Wenn ein Versicherungsvertreter gegenüber dem Kunden den Anschein erweckt, er handle als Makler, so haftet er auch als Makler, wenn er diesem nicht deutlich macht, dass er als Versicherungsvertreter auftritt. Der bloße Hinweis auf die nach § 34d GewO erteilte Erlaubnis reicht hierfür nicht aus. Das hebt ein Beschluss des Oberlandesgerichtes (OLG) Dresden hervor. Auf das macht aktuell Rechtsanwalt Jens Reichow auf der Webseite Experten Report aufmerksam. (Beschluss vom 16. Mai 2019, Az.: 4 U 441/19).

Anzeige

Im konkreten Rechtsstreit hatte eine Gewerbetreibende eine Betriebsinhaltsversicherung bei dem Versicherungsvertreter abgeschlossen, um ihr Brautmodengeschäft abzusichern. Mit dem Vertrag war sie jedoch unzufrieden. Deshalb kündigte sie die Police zum Ende des Jahres - ohne den Vertreter, der den Vertrag betreute, darüber zu informieren.

Vorwurf: Vertreter habe sich als Makler ausgegeben

Genau in die Zeit, in der kein Versicherungsschutz mehr bestand, fiel aber ein Schaden. Die Sprinkleranlage schaltete sich aufgrund einer Fehlfunktion an und verursachte einen hohen Wasserschaden im Geschäft. Daraufhin verklagte die Ladenbetreiberin den Vertreter auf Schadenersatz und forderte 72.777,44 Euro. Vor dem Landgericht Leipzig erlitt sie eine Niederlage, weshalb sie vor dem OLG Dresden in Revision ging.

Die Begründung für die Klage: die Geschäftsführerin des Brautladens hatte den Vertreter angeblich bereits vor Ablauf der Inhaltsversicherung beauftragt, sich nach Alternativen umzuschauen. Und tatsächlich habe ihr der Beklagte mitgeteilt, dass er bereits dabei sei, weitere Angebote für Inhalts-Policen im Namen der Kundin einzuholen. Der Wasserschaden ereignete sich wenige Wochen später. Weil der Vermittler nicht rechtzeitig einen neuen Vertrag vermittelt habe, habe der Beauftragte gegen die Pflichten aus seinem Maklervertrag verstoßen. Er habe ausreichend Zeit gehabt, eine neue Versicherung zu verschaffen.

Ein Streitpunkt hierbei war, dass der mutmaßliche Makler nur einen einzigen Versicherer kontaktiert hatte, um den Schutz zu erneuern. Nicht von ungefähr: vor Gericht stellte sich heraus, dass er gar nicht als Versicherungsmakler registriert gewesen ist, wie die Kundin annahm, sondern als Mehrfach-Vertreter. Er handelte folglich nicht als Sachverwalter des Kunden, sondern im Auftrag von lediglich zwei Versicherern.

Der Beklagte hatte sich damit verteidigt, dass die Vermittlung einer Betriebsinhaltsversicherung kompliziert sei und nicht binnen weniger Wochen zu bewerkstelligen. Und der Versicherer habe es abgelehnt, der Shop-Besitzerin ein neues Angebot zu machen.

Anzeige

Das wiederum wertete die enttäuschte Ladenbesitzerin so, dass der Vertreter seine Pflichten verletzt und eine Schlechtleistung erbracht habe. Er hätte sie aufklären müssen, dass er nur für zwei Versicherer tätig sei - und gar nicht in der Lage einen adäquaten Versicherungsschutz zu vermitteln. Zudem hätte der Vertreter die Möglichkeit anbieten können, über eine vorläufige Deckung den Laden abzusichern.

Vertreter haftet als Makler - dennoch geht Ladenbesitzer leer aus

Mit Blick auf den Vermittlerstatus bekam die Ladenbesitzerin Recht. Demnach haftet auch der Vertreter als Makler, wenn er den Anschein erweckt, als solcher zu handeln, wie das Oberlandesgericht explizit hervorhob.

“Beide Parteien haben einen Versicherungsmaklervertrag abgeschlossen. Es kann offen bleiben, ob der Beklagte Versicherungsvertreter war, denn es ist nicht ersichtlich, dass er offengelegt hat, nur für zwei Gesellschaften tätig zu sein. Versicherungsmakler ist, wer gewerbsmäßig Versicherungsverträge vermittelt oder abschließt, dabei aber nicht vom Versicherer, sondern vom potentiellen Versicherungsnehmer mit dem konkreten Vermittlungsgeschäft betraut worden ist“, heißt es hierzu im Hinweisbeschluss des OLG Dresden. Dabei verwiesen die Richter auf § 59 Abs. 3 Satz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes.

