Hochwasser, Starkregen, Stürme, Brände, Hitze, Dürren: Frequenz und Intensität solcher Ereignisse nehmen durch den Klimawandel zu. Sie sind keine abstrakte Problemstellung internationaler Konferenzen, sondern konkrete Bedrohung für das eigene Zuhause.

Anzeige

Einprägsames Exempel dafür ist sicherlich die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal aus dem Sommer 2021. Die Flutkatastrophe und ihre Folgen ließen schnell den Ruf nach einer Elementarschaden-Pflichtversicherung lauter werden (Versicherungsbote berichtete).

Nun stellte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ein Konzept (PDF) vor, dass einerseits die Elementarschaden-Pflichtversicherung verhindert, andererseits aber dafür sorgen soll, „dass jedes Haus Versicherungsschutz bekommt“, wie der Verband schreibt.

Anzeige

Stupsen statt Zwang

Es sei „nicht weiter hinnehmbar, dass in den Flutgebieten – wie im Bundesschnitt auch – weniger als jedes zweite Haus gegen die Schäden durch Starkregen versichert war“, schreibt der Verband und führt aus, wie sich das ändern könnte. So soll es künftig nur noch Wohngebäudeversicherungen geben, die auch Elementargefahren wie Hochwasser und Starkregen versichern. Bestandsverträge sollen zu einem bestimmten Stichtag mit einem entsprechenden Elementar-Schutz-Baustein ergänzt werden. Neuverträge sollen nur noch mit Elementarschutz angeboten werden. Im veröffentlichten Positionspapier werden folgende sechs Schritte aufgelistet:

  • Die Versicherungswirtschaft wird künftig im Neugeschäft allen privaten Hauseigentümern – unabhängig von der Gefährdung (Lage, Exponierung) – nur noch eine vollintegrierte Wohngebäudeversicherungen inkl. Elementargefahren anbieten.
  • Zugleich werden wir an die im Bestand befindlichen privaten Wohngebäudeversicherungen den Elementarschutz vertraglich anfügen.
  • Neugeschäft und Bestandsumstellung erfolgt auf Basis unternehmensindividueller und risikobasierter Prämienkalkulation.
  • Neu- und Bestandskunden werden wir ein Opt-Out ermöglichen – Zug-um-Zug gegen eine schriftliche Haftungsfreistellung für Kommunen, Länder und den Bund sowie Versicherer und Vermittler. In dieser Haftungsfreistellung verzichtet der Hauseigentümer auf Hilfen im Elementarschadenfall. Klagerisiken, wie sie einer Pflichtlösung innewohnen, entfallen damit.
  • Rechtliches Vehikel für die Bestandsumstellung ist eine Zustimmungsfiktion analog § 362 HGB, d.h. der Bestandskunde muss der Deckungserweiterung nicht ausdrücklich zustimmen. Diese Zustimmungsfiktion ist dem deutschen Zivilrecht nicht fremd. Für sie ist ein Überleitungsgesetz erforderlich. Dieser Schritt ist unter Abwägung aller Optionen verfassungsrechtlich das mildere Mittel gegenüber allen Formen einer Pflichtlösung.
  • Ferner ist eine Stichtagsregelung notwendig, die es gesetzlich zu hinterlegen gilt: Ab dem 1. Januar 2022 werden in amtlich festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten (§76 Wasserhaushaltsgesetz) errichtete Neubauten nur noch unter vollständigem Ausschluss der Gefahren Überschwemmung, Starkregen und Rückstau in Deckung genommen.

Bauverbote und Naturgefahrenportal

Zum Opt-out-Modell schreibt der GDV: „Wir wahren die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher, aber stupsen sie in Richtung zusätzlicher Absicherung.“ Dass der ‚Stupser‘ mitunter auch die finanzielle Leistungsfähigkeit der Verbraucher strapaziert, ist dem Verband allerdings bewusst. „Wir werden daher das Verhältnis von risikobasierten Versicherungsprämien und Selbstbehalten soweit als möglich ausschöpfen“, kündigt der Verband an. Wie sozialverträgliche Konditionen bei Härtefällen, die sich nicht über Selbstbehalte abmildern lassen, erreicht werden können, will der Verband mit der neuen Bundesregierung besprechen.

Doch das ist nicht die einzige Forderung an die Politik. Bereits mehrfach machten Branchenvertreter darauf aufmerksam, dass eine Versicherungslösung (gleich, welcher Ausgestaltung) nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie mit weiteren - etwa baurechtlichen Maßnahmen - flankiert wird. Das vom GDV vorgeschlagene Konzept nennt folgende fünf Punkte:

Anzeige

  • die Verankerung der Anpassung an den Klimawandel im Bauordnungsrecht als eine allgemeine Anforderung und damit als Schutzziel
  • der Erlass klarer Bauverbote in exponierten Gebieten,
  • die Einrichtung und der Betrieb eines bundesweiten Naturgefahrenportals,
  • die verpflichtende Klima-Gefährdungsbeurteilung bei Baugenehmigung sowie
  • die Einführung eines nationalen Managementsystems für klimawandelbedingte Risiken mit einem systematischen Schadenmonitoring und einem regelmäßigen Planungsrat und Risikodialog nach Schweizer Vorbild („www.planat.ch“).

Kommt es zu keiner konsequenten Klimafolgenanpassung, wäre die Gesellschaft gezwungen, die schlimmen Auswirkungen verheerender Unwetterkatastrophen immer wieder zu durchleben, schreibt der Verband, um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen.

Seite 1/2/

Anzeige