Deshalb hat Franke & Bornberg die Beitragskalkulation der Versicherer für 2021 anhand mehrerer Berufsgruppen untersucht. Und einige nicht so erfreuliche Tendenzen beobachtet. Die jeweilige Durchschnittsprämie des Marktes wird von einigen Anbietern um bis zu 30 Prozent unterschritten – wenige Ausnahmewerte liegen sogar noch darunter. „Ein solches Pricing ist in einem wettbewerbsgeprägten, stark ausdifferenzierten Markt nur schwer mit einer strengen Risikoselektion zu rechtfertigen. Es zeigen sich deutliche Tendenzen einer Unterkalkulation“, heißt es hierzu im Pressetext.

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Zunehmende Entmischung der Risiken

Das Ratinghaus kritisiert erneut die Preispolitik und Berufsgruppen-Differenzierung einiger Anbieter. Hier ist in den letzten Jahren ein Wettbewerb um so genannte gute Risiken entstanden: folglich junge und gesunde Neukundinnen und -kunden, die möglichst einer risikoarmen Berufsgruppe angehören. Die Folgen sind bekannt und werden auch in der Vermittlerbranche mit Sorge betrachtet: Während sich Berufe wie Anwälte recht preiswert versichern können, finden Berufe mit hohen Gesundheitsrisiken wie Dachdecker oder Pfleger kaum oder nur teuer eine Absicherung.

Aber auch für die Stabilität der Versicherer hat das Picking nach guten Risiken Folgen. Das sorgt für eine negative Entmischung der bestehenden Gewinnverbände und damit für Druck auf die Überschussbeteiligung, berichtet Franke und Bornberg. „Die früher breiter angelegten Gewinnverbände mit vier Berufsgruppen hatten einen anderen Risikomix, der durch Entmischung immer schwerer stabil zu halten ist, da der Ausgleich nicht mehr wie geplant stattfinden kann“, schreiben die Analysten. Das widerspreche nicht nur dem Versicherungsgedanken: „Auch die anfängliche Freude über niedrige Prämien kann dadurch schnell ins Gegenteil umschlagen, wenn Überschüsse nicht mehr gehalten werden können“.

Die Preisunterschiede werden auch an den aktuellen Modellfällen deutlich. Zwei Beispiele: Der 30jährige Tischler, 100 Prozent körperliche Tätigkeit, muss bei den untersuchten Tarifen im Marktschnitt 213,82 Euro pro Monat zahlen, um 1.500 Euro Berufsrente bis zum 67. Lebensjahr abzusichern. Ein Bankkaufmann/eine Bankkauffrau im selben Alter zahlte im Schnitt der untersuchten Tarife hingegen nur 75,98 Euro.

Risiko-Scoring erleichtert Manipulationen

Werden Anträge geprüft, ist -neben der Gesundheitsprüfung- die Einschätzung des beruflichen Risikos von besonderer Bedeutung. Um noch feiner differenzieren und damit noch günstiger anbieten zu können, nutzen Versicherer vielfach ein Scoring-Modell, das sich am Anteil der kaufmännischen bzw. körperlichen Tätigkeit und manchmal auch der Reisetätigkeit oder Führungsverantwortung orientiert, berichtet Franke & Bornberg. Fragen nach Tätlichkeitsanteilen würden aber der Manipulation Tür und Tor öffnen, da sie später nicht einfach zu überprüfen sind - und entsprechend auch nicht zu sanktionieren.

Hier besteht das Risiko, dass der Beitrag unter der Bedarfsprämie bleibt, warnen die Experten. Das Scoring erlaube es auch, dass pfiffige Vermittlerinnen und Vermittler sowie Verbraucher Sprungstellen identifizieren können, um eine günstigere Prämie zu erhalten. Was sich wiederum als Bumerang entpuppen kann: Pimpen viele derart ihr Risiko, kann das zu überproportionalen Beitragssprüngen führen, wenn die Versicherer mehr leisten müssen, als sie kalkuliert haben.

„Es ist leicht nachvollziehbar, dass Angaben „optimiert“ werden, um eine möglichst günstige Einstufung zu erlangen. Da diese Einstufungssysteme leicht durchschaubar sind kommt es einseitig zu Einstufungen, die gegen das System spekulieren. Die falschen Einstufungen gleichen sich dabei nicht aus, sondern gehen regelmäßig gegen die kalkulierte Risikoverteilung im Versicherungskollektiv“, weiß Franke, der sich vielfach mit Vermittlerinnen und Vermittlern unterhalten hat.

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Hohe Dynamikzusagen ohne Gesundheitsprüfung

Als weiteren destabilisierenden Faktor berücksichtigt das BU-Stabilitätsrating hohe Dynamiksätze ohne zusätzliche Gesundheitsprüfung. Diese bewirken eine unkalkulierbare Risikoerhöhung für das Versichertenkollektiv. Immerhin drei Versicherer sind nach den Erhebungen bereit, zehn Prozent Dynamik ungeprüft in die Bücher zu nehmen. „Negative Selektionseffekte sind hier vorprogrammiert, was einige Versicherer in der Vergangenheit bereits schmerzhaft, beispielsweise bei selbständigen Handwerkern, erlebt haben“, erklärt Herausgeber Klages. Dabei sei belegt: Sobald sich die versicherte BU-Rente dem bisherigen Nettoeinkommen des Versicherten nähert oder gar übersteigt, steige auch die Wahrscheinlichkeit eines Leistungsantrags um das mehrfache gegenüber der üblichen Antragszahlen.

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