Das Provisionsabgabeverbot ist umstritten: in keinem anderen europäischen Land besteht ein solches für den Versicherungsvertrieb. Es regelt, dass Vermittlerinnen und Vermittler ihre Neukunden nur in sehr engen Umfang an den Provisionen beteiligen dürfen. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main bestätigt nun, dass dieses auch für Versicherer selbst gilt, sofern sie Sondervergütungen für einen Vertragsabschluss versprechen. Auf das Urteil macht Rechtsanwältin Judith John, Referatsleiterin beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), in der aktuellen Ausgabe des BVK-Mitgliedermagazins VersicherungsVermittlung (10/21) aufmerksam.

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Versicherer verspricht Amazon-Gutschein

Im konkreten Rechtsstreit warb ein Versicherer auf seiner Webseite für den Abschluss einer Risikolebensversicherung. Dabei versprach er unter einem Sternchen, dass dieser mit einem Amazon-Gutschein im Wert von 50 Euro vergütet werde. Bedingung: Es musste eine Mindest-Versicherungssumme von 100.000 Euro vereinbart werden sowie eine Mindestlaufzeit von 5 Jahren. Dennoch könne der Vertrag nach bereits einem Jahr wieder gekündigt werden, schränkte der Versicherer zugleich ein.

Das Extra wiederum störte einen Versicherungsvermittler: Der den Versicherer zunächst erfolglos abmahnte. Er sah darin einen Verstoß gegen § 48 b VAG, wonach Provisionen und Sondervergütungen nicht oder nur in sehr geringem Umfang mit dem Kunden geteilt werden dürfen. Demnach würde sich der Versicherer wettbewerbswidrig verhalten. Dieser aber widersprach und berief sich auf die Geringwertigkeitsklausel, wonach bis zu 15 Euro pro Versicherungsverhältnis und Kalenderjahr mit den Kundinnen und Kunden bei Vertragsabschluss geteilt werden dürfen.

Eine einstweilige Verfügung des Vermittlers vor dem Landgericht Frankfurt hatte zunächst keinen Erfolg. Doch im anschließenden Berufungsverfahren bestätigte das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, dass der Versicherer sehr wohl gegen Wettbewerbsrecht verstoße.

Geringwertigkeitsklausel verletzt

Zunächst stellte das OLG fest, so berichtet John, dass beide Parteien Mitbewerber im Vertrieb von Leben-Policen seien. Es spiele folglich keine Rolle, dass es sich beim Kläger um einen Vermittler handle und der Beklagten um ein Versicherungsunternehmen. Es reiche für ein konkretes Wettbewerbsverhältnis aus, wenn beide Parteien austauschbare Produkte auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen anbieten.

Weiter bestätigten die Richter: Durchaus habe der Versicherer eine unzulässige Sondervergütung versprochen. Dabei wollten sie das Argument nicht gelten lassen, dass der Amazon-Gutschein Teil der vertraglichen Vereinbarung sei. Das spiele keine Rolle: Entscheidend für eine unzulässige Vergütung sei der Umstand, dass sie nicht Bestandteil der eigentlichen Versicherungsleistung sei.

Ebenso betonte das OLG: Die Geringwertigkeitsklausel nach nach § 48 b des Versicherungsaufsichtsgesetzes werde hier eindeutig verletzt, wonach maximal 15 Euro pro Vertrag und Kalenderjahr ausgeschüttet werden dürfen. Dem widerspreche auch nicht, dass der Versicherer für seinen 50-Euro-Gutschein eine fünfjährige Mindestlaufzeit festgelegt hatte. Denn trotzdem habe der Kunde jährlich seinen Vertrag kündigen können. Zwar gestatte es eine vertraglich festgelegte Mindestlaufzeit von mehreren Jahren, die Sondervergütung entsprechend zu erhöhen. Allerdings dürfe der Kunde nicht vor dieser Zeit bereits ein Kündigungsrecht haben.

Laut John habe das Gericht noch einmal Sinn und Zweck des Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbotes betont. Es soll Fehlanreize vermeiden, dass Verbraucher nur mit Blick auf die versprochenen Vergütungen eine Versicherung abschließen: möglicherweise eine unpassende. So wurde auch das Argument des Versicherers abgelehnt, nur 15 Euro Extra seien bei langfristigen Verträgen nicht attraktiv, weil es nicht um die Interessen der Versicherungswirtschaft nach schnellen Vertragsabschlüssen gehe, sondern um den Schutz der Verbraucher.

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Keinen Erfolg hatte der Vermittler jedoch damit, Schadensersatzanspruch vom Versicherer nach § 9 UWG einzufordern. Hier hätte er darlegen müssen, unter welchen Umständen ihm durch die Aktion des Versicherers tatsächlich ein Schaden entstanden sei, weil Wettbewerbsrecht verletzt wurde. Dies sei in diesem Fall aus zwei Gründen nicht naheliegend gewesen: Zum einen handelte es sich beim Gutschein auslobenden Versicherer um einen Direktanbieter: Hier sei fraglich, inwiefern sich dessen Kundschaft alternativ an einen Vermittler auf Provisionsbasis wende. Zum anderen konnte der Vermittler keinen Nachweis erbringen, dass er überhaupt erfolgreich Risikoleben-Policen vermittelt.

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