Versicherungsbote: Sie vertreten als „Bundesverband Initiative 50Plus“ die Interessen der Seniorinnen und Senioren ab dem 50. Lebensjahr. Können Sie kurz vorstellen, in welchen Initiativen Sie sich engagieren? Und warum bedarf es überhaupt eines solchen Verbandes?

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Uwe-Matthias Müller: Also zunächst einmal sind Menschen ab 50 ja nun wirklich keine „Senioren“ (lacht). Menschen zwischen 50 und 75 – und an die wenden wir uns als Bundesverband Initiative 50Plus hauptsächlich – stehen mitten im Leben, arbeiten oder führen ihr Unternehmen, sind lebensfreudig, gut ausgebildet und bilden mit ihrem sozialen und gesellschaftlichem Engagement das Rückgrat unserer Gesellschaft. Die meisten sind auch gut situiert, verdienen oft überdurchschnittlich viel Geld und sind damit auch als Konsumenten-Gruppe für Dienstleister und Produktgeber interessant. Bevor wir den Bundesverband Initiative 50Plus gründeten, gab es tatsächlich für diese Altersgruppe keine Interessenvertretung. Das haben wir geändert.

Unsere Tätigkeits-Schwerpunkte liegen in der Initiative ‚Arbeit 50Plus‘, mit der wir vor allem kleinen und mittleren Unternehmen Ansatzpunkte dafür geben wollen, wie sie ältere Mitarbeiter länger im Betrieb halten. Das ist angesichts des immer krasseren Arbeitskräfte-Mangels enorm wichtig. Die Initiative ‚Produkt-Innovation‘ unterstützt Dienstleister und Produktgeber mit dem Vertrauens-Siegel ‚Verbraucherempfehlung‘ in der Zielgruppe 50Plus. Die Konferenz-Reihe ‚Demographie-Debatte Deutschland‘ fokussiert einzelne Aspekte des demographischen Wandels. Unsere Zielgruppe hier sind Unternehmer, Multiplikatoren, Politiker und Medien-Vertreter.

Schließlich setzen wir mit unserem Newsroom DNEWS24.DE einen deutlichen inhaltlichen Schwerpunkt bei der Demographie und dem Lebensgefühl der Babyboomer.

Mein Eindruck: Wenn man in den Medien zur Demographie in Deutschland liest, wird man mit Blick auf das Alter oft mit negativen Images konfrontiert: Gebrechlichkeit, Pflegebedürftigkeit, explodierende Kosten für die Sozialkassen. Braucht es hier ein neues Leitbild für das Alter?


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Ihren Eindruck kann man tatsächlich gewinnen. Man braucht sich nur die einschlägige TV-Werbung anzuschauen und schon will man sich gern von seinen Altersgenossen distanzieren. Im Ernst: es klafft eine große Lücke zwischen dem eigenen Selbstverständnis der Menschen 50Plus und dem Altersbild, das Jüngere von ihnen haben und welches von den Medien meist auch noch verstärkt wird. Die meisten Menschen 50Plus fühlen sich zehn bis 15 Jahre jünger als es ihr biologisches Alter ausweist. Die Werbung ignoriert das leider vielfach.

Steigende Sozialausgaben

Es ist aber auch richtig, dass die Lebenserwartung unserer Bürger steigt. Dies hat steigende Kosten für unser Gesundheits-System und die Rentenkasse zur Folge. Leider ist in den letzten Jahren in diesem Bereich versäumt worden, Reformen durchzuführen, die unser Sozialsystem demographiefest machen. Da haben die Bundesregierungen schwere Versäumnisse begangen, die uns in allernächster Zeit schmerzhaft bewusst werden.

Noch immer werden im Radio und Fernsehen Einschaltquoten nach der „werberelevanten Zielgruppe“ ausgewiesen, im Alter von 14 bis 49 Jahren. Die Werbung ist oft darauf zugeschnitten. Müsste nicht auch die Zielgruppe 50Plus als „werberelevante Zielgruppe“ ausgewiesen werden? Weshalb?



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Auch mit diesem Punkt liegen Sie richtig. Aber: es gibt erste Zeichen dafür, dass die privaten TV-Sender umdenken. Denn sie erkennen, dass die Zielgruppe 50Plus sehr lukrativ ist, durchaus mit dem Internet vertraut ist und gern konsumiert. Dafür stehen ihr Mittel zur Verfügung, die jüngere Zielgruppen nicht haben.

…und was macht die Zielgruppe 50Plus für Versicherungsvermittler attraktiv? Können Sie vielleicht sogar Maklerinnen und Maklern raten, sich auf Seniorinnen und Senioren zu spezialisieren?



