Höchstrechnungszins in der Lebensversicherung sinkt

Der Höchstrechnungszins in der Lebens- und Rentenversicherung -umgangssprachlich auch „Garantiezins“ genannt- wird ab dem 1. Januar 2022 abgesenkt: von 0,9 auf dann 0,25 Prozent. Das ist stark vereinfacht der Zinssatz, den die Versicherer maximal bei Neuverträgen ihren Kundinnen und Kunden als Zins auf ihren Sparanteil zusagen dürfen. Bestandsverträge sind hiervon nicht berührt: Für sie gelten weiterhin die garantierten Leistungen ihres bestehenden Vertrages.

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Die Absenkung des Höchstrechnungszinses resultiert daraus, dass er sich an Renditen 10-jähriger europäischer Anleihen der öffentlichen Hand orientiert. Und diese bringen in Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen an den Kapitalmärkten den Investoren kaum noch was ein. Denn auch die Versicherer sind gesetzlich verpflichtet, ihre Garantiezusagen weitestgehend mit festverzinslichen Papieren abzusichern: und entsprechend die Kundengelder anzulegen. Vorgeschlagen wird seine Höhe von den Versicherungsmathematikern der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) und beschlossen vom Bundesministerium der Finanzen (BMF).

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht davon aus, dass der niedrige Höchstrechnungszins weitere Auswirkungen auf das Produktangebot der Versicherer hat. Mehr kapitalmarktnahe Produkte, die ohne Mindestzins auskommen. Und der Verband mahnt zugleich: „Weil mit dem neuen Rechnungszins der bei Riester-Produkten vorgeschriebene vollständige Kapitalerhalt kaum noch darstellbar ist, wird die Auswahl an Produkten deutlich schrumpfen. Folgen hat die Absenkung des Höchstrechnungszinses auch in der betrieblichen Altersvorsorge: Arbeitgeber werden voraussichtlich kaum noch Beitragszusagen mit Mindestleistung geben können“.

Dass die Versicherer Probleme haben, Garantieprodukte wie Riester überhaupt noch anzubieten, hängt ebenfalls mit aufsichtsrechtlichen Vorgaben zusammen. Sie müssen diese nicht nur überwiegend mit Anleihen absichern, sondern zudem mit viel Eigenkapital unterfüttern: Geld, mit dem sie nicht arbeiten können und dann regelrecht einbetoniert ist.

Erneut Reform der Altersvorsorge angemahnt

Die Situation, dass sich kapitalbildende Riester- und Renten-Produkte auch für Versicherer immer weniger lohnen, führt dazu, dass die Branche dringend Reformen in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge anmahnt. „Die Versicherer unterstützen weiterhin eine rasche Reform der privaten Altersvorsorge. Nachdem das Vorhaben von der Vorgängerregierung liegen gelassen wurde, haben sich SPD, FDP und Grüne in ihrem Koalitionsvertrag erneut einer Reform verschrieben. Was die neue Regierung konkret vorhat, ist allerdings noch offen“, schreibt der GDV. Man wolle sich aktiv in die Diskussion einbringen: zu den Reformvorschlägen gehören etwa eine vereinfachte Förderung und „eine Öffnung für Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen“. Mit anderen Worten: Auch bei staatlich geförderten Produkten wie der Riester-Rente wollen die Versicherer weniger Garantie bieten müssen. Ob eine Reform jedoch 2022 kommt oder überhaupt in dieser Legislaturperiode: ungewiss.

Nachhaltigkeitsberichterstattung wird konkretisiert

Die EU hat sich 2019 einen „Green New Deal“ auf die Fahnen geschrieben: auch wenn umstritten ist, ob die Ziele ausreichen, um Klimaziele rechtzeitig umzusetzen. Bis zum Jahr 2050 will Europa klimaneutral werden: als erster Kontinent überhaupt. Hierfür soll Wirtschaftswachstum vermehrt durch Investments in grüne Technik und nachhaltige Infrastruktur erzielt werden.

Das erfordert auch strengere Vorgaben für die Nachhaltigkeitsberichterstattung der europäischen Unternehmen. Hierfür hat die EU eine neue Richtlinie angestoßen: die Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD). Zwar müssen Unternehmen ab 500 Mitarbeitern jetzt schon verpflichtend erklären, was sie etwa in Sachen Umwelt, Menschenrechte und Korruptionsbekämpfung unternehmen. Aber diese Berichtspflichten werden wahrscheinlich erweitert und verschärft. Künftig könnten zum Beispiel auch Unternehmen ab 250 Mitarbeitern verpflichtet sein, über ihre Nachhaltigkeits-Aktivitäten zu berichten. Zusätzlich soll Greenwashing erschwert werden, indem die Berichte unabhängig geprüft werden müssen.

“Es ist zu erwarten, dass Frankreich seinen Ratsvorsitz in der ersten Jahreshälfte nutzen wird, um die Verhandlungen mit Parlament und EU-Kommission abzuschließen, damit die EU-Mitgliedsstaaten die Richtlinie noch bis Jahresende in nationales Recht umsetzen können“, schreibt nun der GDV. Denn die neuen Regeln sollen schon im Berichtsjahr 2023 greifen. Unternehmen, die zwei von drei Kriterien (Bilanzsumme größer als 20 Millionen Euro, Nettoumsatz größer als 40 Millionen Euro, Mitarbeiter größer als 250) erfüllen, sollen künftig dazu verpflichtet werden, detailliert über ihre Klimaziele und wichtige Nachhaltigkeitskennzahlen Auskunft zu geben – „nach einheitlichen, standardisierten und messbaren Kriterien“, wie der Verband schreibt.

