"Das ist mathematisch unmöglich"

Die darauf folgenden Rentenreformen bewertet er jedoch durchweg negativ, oder in seinen eigenen Worten: „Danach haben wir angefangen, nur noch Unfug zu machen“. Olaf Scholz habe als Arbeitsminister die Rentengarantie ausgesprochen: „also auf gut Deutsch, die Rentner machen alles mit, wenn es nach oben geht, aber wenn es dann schlechter geht, lassen die Rentner die Erwerbstätigen das allein ausbaden“. Besserstellungen bei der Grundrente, die „Rente mit 63“, die sogenannte Doppelte Haltelinie: all das trug laut Raffelhüschen dazu bei, die Rentenversicherung zu destabilisieren. Die doppelte Haltelinie besage zum Beispiel, „wir halten das Rentenniveau und wir halten die Beiträge und das Rentenzugangsalter. Das ist mathematisch gesehen unmöglich“, so das Fazit. All diese „Fehler“ würden sich auf drei Billionen Euro versteckte Staatsschulden summieren.

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Hier erfordere es ein Gegensteuern. „Wir brauchen in jedem Fall das Versprechen an die Jungen, dass wir bei konstanten Beiträgen in der Rentenversicherung, aber genauso auch in der Pflege- und in der Krankenversicherung bleiben. Alle Reformvorschläge in diese Richtung wurden von der Bundesregierung aber immer abgelehnt“, sagt der Ökonom. Auch den Gleichbehandlungsgrundsatz gelte es einzuhalten: dass also die jüngeren Generationen nicht deutlich mehr in die Sozialsysteme einzahlen müssten als ältere. Deshalb müsse das Renteneintrittsalter an die steigende Lebenserwartung angepasst werden. „Wir wollen, dass alle Generationen, egal ob Großväter, Väter oder die Kinder von heute, die gleiche Anzahl an Jahren gearbeitet haben für ein Rentenbezugsjahr“, sagt er.

Den jungen Generationen müssten 90-95 Prozent des Einkommens genommen werden

Ohne Reformen aber sei der Sozialstaat auf Dauer nicht finanzierbar. Und hier macht Raffelhüschen eine fatalistische Rechnung auf. Ohne Reformen würde der Sozialstaat von den jungen Menschen fast zwei Drittel des Einkommens als Sozialabgaben und Beiträgen abzweigen. Hinzu käme eine Steuerquote von einem Drittel. Das bedeute, „dass den Jungen im Grunde genommen nicht die Hälfte des Einkommens genommen wird, so wie jetzt, sondern zwischen 90 und 95 Prozent und das wird natürlich nicht finanzierbar sein“.

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Die geplante Aktienrente der Bundesregierung sei ein richtiger Schritt, komme aber für jetzige Babyboomer-Generationen zu spät, warnt der Ökonom. Um das Rentensystem jetzt zu stützen, hätte der aktienbasierte Kapitalstock bereits ab Anfang der 90er Jahre aufgebaut werden müssen. Aber auch hier hat der Ökonom angesichts leerer Kassen bei Bund, Ländern und Kommunen Bedenken. „Politikern Geld zum Aufpassen anzuvertrauen ist so, wie wenn Sie Ihrem Hund zwei Knochen hinschmeißen und sagen, der eine ist für jetzt, der andere für später. Das wird nicht funktionieren“.

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