Ich kann Maklern raten, sich auf die Zielgruppe 50Plus zu spezialisieren. Wenn sie die richtigen Beratungs-Konzepte haben, die passende Zielgruppen-Ansprache gewährleisten und Bedarfe richtig definieren, kann der Erfolg gar nicht ausbleiben.

Müssen Seniorinnen und Senioren anders angesprochen werden als eine jüngere Zielgruppe, auch mit Blick auf Versicherungen? Wie?



Es sind eben keine „Senioren“, die angesprochen werden. Und die Menschen 50Plus haben besondere Bedürfnisse, die ihnen zum Teil noch gar nicht bewusst sind. Diese Bedürfnisse resultieren aus den Folgen des demographischen Wandels und liegen zum Teil für den Einzelnen in weiter Zukunft, sollten aber rechtzeitig geplant werden. Beispiele hierfür sind die aufgrund der zu erwartenden gesetzlichen Rente notwendige private Altersvorsorge, die Wohnsituation im Alter sowie eine Infrastruktur, die auch mit der Alters-Mobilität erschlossen werden kann.

Gibt es einen Absicherungsbedarf, den die Generation 50Plus eher hat als andere Zielgruppen? Welchen Versicherungs-Schutz brauchen sie, der vielleicht mit Anfang 20 noch entbehrlich ist?



Es gibt sicher zwei essenzielle Themen: Private Altersvorsorge und der umfassende Gesundheits- und Pflegevorsorge-Schutz.

Zielgruppe 50Plus: Aktiv auf Altersvorsorge ansprechen?

Wer 50 Jahre alt ist, hat fast noch ein Drittel des Erwerbslebens vor sich. Sollte diese Zielgruppe auch aktiv auf das Thema Altersvorsorge angesprochen werden?


50 Jahre ist allerdings ein besonders gut geeignetes Alter für die von Ihnen genannte Ansprache, da in diesem Alter viele persönliche Weichen gestellt werden. Wenn dies ein Berater erkennt und die richtige Ansprache wählt – Beratung und Dienstleistung zuerst, dann das Produkt - gibt es sehr gute Chancen für einen lukrativen Abschluss und einen zufriedenen Kunden.

Auch das Thema Wiederanlage macht die Zielgruppe interessant: Es ist anzunehmen, dass Ältere auch bei der Geldanlage andere Präferenzen haben als jüngere Menschen. Können Sie hier einen Einblick geben - Welche Motive spielen bei der Geldanlage eine Rolle?

Wiederanlage beginnt Jahre vor der Fälligkeit. Wenn ein Berater sechs Monate vor der Fälligkeit mit einem Super-Produkt um die Ecke kommt, wird der Kunde müde abwinken. Das Geld ist längst verplant, die Kunden sind ja gut informiert und selbständig zu handeln in der Lage. Was ist ein gutes Produkt? Jedenfalls nicht mehr zwangsläufig eines mit Garantie. Aktien und Aktienfonds liegen zurecht voll im Trend. Die mittel- und langfristige Performance der Börsen spricht für sich. Genauso übrigens wie niedrige oder Null-Renditen und Zinsen bei Sparguthaben oder festverzinslichen Wertpapieren. Hinzu kommt eine steigende Inflations-Rate.

In der Versicherungswirtschaft stehen die Zeichen auf Digitalisierung, ebenso im Maklervertrieb. Besteht die Gefahr, dass Maklerinnen und Makler die ältere Zielgruppe verfehlen, wenn sie zu stark digitale Helfer einsetzen, oder ist das ein Klischee? Wie technik-affin sind die Älteren?

Es war einmal ein Smartphone, das nannte sich iPhone und erblickte 2007 das Licht der Welt. Die erste Homepage des Internets wurde vor genau 30 Jahren öffentlich gemacht. Also: ein heute 75 Jahre alter Bürger war 45 Jahre, als das World Wide Web seinen Siegeszug begann, er war 61, als Apple das iPhone auf den Markt brachte. Alle Statistiken zeigen, dass erst Bürger ab 80 nur noch wenig oder gar nichts mehr neuen Techniken anfangen können – vielleicht hat sich das aber durch die Corona-Pandemie auch wieder geändert.

Allerdings sollte der Einsatz von Technik die Beratung unterstützen, sie einfacher und angenehmer machen und den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Sonst wird der Berater ja auch überflüssig. Das Filial-Sterben der Banken ist ein warnendes Beispiel…

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Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin 02/2021.

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