Der Begriff „Greenwashing“ ist mittlerweile etabliert - ein Unternehmen wirbt mit seinem umweltfreundlichen Engagement, obwohl es weiterhin die Umwelt verpestet und einen schlechten ökologischen Fußabdruck hat. Doch nun muss sich die Allianz Gruppe mit einem anderen Vorwurf auseinandersetzen: „Moralwashing“. Also ein moralisches und verantwortungsvolles Verhalten zu kommunizieren, obwohl man weiterhin ein fragwürdiges und unmoralisches Geschäftsmodell betreibt.

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Den Vorwurf erhebt aktuell die Londoner „Moral Rating Agency“, wie die „WirtschaftsWoche“ am Samstag berichtet. Gegründet wurde die Agentur von Mark Dixon, einem englischen Milliardär und einflussreichen Investment-Banker. Nachdem Russland am 24. Februar in die Ukraine einmarschierte, wollte Dixon evaluieren, welche Konzerne weiterhin Geschäfte in Russland betreiben - oder gar eng mit Präsident Putin und seinen Oligarchen kooperieren. Dabei soll es nicht bleiben. Künftig will MRA allgemein Ratings entwickeln, um den moralischen Kompass einer Firma bewerten zu können.

Allianz als „feiger Nachzügler“ bezeichnet

Konkret hatte die Allianz im März angekündigt, sich nach dem Angriff auf die Ukraine schrittweise aus dem Russland-Geschäft zurückziehen zu wollen. Dieser Rückzug solle „entschlossen“ und „geordnet“ stattfinden, so kommunizierte damals der Versicherer öffentlich. Ohnehin sei das Russland-Geschäft vernachlässigbar. „Wir erzielen dort circa 0,2 Prozent unseres Betriebsergebnisses und auch ein ähnlicher Prozentsatz unserer Versicherungsinvestments (Allianz-Gruppe weltweit: EUR 808,5 Mrd.) besteht aus Anlagen in Russland“, so antwortete eine Sprecherin auf Anfrage von Versicherungsbote.

Der Vorwurf von MRA ist nun, dass die Allianz diesen Worten keine Daten folgen ließ, die tatsächlich auf einen Rückzug schließen lassen. Im Gegenteil: Man habe -entgegen der Beteuerungen- das Engagement weitestgehend stabil gehalten. Zwar hatte die Allianz schon im Juni kommuniziert, dass sie eine Minderheitsbeteiligung von 49,9 Prozent ihres Russland-Geschäftes halten will, um „die Kontinuität für Kunden und Mitarbeiter“ zu wahren. Doch selbst diese Halbierung des Geschäftes sei nicht erfolgt.

Vorwurf: Fusion lässt Investment kleiner aussehen

Konkret hatte die Allianz am 3. Juni bekannt gegeben, dass sie sich bereit erklärt hat, ihre Mehrheitsbeteiligung an ihrem russischen Geschäft an Interholding LLC, den Eigentümer des russischen Schaden- und Unfallversicherers Zetta, zu verkaufen und die beiden Unternehmen zu fusionieren. Nach Abschluss der Fusion wird die Allianz einen Anteil von 49,9 Prozent an dem neuen Unternehmen halten.

Die Allianz habe aber durch diese Fusion nur die Anteile an dem nun entstehenden fusionierten Versicherer reduziert, ohne ihre Investitionen tatsächlich zu verringern, kritisiert nun MRA. Man halte nun ein „kleineres Stück eines größeren Kuchens“. Oder anders formuliert: weil durch die Fusion ein größerer Anbieter entsteht, kann man selbst bei gleich bleibendem Engagement behaupten, nun weniger in Russland engagiert zu sein - es ist im Grunde Augenwischerei, die den Münchenern hier vorgeworfen wird.

Die Worte, die MRA nun für die Allianz findet, sind nicht gerade schmeichelhaft. Man sei ein „feiger Nachzügler“ (Laggard Faint-hearted) da man ohnehin erst spät und widerwillig reagiert habe - wenn überhaupt. Die Behauptung, man behalte die Anteile aus Sorge um das Wohl von Kunden und Mitarbeitern, sei „Ausrede für einen verwirrten Menschenfreund“. Gerade deshalb, weil der Anteil des Russland-Geschäftes so gering sei, hätte die Allianz alle Chancen gehabt hier konsequenter zu reagieren, kritisieren die Moral-Wächter. Das Verhalten des Versicherers sei „enttäuschend“.

Wie die „WirtschaftsWoche“ berichtet, wollte die Allianz die Vorwürfe nicht kommentieren. Der Versicherer habe aber im Zuge des angeblichen Russland-Rückzugs eine hohe Abschreibung von rund 400 Millionen Euro vorgenommen - und dies mit negativen Währungseffekten begründet.

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Ob Mark Dixon ein Gründer ist, der die moralischen Fußabdruck seiner eigenen Agentur gerecht werden würde, ist aber ebenso diskussionswürdig. Der Gründer des Mietbüro-Dienstleisters Regus verlegte einst den Sitz seiner Firma von Großbritannien nach Luxemburg - aus Steuerspargründen, wie das „Handelsblatt“ berichtete. Seinen Hauptwohnsitz habe er mittlerweile im Reichenparadies Monaco: ebenfalls, um in seinem Heimatland keine Steuern zahlen zu müssen.

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