Verliert der Offlinevertrieb massiv an Bedeutung? Das legt zumindest eine YouGov-Studie im Auftrag des Onlinedienstleisters adesso nahe. Demnach informiere sich nur noch rund ein Fünftel der Befragten zwischen 18 und 44 Jahren vor Ort, wenn es um das Thema Versicherungen und Finanzen gehe. Online-Kanäle wie Anbieterwebsites, Vergleichsportale oder Online-Banking seien hier die bevorzugte Wahl. Eine weitere Zahl überrascht: Abgeschlossen würden Versicherungen zu 60 Prozent online. „Versicherungsabschlüsse aller Art werden zu 60 Prozent online durchgeführt und Änderungswünsche zu 57 Prozent“, heißt es in der Studie.

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Dass Kundinnen und Kunden sich zunächst online informieren, bestätigen auch andere Studien, etwa vom Branchenverband Bitkom. Knapp vier von zehn Personen (39 Prozent) in Deutschland geben demnach an, dass sie sich online über Versicherungen informieren, um dann doch einen Vermittler persönlich aufzusuchen. Hierbei spricht man vom sogenannten RoPo-Kunden: „Research Online, Purchase Offline“ (Online recherchieren, um offline abzuschließen).

Online-Vertriebsanteile im Neugeschäft gering

Die hohe Zahl der Online-Abschlüsse laut Studie aber verwundert angesichts des geringen Geschäftsanteils von Online-Kanälen. Laut Vertriebswege-Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entfällt auf den Online-Direktvertrieb einschließlich Vergleichsportale nur ein kleiner Geschäftsanteil, der seit Jahren stagniert.

2021 wurden demnach in der Lebensversicherung 3,3 Prozent aller neuen Verträge über digitale Kanäle abgeschlossen, in der Krankenversicherung 7,5 Prozent und in der Sach-, Unfall- und Haftpflichtversicherung 2,8 Prozent, so zeigen die Daten des GDV. Lediglich in den einzelnen Gattungen Kfz-Versicherung und Rechtsschutz fallen die Online-Abschlüsse mit 19,4 Prozent und 7,6 Prozent etwas höher aus. Selbst bei der Konzentration auf eine junge Zielgruppe scheint es deshalb diskutabel, ob sechs von zehn Personen ihre Versicherungen online zeichnen.

Ein Hinweis für das Ergebnis könnte die Erhebungsmethode geben. YouGov hat zwar 1.000 Kundinnen und Kunden repräsentativ befragt - aber per Online-Befragung. Hierbei wird auf einen eigenen Panel von Personen zurückgegriffen, die bereit sind, sich ein Profil auf der Webseite des Marktforschers zu erstellen, um online an Befragungen teilzunehmen. Hier ist zumindest zu vermuten, dass über dieses Verfahren eine Verzerrung in Richtung einer Online-affinen Zielgruppe erfolgt: Die Befragten müssen bereit sein, regelmäßig an Umfragen im Netz teilzunehmen. Eine weitere mögliche Erklärung wäre, dass die befragten Kundinnen und Kunden auch die Online-Beratung von persönlich beratenden Vermittlern als Online-Abschluss wahrnehmen, etwa mittels digitaler Tools wie Videochat. Auch persönliche Beratung findet mittlerweile vielfach über Online-Kanäle statt, die Grenzen verschwimmen.

Ein weiteres Ergebnis: Grundsätzlich sind Kundinnen und Kunden ihrer Bank beziehungsweise Versicherung treu. Knapp über die Hälfte (54 Prozent) hat noch nie bei einem anderen Anbieter ein Angebot abgeschlossen. Für die langfristige Treue sind die "vertrauliche Behandlung persönlicher Daten" (71 Prozent), "Verständlichkeit von Vertragsbestandteilen" (69 Prozent) sowie "ausführliche und persönliche Information über Vertragsänderungen" (65 Prozent) die Top-Kriterien.

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Hintergrundinfo: Die adesso-Studie blickt detailliert auf die Einstellung sowie das Verhalten von Kundinnen und Kunden im Bereich Finance in Gegenüberstellung mit den Strategien von Unternehmen zur Verbesserung der Customer Experience. Dazu wurden im November 2022 bevölkerungsrepräsentativ über 1.000 Kundinnen und Kunden zu ihrem Kaufverhalten befragt sowie über 300 Angestellte verschiedener Unternehmen im Bereich Versicherungen und Banken zu ihren Plänen und Maßnahmen, um die Customer Experience zu verbessern. Die Studie kann auf der Webseite von adesso kostenlos angefordert werden.

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