Eine zunehmende Zahl an Banken und Sparkassen führt ein sogenanntes Verwahrentgelt für Guthaben auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto ein: auch etwas polemisch Strafzins genannt. Denn die Betroffenen erhalten für die Gelder, die darunter fallen, nicht etwa einen Zins: sondern sie müssen dafür zahlen, dass sie ihr Erspartes auf der Bank liegen haben. Grund ist, dass die Institute die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) weitergeben: Auch sie müssen einen Einlagezins zahlen, wenn sie überschüssige Mittel bei der EZB lagern.

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Bisher waren davon ausschließlich hohe Guthaben betroffen: Viele Geldhäuser schlagen ab 100.000 oder 250.000 Euro zu. Doch nun werden Fälle bekannt, bei denen die Sparkasse schon ab dem ersten Euro ein solches Verwahrentgelt berechnet. Bei einem Beispiel handelt es sich um die Sparkasse Dillingen-Nördlingen in Bayern, wie aktuell die Augsburger Allgemeine berichtet.

Freibetrag: 0,00 Euro?

Die Regionalzeitung verweist auf zwei Fälle, bei denen Kundinnen und Kunden bereits ab dem ersten Euro auf dem Konto zahlen sollen. Im Rahmenvertrag heißt es demnach, dass auf alle bestehenden und künftigen Sichteinlagen – also Girokonten, Tagesgeld- und Geldmarktkonten – ein Verwahrentgelt fällig werde. Er richte sich nach dem variablen Referenzzins bei der Europäischen Zentralbank (EZB), der aktuell bei -0,5 Prozent liege. Der Freibetrag in den Verträgen ist bei 0,00 Euro markiert.

Die Sparkasse wehrt sich gegenüber dem Blatt. Demnach positioniert sich Pressesprecher Siegfried Haide, dass jeder Kunde von einem Freibetrag profitiere: für Einzelpersonen 100.000 Euro. Im vorliegenden Fall könne das Verwahrentgelt damit erklärt werden, dass die Kunden weitere Einlagen bei der Sparkasse hätten und damit seinen Freibetrag bereits ausschöpft oder überschritten. Die Sparkasse sei im letzten Quartal 2020 auf Kundinnen und Kunden zugegangen, um neue Verwahrentgelte zu vereinbaren.

Tagesgeld: für Neukunden kein Schonvermögen

Doch der Trend geht dahin, dass die Freigrenzen bei vielen Instituten sinken. Eine frische Studie des Finanzportals Biallo zeigt, dass aktuell rund 370 Institute mittlerweile Negativzinsen im Privatkundenbereich Verwahrentgelte verlangen. Auch der Mittelstand wird dadurch belastet, denn 420 Geldhäuser greifen auch bei Firmen- und Geschäftskunden zu. Untersucht wurden insgesamt 1.300 Banken.

Das Ergebnis: Rund 50 Banken gewähren nur noch einen Freibetrag von 10.000 Euro oder weniger, 22 Geldhäuser langen bei bestimmten Kontomodellen bereits ab dem ersten Euro zu. Genannt werden zum Beispiel das Tagesgeldkonto der Sparkasse Stendal, der Mainzer Bank, der Raiffeisenbank Aichhalden-Hardt-Sulgen, der Raiffeisenbank Bobingen und der Märkischen Bank, wo Neukunden keinen Freibetrag eingeräumt bekommen.

Berechneten zunächst überwiegend regionale Sparkassen und Volksbanken/Raiffaisenbanken ein Verwahrentgelt, ziehen immer mehr private Geldhäuser nach. Dazu gehören auch große Institute wie Deutsche Bank, Postbank und Commerzbank. Selbst eine Direktbank wie die ING, lange Zeit für gebührenfreie Modelle bekannt, erhebt nun für Giro- und Tagesgeldkonten, die ab dem 04.11.2020 eröffnet wurden, einen Strafzins für Guthaben über 100.000 Euro.

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Laut Biallo ändern manche Banken dabei auch die Art, wie sie ein Verwahrentgelt erheben. Beispiel Comdirect: der Freibetrag wird hier nicht pro Konto, sondern pro Kundenverbindung gewährt. Alle unter einer Kundennummer registrierten Konten – auch Verrechnungskonto und Wertpapierkreditkonto – werden zusammengerechnet. Übersteigt das Guthaben 100.000 Euro, werden für den übersteigenden Betrag jährlich 0,50 Prozent Strafzinsen fällig.

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