Anzeige

Als Versicherungsmakler gelte demnach auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erwecke, er erbringe seine Leistung als Versicherungsmakler. Hierzu heißt es: "Auch ein Versicherungsvermittler, der im Verhältnis zu den Versicherern Versicherungsagent oder Mehrfachagent ist, kann als Versicherungsmakler auftreten und mit dem Versichernehmer Maklerverträge schließen mit der Folge, dass er für Pflichtverletzungen aus dem Vertrag selbst einzustehen hat", führt das OLG aus.

Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit

Das Gericht hob hervor, dass der Vertreter die Ladenbesitzerin nicht ausreichend aufgeklärt hatte, als Vertreter zu handeln und nicht als Makler. Denn er verwies beim Erstkontakt lediglich auf eine Erlaubnis nach § 34d Abs. 1 GewO. Der Hinweis genüge nicht, denn sowohl Versicherungsmakler als auch Versicherungsvertreter können darunter fallen. Es seien auch keine Umstände ersichtlich, aus denen die Klägerin hätte entnehmen können, dass der Beklagte Versicherungsagent für lediglich zwei Versicherungen ist.

Explizit hob das OLG noch einmal hervor, dass die Maklerpflichten weit gehen - und verwies auf den Status des Versicherungsmaklers. "Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden. Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers hat er dessen Interessen wahrzunehmen und individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen", heißt es hierzu.

Umdeckungen wichtiger Verträge erfordern besondere Sorgfalt

Zeitgleich hob das Gericht noch einmal hervor, welche Pflichten der Makler mit Blick auf die Kundin bzw. den Kunden hat. Gehe es um einen beabsichtigten Versichererwechsel in einem existentiell bedeutsamen Bereich, in dem Versicherungsschutz nicht ohne Weiteres erlangt werden kann, so seien die an den Versicherungsmakler gestellten Anforderungen an eine sachgerechte Aufklärung und Beratung besonders hoch. Er muss beachten, dass der Versicherungsnehmer weder eine Deckungslücke noch eine Verschlechterung des Schutzes in Kauf nehmen wolle.

Schlage ein Makler eine Umdeckung vor, „so muss er dem Versicherungsnehmer deutlich vor Augen führen, dass eine vorzeitige Kündigung mit gravierenden Nachteilen - einer Einschränkung des Versicherungsschutzes oder gar dem vollständigen Verlust - verbunden sein kann, und empfehlen, die bestehende Versicherung erst zu kündigen, wenn gewährleistet ist, dass der angestrebte Versicherungsvertrag mit den gewünschten Konditionen zustande kommt“. Dabei verweist das Gericht unter anderem auf ein Urteil des OLG Hamm (10.06.2010 , Az.: 18 U 154/09)

Vertreter wusste nicht, dass Vertrag gekündigt war

Dies setze jedoch voraus, dass der Makler überhaupt die Chance hat, auf Deckungslücken hinzuweisen. Und das war im konkreten Fall nicht gegeben. Denn die Ladenbesitzerin hatte die Inhaltsversicherung selbst gekündigt, wie sich herausstellte - ohne den "Pseudomakler" darüber zu informieren, dass kein Versicherungsschutz mehr besteht. Der Mehrfachagent war lediglich darüber informiert wurden, dass die Ladenbesitzerin eine Versicherung über Wirtschaftskriminalität und eine Betriebshaftpflicht gekündigt hatte, wie aus dem Mailwechsel hervorging. Von der Inhaltsversicherung: kein Wort.

Folglich wusste der Vermittler gar nicht, dass die Inhaltsversicherung voreilig gekündigt worden war - und konnte auch nicht entsprechend reagieren. Also die Geschäftsführerin des Brautladens über die Gefahren des nicht bestehenden Schutzes informieren und vorläufigen Deckungsschutz vermitteln.

Zudem sei der Mann auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin bei Übernahme des Maklerauftrags darauf hinzuweisen, dass die Vermittlung eines neuen Vertrages gegebenenfalls scheitern könnte. "Der Makler schuldet gerade keine erfolgreiche Vermittlung. Mit Abschluss des Vertrages übernimmt er allein die Verpflichtung, sich um die Vermittlung des für seinen Kunden passendsten Versicherungsvertrages zu bemühen", heißt es im Beschluss.

Anzeige

Hier konnte der Vertreter nachweisen, dass er erhebliche Anstrengungen unternommen hatte, zeitnah für eine Anschlussversicherung zu sorgen. Der Senat des Oberlandesgerichtes hat deshalb die Berufung der Klägerin ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen.

Seite 1/2/

Anzeige