Wer Schulden hat, der kann sich mit einer Privatinsolvenz daraus befreien: Wenn auch mit strengen Auflagen. Am Ende des entsprechenden Verfahrens werden der verschuldeten Person die Restschulden erlassen. Bisher dauerte eine solche Restschuldbefreiung in der Regel sechs Jahre. Eine EU-Richtlinie (2019/1023) schreibt den Mitgliedsstaaten vor, dass unternehmerisch tätige Personen Zugang zu einem Verfahren haben müssen, das es ihnen ermöglicht, sich innerhalb von drei Jahren zu entschulden.

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Auch die Bundesregierung ist verpflichtet, die Richtlinie bis zum 17. Juli 2021 in nationales Recht zu gießen. Eigentlich sollte die entsprechende Reform schon im Oktober diesen Jahres in Kraft treten, doch bisher ließ sich die Regierung Zeit. Jetzt haben Union und SPD die Voraussetzungen geschaffen, dass im kommenden Jahr eine schnellere Entschuldung möglich ist. Das berichtet das „Handelsblatt“ am Freitag. Die neuen Regeln sollen ab Jahresbeginn 2021 in Kraft gelten - rückwirkend für sämtliche Anträge, die seit dem 1. Oktober 2020 gestellt wurden.

Die wichtigste Änderung: „Anders als bislang soll es dabei künftig für die Restschuldbefreiung nicht mehr erforderlich sein, dass die Schuldnerinnen und Schuldner ihre Verbindlichkeiten in einer bestimmten Höhe tilgen“, schreibt hierzu das Bundesjustizministerium auf seiner Webseite. Denn zwar konnte man sich auch nach bisherigem Recht binnen drei Jahren entschulden: Voraussetzung war aber, dass die verschuldeten Personen mindestens 35 Prozent der Insolvenz-Forderungen bedienen. Für viele eine zu hohe Hürde.

35-Prozent-Hürde entfällt

Bereits im Juli hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) darauf verwiesen, dass auch aufgrund der Pandemie sich aktuell viele Menschen verschulden: ohne etwas dafür zu können. „Die Coronakrise hat uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, wie schnell und unerwartet man in finanzielle Schwierigkeiten geraten kann. Mit meinem Gesetzentwurf wollen wir überschuldeten Unternehmen, Selbständigen und Privatpersonen einen schnelleren Neuanfang ermöglichen“, so Lambrecht. „Mit der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre sorgen wir dafür, dass Betroffene schneller wieder aktiv am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben können.“

Schuldnerinnen und Schuldner zur Annahme einer Arbeit verpflichtet

Allerdings hat die Bundesregierung in einigen Punkten verschärfte Bedingungen erlassen. Wollen die Betroffenen vom verkürzten Insolvenzverfahren Gebrauch machen, müssen sie künftig neben Erbschaften auch Schenkungen abführen, berichtet das "Handelsblatt". Im Referenten-Entwurf von Juli ist hier noch die Rede davon, dass Schenkungen zur Hälfte des Wertes an den Treuhänder herauszugeben sind. Vermögen, das als Gewinn in einer Lotterie oder in einem anderen Spiel mit Gewinnmöglichkeit erworben wurde, muss sogar zum vollen Wert an den Treuhänder herauszugeben sind.

Eine weitere Hürde: Laut Handelsblatt komme nicht in den Genuss des verkürzten Verfahrens, wer es vorsätzlich unterlasse eine Arbeit anzunehmen. Hier könnte ein weiterer Fallstrick für eine schnellere Entschuldung liegen, wenn die Betroffenen Repressionen fürchten müssen.

In Deutschland gelten laut dem "Schuldner-Atlas" von Creditreform knapp sieben Millionen Menschen als überschuldet. Schaut man sich die Ursachen für Überschuldung an, so sind kritische Lebensereignisse mit Abstand der Hauptauslöser, so geht aus Daten des Statistischen Bundesamtes hervor.

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Mehr als jeder fünfte Betroffene (21 Prozent) häuft Schulden an, weil er seine Arbeit verloren hat. Weitere 15 Prozent der Hilfesuchenden sammeln Verbindlichkeiten an, weil „Erkrankung, Sucht oder Unfall“ zu einer finanziellen Schieflage beitrugen. Ebenfalls überraschend ist Rang drei der häufigsten Ursachen: eine Scheidung, Trennung oder der Tod des Lebenspartners (13 Prozent). 14 Prozent aller er von Schuldnerberatungsstellen beratenen Personen sind alleinerziehende Frauen.

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