Versicherungsbote: Wie hat sich der erste Corona-Lockdown auf eure Arbeit ausgewirkt?

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Christoph Hermanowski: Nicht großartig: Bei uns war die Remote-Fähigkeit von Anfang an gegeben. Nachdem die Arbeit auf Homeoffice umgestellt war, gab es aber keinerlei Einschränkungen, was die Performance oder Zusammenarbeit betraf. Im Gegenteil: Es ließ sich sogar eine leichte Verbesserung bei der Geschwindigkeit feststellen.

Michael Stock: Am Freitag, den 13. März, war unser letzter Arbeitstag im Regelbetrieb. Über das Wochenende kam eine Mail und am Montag waren alle remote und arbeitsfähig. Ich glaube, das macht schon eine Besonderheit von uns deutlich.
 Die Herausforderung besteht eher im Zwischenmenschlichen. Man ist von heute auf morgen allein zu Hause und steht dort vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen. Kinder müssen selbst unterrichtet werden, während schon die nächste Videokonferenz wartet.
 Insgesamt konnten wir aufgrund unserer Rahmenbedingungen relativ entspannt als digitaler Versicherer mit der Situation umgehen.

Als digitaler Gewerbeversicherer der Provinzial Nordwest müsst ihr auch einen Spagat zwischen Tradition und Moderne aushalten. Wie gelingt euch das?

Hermanowski: Die Traditionsmarke Provinzial hilft tatsächlich, um Vertrauen und unsere eigene Marke aufzubauen. Auf der anderen Seite ist unsere Gestaltungsfreiheit vergleichbar groß, denn auch das Organisationsmodell und die Arbeitsweise bei andsafe ist ja komplett anders und vollkommen getrennt vom Konzern. Auch wir als Vertriebler gelten als “Entwickler” im Umsetzungsteam, d.h. wir sorgen stetig dafür, dass sich unser Vertriebssystem deutlich weiterentwickelt.
Das macht unsere Situation einzigartig, und die Geschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit von andsafe nimmt der Markt gut an; aber man muss es erklären können; oft intern wie auch extern.

Stock: Entscheidend ist, wie man das lebt. Dann ist es auch leicht zu vermitteln, dass die Kombination beider Welten deutliche Vorteile hat. Wir dürfen Start-up sein mit allem, was dazugehört: Flache Hierarchien, agile Arbeitsweise in crossfunktionalen Teams, gemeinsame Arbeitsfläche, viel Miteinander. Auf der anderen Seite sind wir nicht auf Venture Capital angewiesen. Natürlich erstatten wir auch Bericht in den Konzern, und auch dort gibt es klare Erwartungen an uns, aber es gibt halt einen verbindlichen, gemeinsamen Plan und keine Turbulenzen rund um neue Finanzierungsrunden. Wir dürfen die Vorteile aus beiden Welten nutzen, das ist absoluter Luxus.

Geht es um Digitalisierung im Gewerbegeschäft, heißt es oft, dass es gibt kein einfaches Gewerbegeschäft von der Stange geben würde. Sehen Sie das auch so?

Hermanowski: Von der Stange vielleicht nicht. Aber wir sehen, dass wir Prozesse und Produkte vereinfachen und automatisieren können. Beispielsweise bei der Versicherung von Mischbetrieben, die wir bedenkenlos auf Grund unserer ausgezeichneten Datenlage analysieren und zeichnen können. Das gibt dem Endkunden Sicherheit und enthaftet den Vertriebspartner. Aber ja: Wir hinterfragen historische, etablierte Herangehensweisen und versuchen es schneller, einfacher, sicherer, datengetriebener und eben bequemer zu machen, nicht einfach nur anders. Eben unser System an die sich weiter verändernden Rahmenbedingungen auszurichten und weiterzuentwickeln. Das hat auch heute noch Grenzen, insbesondere dort, wo Risiken zu individuell oder zu groß sind.

Stock: Die Versicherungsbranche, ihre Produkte, Kultur und Vertriebssysteme sind historisch gewachsen und inzwischen auch ein wenig eingefahren. Die Digitalisierung gibt uns die Möglichkeit, den Anlass oder vielleicht auch die absolute Notwendigkeit, über Prozesse, Produkte und Systeme nachzudenken und an dem veränderten Kunden- und Vertriebspartnerverhalten auszurichten. Etablierte Versicherer müssen im Hinblick auf ihre Vertriebssysteme sicherlich einen Transformationsprozess durchlaufen. Wir haben es sehr viel einfacher und verstehen uns als Sales-Developer mit Tec-Skills, die das Vertriebssystem im Sinne von digitalisierten, automatisierten Neu- und Veränderungsprozessen für Kunden und Vertriebspartner denken. Rein technisch betrachtet, gibt es für mich keine zweite Meinung – jedes noch so komplizierte Versicherungsprodukt wird zum Zeitpunkt X einfach, sicher und schnell elektronisch abschließbar und anpassbar sein. Dennoch wird es immer Zielgruppen geben, die nicht auf den Service und die Betreuung durch einen Vermittler verzichten möchten. Daher verfolgen wir eine Multikanalstrategie und bauen unsere Services, Prozess und Produkte rund um den Kunden und Vermittler aus.

