Zahlreiche Bildungsträger sind in den letzten Dezembertagen 2021 angesichts hoher Anmeldezahlen in Jubelstürme wegen der gebuchten Webseminare ausgebrochen. Bei den Anbietern hat sich das monetär sicher auch gelohnt, es sei ihnen gegönnt.

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Der @AssekuranzDoc

Der @AssekuranzDoc

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Aber erfüllt es auch das Ziel der fachlichen Weiterbildung für die Nutzer, wenn in den letzten Tagen ein Webseminar nebenher inhaliert wird? Passt jedes Webseminar auch zu dem, was die einzelne Maklerin oder der Makler braucht? Oder wird formal nur eine Pflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde erfüllt?

Den Weiterbildungsbedarf des Unternehmers und der Mitarbeiter ermitteln

Es gehört zu den Grundsätzen unternehmerischen Handels, dass die Weiterbildung des Unternehmers selbst und seiner Mitarbeiter als wertvolles und wertbildendes Asset verstanden und gelebt werden.

Wer dauerhaft seine und die Fortbildung seiner Mitarbeiter vernachlässigt und so mögliche Potentialentwicklungen unterdrückt, handelt fahrlässig und verletzt als Unternehmer und Arbeitgeber auch wichtige Pflichten.

Geht es um die Planungen für Fortbildung bei Kenntnissen und Fähigkeiten, dann sollte sich der Unternehmensinhaber zunächst mit seinem eigenen und dann mit dem Weiterbildungsbedarf seiner Mitarbeiter selbstkritisch befassen. So ist es gemeint, wenn es eingangs heißt, die Brille einmal absetzen um besser zu sehen. Es geht um die eigene „Betriebsblindheit“, die den Blick auf das Wesentliche oftmals verhindert.

Bevor wir zu einigen Möglichkeiten der Bedarfsermittlung über den Weg „Brille ab“ kommen, ist vom persönlichen Profil des Inhabers und seiner Firma auszugehen. Dazu gehören unter anderem:

  • Fachliche Grundausbildung bsw. als Versicherungskaufmann oder – fachwirt
  • „Alte Hasen“- Regelung und mögliche Zusatzqualifikationen der letzten Jahre
  • Strategie und Spezialisierung der Maklerfirma nach Schwerpunkten und Zielgruppen
  • Zielgenaue fachliche und unternehmerische Weiterbildungen der letzten Jahre
  • Kurzzeitige oder dauerhafte Feedbacks oder Coachings für Inhaber und Mitarbeiter

Für die Bedarfsermittlung bei den Mitarbeitern können die Jahres- oder Personalgespräche zu Beginn des Jahres genutzt werden. Gehen Sie dabei von zwei Basispunkten aus:

  • Stellenbeschreibung oder Anforderungsprofil für den Mitarbeiter mit Tätigkeiten, Aufgaben und Anforderungen
  • Mitarbeiterqualifikation, Leistungen (und Probleme) im abgelaufenen Jahr oder über eine längere Zeit der Tätigkeit
  • Profilvergleichsanalyse zeigt Handlungsbedarf

    Wenn Sie sich für jede Führungskraft und jeden Mitarbeiter mit diesen beiden Basispunkten befasst haben, können Sie zu einem Abgleich von Soll und Ist oder, wie man in der Personalführung auch sagt, einer Profilvergleichsanalyse kommen. Bei den Punkten, bei denen die größten Abweichungen bestehen, sollten Sie als Unternehmer ansetzen. Auch Kundenbeschwerden zu bestimmten Defiziten können eine Orientierung zum Handeln sein.

    Als bewährte Methoden zur Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs bei den eigenen Mitarbeitern können Makler beispielsweise diese nutzen:

    • Mitarbeiterbefragung mündlich oder schriftlich durch den direkten Vorgesetzten
    • Auswahl von Weiterbildungsangeboten an Mitarbeiter und deren Entscheidungen
    • Workshop mit externen Beratern zur Ermittlung von Fortbildungsbedarf
    • Angebote für Personalentwicklungsprogramme (PE) oder auch
    • Szenario-Meetings.

    Szenario-Meeting und Workshops zur Personal- und Teamentwicklung

    Webseminare wurde in der laufenden Pandemie sehr gut angenommen, haben häufig eine sehr gute Qualität und kompensieren notwendige fachliche Fortbildung insgesamt gut. Aber das Thema der Interaktion kommt trotz aller Chat-Funktionen insgesamt zu kurz. Der Mensch -und eben auch Unternehmer und Mitarbeiter- braucht die persönliche Kommunikation und Interaktion. Häufig entstehen nur so neue Ideen, Impulse und Strategien, die jedes Unternehmen braucht.

