Der als wirtschaftsliberal bekannte Ökonom Bernd Raffelhüschen hat erneut scharfe Kritik an der Rentenreform der Bundesregierung geübt, genauer gesagt an deren mangelndem Reformwillen. In einem Interview mit der „Berliner Morgenpost“ anlässlich der wieder stark steigenden Renten - sie steigen im Juli erstmals bundesweit um 4,57 Prozent - verwies der Freiburger auf die gesetzlichen Mechanismen, die dafür sorgen, dass die Renten wohl auch in den kommenden Jahren entsprechend der Entwicklung der Tariflöhne kräftig angehoben werden müssen. „Die Rentenerhöhung ist ein Automatismus und folgt der Entwicklung der Bruttolöhne. Angesichts der Lohnerhöhungen war der hohe Anstieg absehbar“, so Raffelhüschen.

Anzeige

Reformpaket II: „Das wird für die Rentenversicherung teuer“

“Wenn Arbeitsminister Hubertus Heil sein Gesetz zum Rentenpaket II durchsetzt, das ein dauerhaftes Rentenniveau von 48 Prozent des durchschnittlichen Einkommens garantiert, müssen die Renten auch in den nächsten Jahren parallel zu den Tariflohnerhöhungen steigen. Anders ist dies nicht zu erreichen“, blickt Raffelhüschen in die Zukunft. „Doch das wird für die Rentenversicherung teuer, da die Zahl der Rentner in den nächsten Jahren deutlich steigen wird“. Entsprechend müssten die Beiträge oder Bundeszuschüsse erhöht werden.

Mit dieser Politik trage die junge Generation die Rentenlast, während die alte Generation - die Babyboomer - als Verursacher der Situation geschont werde, so Raffelhüschen weiter. Und das bedeute für die gesetzliche Rentenversicherung ein ernstes Legitimationsproblem. "Wir dürfen nicht davon ausgehen, dass unsere Kinder dauerhaft massive Beitragserhöhungen schultern. Irgendwann wird die Akzeptanz für die umlagefinanzierte Rente schwinden. Dann bekommen wir einen intergenerativen Verteilungskonflikt, den wir verursachergerecht lösen müssen" warnt Raffelhüschen.

Mit dieser Politik trage die junge Generation die Rentenlast, während die alte Generation - die Babyboomer - als Verursacher der Situation geschont werde, so Raffelhüschen weiter. Und das bedeute für die gesetzliche Rentenversicherung ein ernstes Legitimationsproblem. Weil die Babyboomer dieses Problem verursacht haben, Stichwort: niedrige Geburtenraten, will Raffelhüschen sie später in Rente schicken. „Das Rentenzugangsalter muss schnellstmöglich erhöht werden“, fordert der Ökonom.

Notwendig sind aus Sicht von Raffelhüschen aber weitere Schritte, um die gesetzliche Rente zu stabilisieren: mehr Frauen sollen in Vollzeit arbeiten, die Zuwanderung solle streng nach Qualifikation gesteuert werden und der Beitragssatz zur Rente müsse gesetzlich festgeschrieben werden: folglich eine Art Obergrenze, über die der Rentenbeitrag nicht steigen darf. „Mit diesen vier Punkten könnte die Rente so reformiert werden, wie sie bereits unter der Agenda 2010 bestand“, sagt der Ökonom. Und gibt den Bundesarbeitsminister noch eine polemische Spitze mit: „Hubertus Heil ist ganz klar ein Anwalt der alten Generation – und nicht der jungen. Von Generationengerechtigkeit im Sinne von Gleichbehandlung besteht hier keine Spur“, sagt der 66jährige.

Anzeige

Nullrunde für Rentner

Bernd Raffelhüschen hat wiederholt gefordert, dass die Bundesregierung umfassendere - und unpopulärere - Reformen zur Stabilisierung der Rente durchsetzt. In einem Interview mit der BILD, Deutschlands größter Boulevardzeitung, hatte er Ende Februar eine Nullrunde für die rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentner angemahnt. „Deutschland baut seinen Sozialstaat seit Jahrzehnten immer weiter aus“, sagte Raffelhüschen zu BILD: „Deshalb ist es auch unproblematisch, im Sozialbereich zu sparen. Beispielsweise wäre ein Renten-Moratorium sinnvoll: Die Rentenerhöhung für dieses Jahr sollte ausgesetzt werden.“ Zum Zeitpunkt des Interviews war man noch davon ausgegangen, dass die Renten 2024 weniger deutlich steigen: um 3,5 Prozent. Aus Sicht des Ökonomen wäre das bereits deutlich zu viel gewesen.

Anzeige