Das Problem: Nicht erwähnt wird in dem PKV-Papier, das Vorerkrankungen den Beitrag deutlich verteuern können, wenn man neu einen Vertrag abschließt: oder gar gänzlich den Abschluss verhindern. Allen offen stehen lediglich die staatlich geförderten Pflegetagegeld-Tarife, die aber einige Nachteile haben: so kann eine Beitragsbefreiung im Leistungsfall nicht vereinbart werden. Auch sind die Tarife tendenziell teurer als ungeförderte Angebote, weil die Versicherer keine Risikoselektion betreiben dürfen.

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Dass der Abschluss einer Pflegezusatzversicherung sinnvoll ist und eine möglichst breite Marktabdeckung sinnvoll, daran lassen auch Politik und Verbraucherschutz keinen Zweifel. Unter anderem wird sie vom Bundesgesundheitsministerium explizit empfohlen.

Aber ebenfalls unerwähnt bleibt im Papier des PKV-Verbandes, dass auch bei diesen Privattarifen hohe Kostensteigerungen drohen, da sie gleichsam unter dem demographischen Trend und dem Niedrigzins leiden. So berichtet etwa die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, dass bei einigen Angeboten zum Jahreswechsel die Prämien um 60 bis 100 Prozent gestiegen seien. Mit fortgeschrittenem Alter wird es dann schwierig einen neuen Anbieter zu finden, da sich das Alter auf die Höhe der Prämie negativ auswirkt.

Ein Ausweg bei steigenden Prämien: Auch für Zusatzpolicen besteht das gesetzlich verbürgte Recht, den § 204 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) zu nutzen und ein günstigeres Angebot ohne Preisaufschläge zu wählen, wenn der eigene Versicherer ein solches anbietet. Manche Versicherer haben aber eine sehr beschränkte Auswahl an Pflegezusatz-Produkten, mitunter nur ein oder zwei Tarife. Dann droht den Betroffenen, dass sie ihren Schutz verlieren, wenn sie den höheren Beitrag nicht weiter zahlen können. Zur Erinnerung: In der gesetzlichen Pflegeversicherung ist die Höhe der Beiträge an das Einkommen gekoppelt.

Dennoch unterbreiter der PKV-Verband sinnvolle Vorschläge, wie die wichtigen Pflegezusatz-Policen besser gefördert werden könnten:

  • Für einen angemessenen Leistungsumfang könnten Beiträge für eine Pflegezusatzversicherung steuerlich in voller Höhe geltend gemacht werden. Um eine große Durchdringung der Gesellschaft mit Pflegeversicherungen zu erreichen, ließe sich im Einkommensteuergesetz zudem der Tatbestand einer betrieblichen Pflegeversicherung schaffen. Analog zur betrieblichen Altersvorsorge fielen dann auf die Beiträge keine Steuern und Sozialabgaben an. Die Beiträge können im Rahmen von Tarifverträgen vom Arbeitgeber finanziert werden; oder aber die Arbeitnehmer zahlen sie begünstigt über eine Entgeltumwandlung.
  • Wer keine betriebliche Pflegeversicherung hat und von der Steuerbegünstigung privater Pflegevorsorge nicht profitiert, weil er keine oder nur wenig Steuern zahlt, sollte vom Finanzamt einen Zuschuss zur Pflegezusatzversicherung – im Rahmen eines angemessenen Leistungsumfangs – erhalten, je nach Einkommen bis zu 100 Prozent.
  • Älteren, denen ein Einstieg in eine Pflegezusatzversicherung zum Neugeschäftsbeitrag zu hoch ist, könnte über einen Einmalbeitrag ermöglicht werden, sich ein günstigeres Einstiegsalter und damit eine deutlich niedrigere Prämie zu sichern.

Private Pflegeversicherer haben niedrigere Kosten

Mit Blick auf die Pflichtversicherung wurde bereits mehrfach festgestellt, dass die privaten Krankenversicherer teils deutlich niedrigere Pflegekosten haben als die gesetzlichen Anbieter. Das zeigt etwa die Studie "Pflegereport 2019" von Stefan Greß u.a., für die Daten aus den Jahren 2016 und 2017 ausgewertet wurden. Das Ergebnis: Während die Soziale Pflegeversicherung pro Versichertem im Schnitt 492 Euro im Jahr für Pflegeleistungen ausgeben musste, waren es in der privaten Pflegeversicherung lediglich 197 Euro: Beihilfen bereits eingerechnet.

Die Gründe für die niedrigeren Kosten sind komplex: Haben aber auch bereits zu Debatten geführt, wie "solidarisch" die private Pflegeversicherung ist. Denn es liegt auch an der Risikoselektion, dass private Krankenversicherer hier ihre Kosten drücken können:

  • Private Krankenversicherer können -mit Ausnahme des Basistarifs- Personen mit Vorerkrankungen ablehnen oder mit deftigen Risikoaufschlägen „bestrafen“. Das wirkt sich speziell in jüngeren und mittleren Altersgruppen aus. Laut Pflegereport 2019 liegt im Altersbereich zwischen 20 und 50 Jahren das Pflegerisiko der Privatversicherten bei nicht einmal 20 Prozent der gesetzlich Pflegeversicherten. Hier mache sich die Selektionswirkung der Risikoprüfung stark bemerkbar.
  • Mehr als die Hälfte der privat Krankenvollversicherten sind Beamte. Wer als Staatsdiener pflegebedürftig wird, hat Anspruch auf Beihilfe oder freie Heilfürsorge. Das heißt: Der Dienstherr, also der Bund oder das Bundesland, kommt für einen Teil der Pflegekosten auf. De facto profitiert so auch das PKV-System von Steuern. Dem entgegen sind Arbeiter und einfache Angestellte weit häufiger bei den gesetzlichen Pflegekassen pflichtversichert.
  • Weitaus mehr Frauen als Männer sind gesetzlich pflegeversichert. 2016 lag der Frauenanteil in der sozialen Pflegeversicherung bei 53 Prozent, in der privaten Pflege hingegen nur bei 39 Prozent. Frauen haben aber eine höhere Lebenserwartung als Männer, im Schnitt leben sie 4,4 Jahre länger. Hier wirkt sich aus, dass Hochbetagte ein größeres Risiko haben, auf Pflege angewiesen zu sein.
  • Der hohe Frauenanteil trägt dazu bei, dass die Zahl der Hochbetagten in der sozialen Pflegeversicherung höher ist. Bei der Altersgruppe mit der höchsten Pflegequote, den über 80-Jährigen, liegt der Versichertenanteil in der SPV mit 6,4  Prozent um fast die Hälfte über dem entsprechenden Anteil in der PPV. Dies könnte sich aber bald umkehren. Denn der Anteil der 60- bis 79-jährigen Privatversicherten liegt mit 34,7  Prozent sogar über dem Anteil in der SPV (26,3 Prozent).

Ein Ergebnis des Pflegereportes ist es, dass das Babyboomer-Problem die privaten Krankenversicherer bald stärker treffen könnte als die gesetzlichen Krankenkassen, weil hier viele Versicherte bereits im fortgeschrittenen Alter sind: nur eben noch nicht hochbetagt. Eine Pflegereform könnte folglich auch die Privatversicherer entlasten, wenn die Pflichtversicherung weniger Leistung garantiert.

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