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    In sogenannten Szenario-Meetings kann man sich gemeinsam der Frage zuwenden, welche Kenntnisse und Fähigkeiten im neuen Jahr oder auch in 5 Jahren in der Firma gebraucht werden und wie man diese erreichen kann. Aktuell gilt es zum Beispiel in vielen Maklerfirmen darum, ALLE Mitarbeiter für die Online-Beratung zu begeistern und zu befähigen. Die Arbeit am PC oder per Telefon ist eben etwas anderes als Online den Kunden zu beraten und auch den vermittelten Antrag gleich abzuschließen.

    Szenario-Meetings erfolgreich gestalten

    Erfolgreich werden diese Meetings, wenn von Beginn an Freude und Spaß am gemeinsamen Feedback und den gemeinsamen Zielen vermittelt wird. Die Teilnehmer öffnen sich dann leichter den gemeinsamen neuen Zielen. Vermeiden Sie deshalb auch destruktive Kritik und Schuldzuweisungen. Mein persönlicher Tipp:

    „Geben Sie jedem Mitarbeiter in einem Szenario-Meeting die Möglichkeit, etwas Positives aus dem letzten Jahr (Zeitabschnitt) zu berichten. Die Mitarbeiter erfahren so Wertschätzung und können Stolz entwickeln, der durch das gesamte Meeting trägt.“

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    Weitere Öffnungsmöglichkeiten kann ein externer Coach in das Meeting einbringen, die gemeinsam richtig Spaß ins Meeting bringen. Ich setze da gerne von den Teilnehmern skizzierte Situationsbilder oder beschriftete Karten für eine Metaplanwand ein, in denen Mitarbeiter aufzeigen, was Sie im vergangenen Zeitraum (von wem) gelernt haben. Und schon hat man die gewünschte konstruktive Atmosphäre.

    Auch als Einzel- oder Kleinunternehmer können Sie so vorgehen. Erstellen Sie eine Liste oder nutzen Sie das in jedem Büro stehende Flipchart mit zwei Seiten:

    • Was ist mir im vergangenen Jahr gut gelungen, worauf bin ich stolz?
    • Was ist mir noch nicht gut gelungen? Wo habe ich Defizite bemerkt? In welchen Bereichen war ich unsicher und musste Kollegen oder Versicherer fragen? Wo gab es Kundenbeschwerden?

    Aus diesen Vergleichen entsteht ein Zielfokus für den Fortbildungsbedarf des neuen Jahres:

    • Was ist an Kenntnissen und Fähigkeiten heute und „morgen“ notwendig?
    • Was wissen und können wir schon gut und wo müssen wir uns weiter in fortentwickeln?
    • Welche Fortbildungen und in welchen Formaten müssen Priorität haben?

    Besondere Herausforderungen für Makler in der Personalführung

    Für Maklerinnen und Makler, die als Einzelunternehmer oder Firmeninhaber mit nur wenigen (Teilzeit-)Mitarbeitern tätig sind, ergeben sich die Anforderungen für Fortbildung vor allem aus fachspezifischen und unternehmerischen Themen. Es stehen demnach Herausforderungen für die Vertiefung der erkannten speziellen fachlichen Defizite oder weiterentwickelten Kenntnisse zum einen. Zum anderen ist an den Fähigkeiten der Unternehmensführung, der Ertrags- und Wertsteigerung und eines möglichst effektiven Workflows zu arbeiten.

    Kommt zu den genannten Ebenen des Unternehmertums noch die umfangreichere Herausforderung der Personalführung hinzu, ist auch an diesem Bereich ständig zu arbeiten oder ein umfassendes Coaching zu empfehlen. Die Veränderungen bei der Personalführung durch hybrides oder ständiges Arbeiten im Homeoffice sind neue Herausforderungen, die kaum in der Weiterbildung per Webinar eine Rolle spielen. Hier sind im besten Sinne des Wortes qualifizierte Coaches gefragt.

    Fortbildungsziele für die hybride Personalführung können beispielsweise diese sein:

    • Methoden und Erfolgsfaktoren hybrider Personalführung
    • Organisation des Mitarbeitereinsatzes bei hybridem Personaleinsatz
    • Effektiver mobiler Workflow bei hybridem Geschäftsmodell und Onlineverkauf
    • Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei normaler und hybrider Personalführung
    • Motivation und Bewahrung von sozialen Kontakten im Team
    • Konfliktbewältigung bei hybrider Personalführung

    Dem Makler als Personalführungskraft fehlen nicht selten das Handwerkszeug der Personalführung und das Feedback eines externen Partners, der kontinuierlich die Entwicklung fördert und einfordert, Impulse gibt und Know-how einbringt, damit die nächsten Ziele und Planzahlen im Maklerunternehmen erreicht werden. Wenn sich jetzt beim Leser das Bild eines Sparringspartners entwickelt, gehen die Gedanken in die richtige Richtung.