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Versicherer seien von den neuen Berichtspflichten in doppelter Weise betroffen: Zum einen als berichtende Unternehmen, zum anderen als Kapitalanleger, die ihre Investitionsentscheidungen nachhaltig ausrichten wollen. Die Branche setzt sich dafür ein, dass die Berichtspflichten in zwei Stufen eingeführt werden, um Qualität und Umfang schrittweise zu verbessern. Auch sollen die Berichtspflichten angemessen und verhältnismäßig sein: Hier spricht die Sorge aus den Versicherern, dass ein deutlicher bürokratischer Mehraufwand droht.

Weitere Berichtspflichten zum Thema Nachhaltigkeit

Mit Jahresbeginn startet der Referenzzeitraum, um negative Auswirkungen von Investitionsentscheidungen auf ökologische und soziale Faktoren zu erfassen, berichtet der GDV weiter: die sogenannten Principal Adverse Impact Indicators. „Auf Basis dieser Daten müssen Finanzmarktteilnehmer bis spätestens Ende Juni 2023 ausweisen, welche negativen Auswirkungen ihre Geschäftstätigkeit beispielsweise auf die Umwelt oder Arbeitnehmerbelange hat“, schreibt der Verband. Diese Berichte seien Bestandteil der Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation, SFDR). Europäische Unternehmen sollen damit transparenter über Nachhaltigkeits-Aspekte bei ihren Kapitalanlagen berichten.

Versicherungsanlageprodukt: Vermittler müssen das Thema Nachhaltigkeit im Beratungsgespräch ansprechen

Ein Thema betrifft auch Versicherungsmaklerinnen und -makler direkt: Beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten müssen Vermittler und Versicherer künftig den Kunden fragen, welchen Wert sie auf ökologische und soziale Aspekte sowie auf gute Unternehmensführung (Environment, Social, Governance; ESG) legen. Bei der Wahl des passenden Produktes muss diese Präferenz dann ab spätestens dem 2. August 2022 berücksichtigt werden. Wer beispielsweise fondsgebundene oder kapitalbildende Lebensversicherungen anbieten will, muss dann vorher fragen, ob und in welchem Ausmaß entweder speziell ökologische oder allgemein nachhaltige Anlagen gewünscht sind. Das schreibt die neue Transparenzverordnung (TVO) vor.

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Damit werden auch Versicherer und Altersvorsorge-Anbieter damit konfrontiert, dass sie ausweisen müssen, ob und in welchem Umfang ihre Produkte überhaupt diese Kriterien erfüllen. "Deshalb fließen Nachhaltigkeitsaspekte schon vorab beim Produktgenehmigungsverfahren mit ein, vor allem bei der Frage, für welche Kundengruppe (Zielmarkt) das Produkt gedacht ist", schreibt der GDV. Auch hier haben Vermittlerverbände wie der AfW zu bedenken gegeben, dass die Formulierungen in der Verordnung sehr schwammig und wenig konkret sind. Stichwort: Greenwashing und wenig standardisierte Kriterien. Ausgenommen sind von der Regel Vermittlerinnen und Vermittler, die weniger als drei Personen beschäftigen (Artikel 17 Absatz 1 TVO).

Provisionsdeckel in der Restschuldversicherung

Die Restschuldversicherung (RSV) ist eines der umstrittensten Produkte der Branche. Oft gemeinsam mit einem Bankkredit vermittelt, haben hier speziell die teils exorbitant hohen Provisionen für Kritik gesorgt. Wer eine Restschuld-Police abschließt, will sich gegen das Risiko absichern, im Falle von Arbeitsunfähigkeit, Arbeitslosigkeit, Unfällen oder Tod die Kreditraten nicht mehr bedienen zu können. Aber laut einer BaFin-Marktstudie mussten die Verbraucher bei mehr als der Hälfte der Anbieter 50 Prozent der Beiträge als Vermittlervergütung zahlen - die Verträge konnten so selbst zur Schuldenfalle werden.

Hier sah der Gesetzgeber dringenden Handlungsbedarf. Ab Juli werden die Provisionen bei diesen Produkten gedeckelt. Der zulässige Höchstsatz liegt dann bei 2,5 Prozent der Kreditsumme, wobei darin weder Zinsen noch eine eventuell mitfinanzierte Einmalprämie mitberücksichtigt werden dürfen. Auch aufwandsbezogene Vermittler-Vergütungen sind künftig nur noch erlaubt, wenn der Verbraucher dadurch sparen kann. Den Maklervertrieb wird diese Neuerung kaum treffen: Der Vertrieb von Restschuld-Policen findet fast vollständig über Bankhäuser statt.

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Weitere Themen werden nach Ansicht des Verbandes das Jahr 2022 prägen: etwa die Debatte über eine Versicherungspflicht gegen Elementarschäden. Nach den Juli-Sturzfluten im letzten Jahr und geschätzt 8,7 Milliarden Euro versicherten Schäden ist eine solche -mit verschiedenen Ausprägungen- in den letzten Monaten wiederholt debattiert worden. Auch zu der Frage, wer sensible Fahrzeugdaten auswerten darf und in welchem Umfang die Kfz-Versicherer diese nutzen dürfen, stehe auf der Agenda. Die EU-Kommission will zudem eine Strategie für Kleinanleger präsentieren. Die elf Punkte können auf der Webseite des Verbandes eingesehen werden.

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