Eine Nachversicherungsgarantie erlaubt in der Berufsunfähigkeitsversicherung die Erhöhung des Versicherungsumfangs ohne erneute Risikoprüfung. Das spielt auch im vorliegenden Fall eine wesentliche Rolle. Ein Versicherter erlitt am 29.07.2016 einen Arbeitsunfall, der zu einem massiven Bandscheibenvorfall führte. Seitdem war der Mann nicht mehr arbeitsfähig.

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Mit Verweis auf die vereinbarte Nachversicherungsgarantie erwirkte der Mann eine Ausweitung seines Versicherungsschutzes um 100 Prozent. Der Versicherer bestätigte die Erhöhung mit Wirkung zum 01.11.2016.

Im Dezember 2016 meldete der Mann einen Leistungsanspruch wegen Berufsunfähigkeit bei seinem Versicherer an. Es dauerte bis zum September 2017 (!) ehe der Versicherer die Berufsunfähigkeit mit Beginn 29.07.2016 anerkannte und schließlich die ursprünglich vereinbarte BU-Rente i.H.v. 546,15 Euro zahlte.

Der Versicherte aber vertritt die Auffassung, dass die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit erst sechs Monate nach dem Unfall eingetreten sei. Deshalb machte er eine BU-Rente wie nach der Erhöhung des Versicherungsschutzes geltend. Die Vorinstanzen, das Landgericht Berlin sowie das Kammergericht Berlin, konnten sich dieser Auffassung nicht anschließen. Sie hielten die Bedingungen und verwendeten Klauseln für eindeutig: Eintritt der Berufsunfähigkeit sei der Beginn des Sechsmonatszeitraums.

Im Wesentlichen ging es um das Verständnis dieser Klausel (1.2.1 AVB): „Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung, ... 6 Monate ununterbrochen außerstande war oder voraussichtlich 6 Monate ununterbrochen außerstande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben.“

Diese Klausel, so der BGH, regelt zwei Alternativen des Versicherungsfalls: Die erste Alternative („sechs Monate ununterbrochen außerstande war“) erfordert eine rückschauende Betrachtung, die erst nach Ablauf dieses dort genannten Sechsmonatszeitraums möglich ist. Die zweite Alternative („voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist“) ist hingegen in die Zukunft gerichtet. Laut BGH ergibt eine Auslegung der ersten Alternative, dass der Versicherungsfall erst mit Ablauf der sechs Monate eingetreten ist. Dies ergibt sich unter anderem aus der Formulierung: „Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person …“ und auch daraus, dass in den Bedingungen keine Rückwirkung des Versicherungsfalls auf den Anfang des Sechsmonatszeitraum vereinbart war.

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„Für den Kläger bedeutet diese Klarstellung des BGH, dass ihm aller Voraussicht nach nicht nur 500 EUR monatlich, sondern 1.000 EUR monatlich als Berufsunfähigkeitsrente zustehen. Die in der ersten Alternative vereinbarten sechs Monate waren gerechnet vom 29.07.2016 erst im Januar 2017 vollendet und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem die höhere Rente vereinbart war“, schreibt die Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte, die das Urteil (IV ZR 153/20) erstritten hat.

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