    Schauen wir uns dazu drei Praxisbeispiele an:

    1. Ende 2021 waren es für mich ein eindrucksvoller Moment, als ein dienstjunger Makler, der zum ersten Mal Personal einstellen wollte, selbst zur Erkenntnis kam: Das kann ich noch nicht, ich suche mir Hilfe. So wurde Auswahlgespräche auf 4-Augen-Prinzip verlagert, der Jungmakler holte sich bei mir ein Feedback zum Kandidaten ein und bekam dann Hilfe bei der Erarbeitung eines leistungsorientierten Arbeitsvertrages.
    2. Mitte 2020 wandte ich ein Makler an mich, der zum ersten Mal in der vom Vater übernommenen Firma einen Mitarbeiter kündigen musste. Ihm konnten wir mit einer unserer Checklisten zum Thema Vorbereitung und Durchführung von Konfliktgesprächen und Kündigungen helfen.
    3. 2019 führten wir mit den Inhabern und Mitarbeitern einer schnell gewachsenen Makerfirma ein Strategiemeeting mit allen Mitarbeitern mit dem Ziel durch, einen wirksameren Einsatz der Personalressourcen, eine effektivere Arbeitsorganisation und – teilung zu entwickeln. Mit Engagement brachten sich die Mitarbeiter ein und es wurde ein Fundus an Verbesserungsvorschlägen entwickelt, die das Team weiter zusammenführten, von denen man jetzt noch zehrt.

    In allen drei Beispielen haben die Maklerunternehmer erkannt, dass es sich lohnt den Blick durch die eigene betriebliche Brille zu verlassen und einen neuen Blick zu entwickeln oder mit Unterstützung die Unternehmerpersönlichkeit und ihr Unternehmen von anderen Seiten zu sehen.

    Von einem spezialisierten Coach darf erwartet werden, dass Marktkenntnis eingebracht und strategisch kreative Lösungsansätze – mit der gebotenen externen Distanz zum operativen Tagesgeschäft – entwickelt werden. Erst durch den Blick von außen wird es möglich, eine realistische Analyse zum Status Quo des Erreichten in allen wesentlichen Bereichen zu bekommen, um daraus die notwendigen Handlungsfelder für die Fortbildung abzuleiten.

    Ob aus eigener Kraft oder mit Unterstützung von außen ist an einer ständigen Veränderungskultur im Maklerunternehmen zu arbeiten, in die eine zielgerichtete Fortbildung einzubinden ist. Deshalb habe ich diesem Thema auch ein größeres Kapitel in „Neuer Kurs für Maklerunternehmern“ gewidmet, was jedem Makler mit Personalverantwortung zu empfehlen ist.

    Fazit

    Weiterbildung und die Teilnahme an Webinaren sind grundsätzlich schon gut. Selbst das entfernteste Thema kann – wenn bewusst aufgenommen – zu neuen Erkenntnissen und Ideen führen. Wirksamer sind aber Fortbildungen und Qualifizierungen, die zielgerichtet (!) auf den Bedarf oder die Bedarfe ausgerichtet sind. Es lohnt sich die eigene Betriebsblindheit oder den gewohnten Blick durch die eigene Brille zu verlassen.

    Seien Sie mutig, setzen Sie diese Brille einmal ab und sehen und denken Sie Dinge, Abläufe und Beratungsansätze neu. Nur wer sich selbst verändert und entwickelt, hat die Kraft Neues zu entwickeln und den Prozess der Veränderungen zu bestehen.

    Auf einer Maklerhomepage fand ich einen solchen Anspruch sehr schön formuliert und möchte dieses an den Schluss dieser Kolumne setzen:

    „Auf dem neuesten Wissensstand zu sein ist das persönliche Ziel unserer erfahrenen und engagierten Mitarbeiter. Dies dient in erster Linie Ihnen, unseren Kunden, die dadurch eine qualitativ hochwertige Betreuung erhalten“ heißt es auf der Webseite der Walter Frey Assekuranz-Makler GmbH. Und weiter:

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    „Unsere Spezialisten verfügen alle über eine fundierte Ausbildung in Bereichen der Versicherungs- und Betriebswirtschaft. Darüber hinaus ist eine zielgerichtete Weiterbildung für uns selbstverständlich. Schließlich steigen die Anforderungen stetig.“

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