Wie versichern Sie denn Mischbetriebe? Es heißt oft, die seien ein Problem.

Stock: Für die Tarifierung erfragen wir die Betriebsart mit dem größten Umsatz. Diese wird für die Angebotsberechnung zugrunde gelegt und alle weiteren Tätigkeiten sind voll mitversichert. Soweit mir bekannt ist, sind wir aktuell die Einzigen am Markt, die Mischbetriebe in der Betriebshaftpflichtversicherung derart schlank und haftungssicher versorgen.
Eine wichtige Erkenntnis und tolles Alleinstellungsmerkmal aus unserer Kundenstudie während der Produktentwicklung. Auf Basis unserer Erkenntnisse während der Planung von andsafe sowie den Erfahrungen und Daten aus den Zielgruppenstudien haben wir unser Vorgehen hinsichtlich der Mischbetriebe festgelegt. Aktuell lassen wir unsere stetig wachsende Datenbasis gegen die historischen Daten und Annahmen laufen. Es bestätigt sich, dass zwischen den Betriebszweigen eines Unternehmens hohe Verwandtschaftsgrade (z.B. Maler und Trockenbauer) bestehen. Es ist bislang nicht vorgekommen, dass z.B. ein Bäcker auch Abrissarbeiten übernimmt.

Braucht man denn immer alle Daten bei der Antragsstrecke? Beispielsweise die Angaben zum Bau des Hauses oder dem Grundwasserspiegel?

Stock: Das sind genau die Fragen, die wir uns auch stellen. Bei Inhalt fragen wir in der Allgefahrenversicherung neben der Betriebsart noch nach Umsatz, Adresse und Vorschäden. Auch eine potenzielle Rechtsform und etwaige zukünftige Wirkungen auf den Preis können wir aus der Adresse mit hoher Wahrscheinlichkeit ableiten. Öffentlich zugängliche Daten, die wir aus der Adresse heraus beziehen können, sollten unsere Antragsstecken einfach entlasten.

Hermanowski: Ob das Gebäude Bauartklasse 4 hat, ob sich gefahrerhöhende Betriebe in der Nachbarschaft befinden, ob eine Photovoltaikanlage installiert ist, das sind ja alles Daten, die grundsätzlich verfügbar sind und dennoch müssen wir uns zuerst einmal die Frage stellen, welche Rolle welches Risikomerkmal spielt und inwieweit wir diese Informationen benötigen und auch verwenden wollen. Es kommt darauf an, intuitive und conveniente Strecken für Kunden und Vertriebspartner zu bauen. Das gilt es im Neugeschäft und für die Interaktion im Bestand zu berücksichtigen.

Das eine ist, den Kunden zu bekommen. Das andere die Schadenabwicklung. Was kann Digitalisierung in diesem Bereich leisten?

Stock: Bei der Schadenabwicklung gelten die gleichen Grundsätze wie beim Antrag: Simpel, convenient und intuitiv. Das heißt verständlich, gut geführt, die Informationen so einfach wie möglich abholen und so schnell wie möglich reagieren. Auf unserer Online-Schadenstrecke kann der Kunde seiner Meldepflicht 24/7 nachkommen.

Hermanowski: Es gibt ja bereits auch sehr gute Beispiele bei unseren Wegbegleitern außerhalb von Gewerbe, wie man Digitalisierung auch im Schadenfall nutzen kann. Die Online-Schadenstrecke von Lemonade nutzt automatisierte Chatfunktion, Fotoschaden-Dokumentation und KI zur Betrugserkennung und am Ende wird automatisch ausgezahlt.

Stock: Der Kunde steht bei uns im Mittelpunkt, wir bilden alle Kundenbindungsphasen digital ab. Dies gilt insbesondere für den sensibelsten Kundenkontakt – einen Versicherungsschaden. Auch hier entwickeln wir uns ständig weiter und sind auf einem guten Weg.

Braucht es auf diesem Weg noch Vermittler?

Hermanowski: Ja, Versicherungsprodukte bleiben erklärungsbedürftig. Das gilt auch für die digitale Welt. Vermittler haben Beratungskompetenz und wir wollen ihre Arbeit erleichtern.

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Stock: Der Kunde kauft beim Vermittler unsere Produkte maximal zum gleichen Preis, wie er ihn mit einem direkten Abschluss erreichen könnte. Der Vermittler bietet also Beratung, Sicherheit und Nähe ohne, dass es den Kunden etwas extra kostet. Die Anzahl der Vermittler in Deutschland wird sich weiter konsolidieren. Diejenigen, die sich jedoch am Kunden orientieren und ihr Dienstleistungskonzept daran ausrichten, werden erfolgreicher und größer. Dafür braucht es schlanke Prozesse – und die liefern wir. Wir planen ganz fest mit dem Maklermarkt und können deshalb sagen: ‚Wir verzichten nicht auf Makler‘

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