Oft finden Makler und Kundschaft über das Internet zueinander, ohne dass es zu einem eindeutigen Mandatsverhältnis kommt. Dennoch aber haftet der Makler vollumfänglich für seine Beratung, wie ein aktueller Fall zeigt, der vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden verhandelt wurde (Az. 4 U 2372/20).

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Aussicht auf Verbeamtung begründete Wechselwunsch

Eine Frau hatte die Aussicht, verbeamtet zu werden. Sie plante deswegen, aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die private Krankenversicherung (PKV) zu wechseln – und informierte sich auf einem Vergleichsportal. Auch stellte sie Kontaktdaten auf der Webseite ein.

Die Daten wurden an eine Kanzlei weitergeleitet, woraufhin ein Makler – ein „Spezialist für Krankenversicherungen“ – die Frau kontaktierte. Erste Informationen wurden per Telefon ausgetauscht. Der Makler erkundigte sich hierbei auch nach Vorerkrankungen – die Frau gab an, am Wolff-Parkinson-Syndrom zu leiden. Diese Krankheit führt zu Herzrhythmusstörungen und verursacht in seltenen Fällen sogar eine sehr schnelle, lebensbedrohliche Herzfrequenz.

Mit Wissen um die Vorerkrankung fragte der Makler nun bei verschiedenen Gesellschaften an und erkundigte sich nach Angeboten – erfolglos. Das teilte er der Frau auch mit. Er bat zugleich darum, sie möge ihm ärztliche Berichte zuschicken. So könne er weitere Anfragen bei Versicherungen stellen. Dieser Bitte kam die Frau auch nach.

Wechsel ohne Maklerhilfe

Es vergingen mehrere Monate ohne Kontakt. In dieser Zeit wurde die Frau tatsächlich auf Probe verbeamtet. Noch über ein halbes Jahr später aber teilte der Makler der Frau mit, der Abschluss einer privaten Krankenversicherung sei derzeit nicht möglich.

In der Folge schaffte die Frau ohne Unterstützung des Maklers den Wechsel in die PKV. Das Problem aber: Im Nachhinein erfuhr sie von einer jenen Öffnungsaktionen, bei der auch Verbeamtete mit Vorerkrankung hätten in die private Krankenversicherung wechseln können. Die Aufnahme wäre sogar ohne Leistungsausschlüsse und Risikoprüfung möglich gewesen – durch pauschalen Zuschlag in Höhe von dreißig Prozent des tariflichen Beitrags.

Die Frau verpasste eine wichtige Frist – und klagte wegen Falschberatung

Jedoch: Die Aktion konnte nur nutzen, wer innerhalb von sechs Monaten nach Erst-Verbeamtung den Antrag stellt. Die Frist verstrich ungenutzt, während der Makler vorgab, sich um einen PKV-Abschluss für die Frau zu bemühen. Durch die verpasste Aktion wäre die Neubeamte wesentlich günstiger zu ihrem privaten Krankenversicherungsschutz gekommen, zudem zu besseren Bedingungen.

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Die Frau fühlte sich demnach durch den Makler falsch beraten – und klagte vor dem Landgericht (LG) Leipzig auf Schadenersatz. In erster Instanz wurde der Klage vor dem Landgericht (LG) Leipzig stattgeben (Az. 8 O 3153/17). Allerdings ging der Makler vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden in Berufung. Mit Beschluss vom 10.03.2021 erklärte der zuständige Senat nun einstimmig, die Berufung ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen.

Der Makler hätte auf Öffnungsaktion hinweisen müssen

Wie kam es zum Urteil und dem Beschluss im Sinne der Klägerin? Zunächst führte das Oberlandesgericht aus: Ein Versicherungsmakler, der anlässlich einer Verbeamtung mit dem Wechsel des Kunden von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung betraut ist, verletzt seine Vertragspflichten, sobald er den Hinweis auf eine derartige Öffnungsaktion unterlässt. Aber kann man den Makler für die Falschberatung überhaupt haftbar machen, wenn nicht einmal ein Vertrag unterzeichnet wurde und kein eindeutiges Mandat vorlag? Man kann, wie das Gericht erklärte.

Wer Kerntätigkeiten beginnt, begibt sich in die Haftung

Hierfür ist es nicht einmal wichtig, ob der Makler tatsächlich ein Angebot schickte. Stattdessen sind laut Gericht bereits die im Vorfeld eines konkreten Angebots vom Beklagten entfalteten Tätigkeiten ausreichend, um das objektive Erscheinungsbild einer Versicherungsvermittlungstätigkeit auszufüllen. Der beklagte Makler hat nach der ersten Kontaktaufnahme die Kerntätigkeiten einer Versicherungsvermittlung sämtlich erfüllt. Dies geschah a) durch Abfrage des auf den Abschluss einer privaten Krankenversicherung bezogenen Versicherungsbedarfs, b) durch Anforderung von Unterlagen sowie c) durch Abfrage von Versicherungsangeboten bei privaten Krankenversicherern. Das Gericht betont: Wäre die Vermittlung erfolgreich gewesen, hätte der Makler für diese Kerntätigkeiten auch Provision erhalten. Aufgrund der ausgeführten Tätigkeiten obliegen ihm somit auch die damit einhergehenden Beratungspflichten.

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Keine Mandanten-Mitschuld ohne konkreten Beweis

Das Gericht ließ sich hingegen nicht auf die Argumentation der Berufung ein, die Frau hätte ein Mitverschulden, weil Dienstherren häufig auf Öffnungsaktionen in der PKV hinweisen. Zwar berichteten andere Kunden dem Makler, sie wären durch den Dienstherren auf Öffnungsaktionen hingewiesen wurden. Solch ein pauschaler Sachvortrag, der von anderen Beispielen auf den verhandelten Fall schließt, reicht aber als Beweis der Kenntnisnahme nicht aus.

Stattdessen müsste der Makler für den konkreten Fall beweisen, dass die Klägerin tatsächlich durch ihren Dienstherrn Kenntnis über die Öffnungsaktion erhielt – dann kann er sich auf eine Schadensminderungspflicht der Klägerin berufen. Weil ihm und seinen Anwälten dies aber vor Gericht nicht gelang, geht das Gericht davon aus, dass die Kundin nichts von der Öffnungsaktion wusste – weswegen der Makler nun den Schaden für seine Falschberatung ersetzen muss. Der Beschluss des Oberlandesgerichts ist auf der Webseite des Branchendienstes IWW verfügbar.

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