Die gesetzlichen Krankenkassen steuern 2023 auf ein gewaltiges Finanzloch zu. Um ein mögliches Defizit auszugleichen, hat die Bundesregierung unter anderem den durchschnittlichen Zusatzbeitrag um 0,3 Prozentpunkte angehoben. Doch dieser Wert ist für die einzelnen Anbieter nicht verbindlich, sondern lediglich zur Orientierung gedacht. Umso gespannter schauten Branchenbeobachter darauf, wie die einzelnen Kassen im kommenden Jahr ihren Zusatzbeitrag gestalten werden.

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Doch bei den größten deutschen Krankenversicherern bleiben die befürchteten Prämien-Erhöhungen aus. Sowohl die Techniker Krankenkasse mit 11 Millionen Mitgliedern als auch die Barmer mit 8,7 Millionen Versicherten haben angekündigt, ihren Zusatzbeitrag im kommenden Jahr stabil halten zu wollen. Bei der TK müssen somit weiterhin 1,2 Prozent Zusatzbeitrag gezahlt werden, bei der Barmer wird er 1,5 Prozent betragen. Das kündigten die Versicherer auf ihrer Webseite an. Die finale Entscheidung ist aber noch nicht gefallen: unter anderem müssen die Verwaltungsräte noch zustimmen.

Den Zusatzbeitrag können die Versicherer individuell festlegen: Er gesellt sich zum allgemeinen GKV-Beitragssatz von 14,6 Prozent, den alle Versicherte zahlen müssen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer teilen sich die Kosten.

“Wichtig, die Versicherten nicht weiter zu belasten“

Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, erklärte, weshalb der Versicherer die Beiträge trotz knapper Kassen nicht anhebt. “Ausschlaggebend waren letztendlich zwei Faktoren: Die Politik zwingt uns, nur noch geringe Rücklagen vorzuhalten und es ist uns wichtig, die Versicherten in Zeiten von Inflation und Energiekrise nicht noch weiter zu belasten. Wir haben jetzt mehrfach erlebt, dass Reserven der Kassen, also Beitragsgelder, kurzfristig eingezogen wurden. Gerade in diesen Zeiten der hohen Belastung wollen wir deshalb unsere Rücklagen selbst zur Beitragssatzstabilisierung nutzen", so Baas.

In dem Statement des TK-Chefs schwingt die Sorge mit, dass die Politik Krankenkassen, die sparsam mit dem Geld der Versicherten umgehen, indirekt bestrafen könnte. Um die erwartete Finanzlücke von mindestens 17 Milliarden in 2023 zu schließen, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) die Kassen gezwungen, ihre Reserven abzuschmelzen: gemeinsam mit Geldern aus dem Gesundheitsfonds sollen so 6,4 Milliarden Euro in die klammen Töpfe kommen. Wiederholt haben Kassenfunktionäre gewarnt, dass mit dem Abschmelzen der Reserven selbst großen Anbietern die Insolvenz drohen könnte. Es fehlt dann an Rücklagen, um etwa auf unerwartete Kostenexplosionen zu reagieren.

"Stabiler Beitrag kein Zeichen der Entspannung"

Kostentreiber im Gesundheitssystem sind aktuell die hohe Inflation, die Alterung der Gesellschaft sowie steigende Preise für Medikamente und Behandlungen. Experten warnen, dass auch nach 2023 keine Entspannung der wirtschaftlichen Situation absehbar sei. Größter Ausgabenblock sind die Krankenhäuser: Insgesamt musste die GKV hierfür 85,9 Milliarden Euro im Jahr 2021 aufbringen. Entsprechend hat Lauterbach eine Klinik-Reform angestoßen. Mehr Operationen und Anschlussbehandlungen sollen ambulant durchgeführt und so die Kosten gesenkt werden.

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Vor anhaltenden Finanzproblemen warnt nun auch Jens Baas. Es sei "leider kein Zeichen der finanziellen Entspannung in der GKV, dass die TK den Zusatzbeitragssatz stabil halten kann", sagt der Vorstand. Der stabile Beitrag sei stattdessen "dem Abbau von Rücklagen, unserer soliden Finanzplanung und unseren schlanken Prozessen zu verdanken. Sollen die Beitragssätze aber perspektivisch nichts ins Astronomische steigen, muss die Politik endlich für eine gerechte Finanzierung sorgen und die Verschwendung im Gesundheitssystem angehen", warnt der TK-Chef.

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