen. Die Strategie ziele darauf, „mehr Transparenz, Einfachheit, Fairness und Kosteneffizienz für Kleinanlegerprodukte im gesamten Binnenmarkt zu fördern“, hatte sich die EU im Herbst letzten Jahres positioniert.

Vermittlerverbände laufen Sturm

Mit den EU-Plänen ploppt eine alte Debatte wieder auf: Welche Fehlanreize entstehen im Zuge der Provisionsberatung? Und kann die Beratung gegen Honorar hierauf eine Antwort sein? Gegner der Provisionen verweisen auf mögliche Fehlanreize, unpassende und überteuerte Produkte anzubieten. Der Vermittler erhält von der Bank, dem Altersvorsorge-Anbieter oder Versicherer eine bestimmte Vergütung für die Vermittlung seiner Produkte. Hier wird befürchtet, dass die Höhe der Provision (mit)entscheidet, welche Verträge vermittelt werden: nicht die Qualität und die Eignung der Geldanlage für den Kunden.

Gegner eines Provisionsverbotes verweisen jedoch darauf, dass die Zahl der Beschwerden über Vermittler gering sei und diese selbst schon ein Interesse hätten, ihre Kunden gut zu beraten. „Verbraucherschützer führen immer nur Einzelfälle an, in denen ein Berater angeblich jemandem ein falsches Produkt verkauft hat“, zitiert das Handelsblatt Helge Lach vom Bundesverband Deutscher Vermögensberater. Angesichts hunderttausender Beratungsgespräche in Deutschland sei die Zahl der Falschberatungen „homöopathisch“. Weder die EU-Kommission noch die Verbraucherzentralen hätten bisher ein flächendeckendes „Mis-Selling“ nachweisen können.

"Wenn das Provisionsverbot kommt, zieht die Kommission damit einer ganzen Branche den Stecker“, warnt Helge Lach. Mehrere Branchenverbände in Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien und Spanien hätten sich klar gegen die Provisionsverbot-Pläne positioniert, berichtet das "Handelsblatt".

Die Banken- und Versicherungsbranche trägt aber selbst immer wieder dazu bei, dass derartige Debatten hochkochen. Ein Beispiel: Im Frühling 2022 hatte die Finanzaufsichtsbehörde BaFin die teils hohen Effektivkosten bei Leben-Altersprodukten beklagt. Branchenüblich seien demnach nicht nur Provisionen für Vermittler: auch würden die Sparenden bei fondsgebundenen Policen Kickbacks mitzahlen müssen. Hierbei handelt es sich um eine Provision, die Kapitalverwalter an Versicherer dafür zahlen, dass die Kundengelder in ihre Fonds gesteckt werden. Nur ein Teil davon fließt an die Kunden zurück. Das Urteil der BaFin war hart. Ein Teil der Produkte sei aufgrund der hohen Kosten als Altersvorsorge ungeeignet.

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