Kernthema der Serie ist es, gemeinsam mit dem Leser einen Perspektivwechsel zu vollziehen und sich besser in die jeweils andere Seite hineinzuversetzen. Die sechste Folge beschäftigt sich mit der Umsetzung der BiPRO-Standards.

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Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Veränderungen in der Versicherungsbranche werden gerne langsam vollzogen. 2006 zog die BiPRO e.V. los, um für die Standardisierung der digitalen Vernetzung zwischen Versicherungsunternehmen und ihren Vertriebspartnern zu sorgen. Über 250 BiPRO-Mitglieder arbeiten mittlerweile daran. Einige BiPRO-Normen, zum Beispiel die Standardisierung der TAA (Tarifierung, Angebot, Antrag) sind weitestgehend umgesetzt worden. Andere, zum Beispiel in Bezug auf Bestandsdaten, eher weniger. Was sind die Ursachen dafür? Und welche Konsequenzen hat das für Versicherer und Makler?

Das bedeutet BiPRO für Makler: Hoffnung und Enttäuschung

Im Herzen sind wir Makler Vertriebler. Die BiPRO-Standards bedeuten für uns daher nicht weniger als die Hoffnung auf mehr Zeit mit unseren Kunden – und weniger Zeit mit den Dingen, die uns keinen Spaß machen. Makler müssen bis heute mehr Zeit in die Daten- und Dokumentenpflege investieren, als sie es gerne tun würden. Lange Bearbeitungszeiten, leidige Nachprüfungen und Fehler im Prozessverlauf sind die Konsequenzen einer fehlenden Standardisierung und der bis heute unvollständig umgesetzten Normen. Daneben erhöht die Parallelität zwischen BiPRO- (für Dokumente) und GDV-Standards (für Daten) insbesondere für kleinere Makler die Komplexität. Ursprünglich sollten BiPRO-Standards auch für den Datenaustausch entwickelt werden, was bis heute nicht geschehen ist.

Das alles führt zu hohem manuellem Aufwand und macht es unmöglich, am Markt perfekte Automatisierungstools anzubieten (auch wenn viele behaupten, sie hätten eins im Angebot). Letztlich müssen sich die Makler selbst mit dem Thema beschäftigen und verlieren Zeit für Akquise oder Beratung. Ein weiterer unangenehmer Nebeneffekt ist, dass kleinere Makler operativ kaum mehr in der Lage sind, die Bestände anderer kleinerer Makler ohne großen manuellen Aufwand zu übernehmen.

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Der Traum der Maklerschaft, standardisierte Vertriebs- und Bestandsprozesse, die alle Daten und Dokumente der Versicherer automatisiert und korrekt ins eigene System übermitteln, bleibt somit vorerst unerfüllt.

Das bedeutet BiPRO für die Versicherer: Opportunistische Umsetzung

Über Jahre eingefahrene Verhaltensweisen—und in manchen Fällen ein fehlender Wille—führen dazu, dass das Projekt der Einführung genormter BiPRO-Normen nur langsam vorankommt. Ein echtes Commitment zur Standardisierung gab es bislang nicht. Branchenstandards sind insbesondere AO-lastigen Versicherern eher fremd, da sie es gewohnt sind, sämtliche Prozesse für ihren Vertrieb nach eigenem Gusto zu definieren.

Zudem sind die Prozessanpassungen bei Versicherern mit hohen Kosten verbunden und binden wertvolle IT-Ressourcen. Selten wird ein Versicherungsvorstand diese für BiPRO-Themen freigeben wollen, solange der unmittelbare Nutzen für das Neugeschäft nicht sinnvoll ist. So waren beispielsweise bei der Standardisierung der TAA diejenigen Gesellschaften von Vergleichsrechnern ausgeschlossen, die die Standardisierung der BiPRO Norm nicht umgesetzt hatten. Und voilà, die Umsetzung der Norm stellte kein Problem dar. Bei den Bestandsdaten ist der Einfluss auf das Neugeschäft (scheinbar) begrenzt—entsprechend hakt es in der Umsetzung.

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Fazit: BiPRO-Umsetzung wird sich beschleunigen

Ein kurzfristiger und vollständiger Durchbruch in Sachen Daten- und Dokumentenstandardisierung ist nicht zu erwarten. Das liegt nicht an den engagierten und kompetenten Kollegen der BiPRO, die einen tollen Job machen. Echte Bewegung kommt in das Thema jedoch immer nur, wenn es auch den Versicherungsgesellschaften klare Vorteile bringt.

In Zukunft wird dies immer stärker der Fall sein. Die durch die Konsolidierung im Makler- und Poolmarkt entstehenden Einheiten werden in den nächsten Jahren eine Umsetzung der Standards immer stärker zur Voraussetzung für eine Zusammenarbeit im Neugeschäft machen. Spätestens dann kommt Bewegung in die Sache. Ob dann nur einige große oder alle von den neuen Standards profitieren werden, wird sich zeigen.

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