In den vergangenen Wochen haben wir gesehen, dass der Traum vom Monopol in der Versicherungsbranche wieder salonfähig geworden ist. In sechs Szenarien haben wir durchgespielt, was eine Dominanz von Giganten wie Amazon, Ping An und die Allianz für die Branche bedeuten würde – und was dagegen spricht, dass es jemals soweit kommt. Wir haben außerdem auf die Maklerpools & MVP-Hersteller, Banken und Großmakler geschaut, die sich ebenfalls Chancen ausrechnen, im fragmentierten Markt für Versicherungsvertrieb die dominierende Rolle zu spielen.

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Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Was folgt aus alldem? In der heutigen Folge schauen wir auf die drei wichtigsten Konklusionen der Serie und geben eine Prognose, welches Szenario die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit hat.

Konklusion 1: Der Wandel der Branche gleicht einem Kontinentaldrift

Allein die Existenz von so vielen verschiedenen möglichen Szenarien zeigt, wie umkämpft der Wettbewerb in der Branche im kommenden Jahrzehnt sein wird. Wir müssen in den nächsten Jahren u.a. damit rechnen, dass ausländische Technologiefirmen den deutschen Versicherungsmarkt entdecken, Technologieanbieter zu Vermittlern werden und Banken den Versicherungsvertrieb stärken.

Dass im Versicherungsvertrieb eine Dominanz entstehen wird wie die von Google bei den Suchmaschinen oder Facebook bei den Messengern, ist aufgrund dieser Ausgangslage eher unwahrscheinlich. Hier kommt zudem eine grundsätzliche Besonderheit der Branche zum Tragen, die Monopolbildung erschwert. Die geringere Nutzerinteraktion verlangsamt die Konsolidierung. Messenger und Suchmaschinen werden täglich von den Kunden genutzt. Entsprechend haben sich innerhalb weniger Jahre Monopolisten wie Facebook oder Google herauskristallisiert. Versicherer und Vermittler haben eine viel geringere Interaktionsfrequenz mit den Kunden – egal ob analog oder digital. Entsprechend vollzieht sich die Konsolidierung der Branche auch viel langsamer.

Auch in den nächsten Jahren bleibt der Versicherungsvertrieb daher erstmal so zersplittert wie heute. Der Wandel der Branche findet bereits statt, gleicht aber eher der Verschiebung kontinentaler Platten: langsam, aber mit riesigen Implikationen und nicht rückgängig zu machen.

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Konklusion 2: It’s the platform, stupid!

In US-Amerikanischen Wahlkämpfen wird gern ein Bonmot aus Bill Clinton’s Wahlkampf von 1992 aufgegriffen: „It’s the economy, stupid!“. Frei übersetzt: „Auf die Wirtschaft kommt es an.“ Wenn man sich die sechs Zukunftsszenarien dieser Serie anschaut, kann man nur zur Konklusion kommen, dass es beim Wandel des Versicherungsvertriebs vor allem auf Plattformen ankommen wird. Nahezu alle Protagonisten der einzelnen Szenarien setzen auf eine Plattformstrategie:

  • Ping An strebt eine integrierte Plattform aus Finanz- und Gesundheitsdienstleistungen an
  • Die Allianz will mit Hey Money zur Finanzplattform ihrer Kunden werden
  • Die Banken wollen mit digitalen Plattformen die Bancassurance-Idee wiederaufleben lassen
  • Amazon versucht seinen spezifischen Plattformgedanken in die Versicherungsbranche zu tragen
  • Die größten deutschen Maklerpools und MVP-Anbieter bauen an der Megaplattform für ihre Makler
Mit den Plattformen wird auch die häufig kolportierte, aber letztlich doch meist eher nebulöse Rede vom digitalen Wandel konkretisiert: Jeder – wirklich jeder – der vom Wandel der Branche profitieren möchte, braucht eine Idee, wie er mit Plattformen zusammenarbeitet. Oder wird gar selbst zur Plattform.

Konklusion 3: Goldene Zukunft für Vermittler

Historisch betrachtet besetzen Versicherungsmakler ungefähr zwischen einem Viertel und einem Drittel des Versicherungsvertriebs in Deutschland. Dass dieser Wert zuletzt bereits gestiegen ist, ist kein Zufall. Das geht auch aus den aktuellen GDV-Zahlen hervor. Es gibt zwar wieder weniger aktive Versicherungsmakler als im Vorjahr. Allerdings nimmt deren Anteil am Neugeschäft sogar um knapp 8 Prozent zu.

In einer Welt der Versicherungsplattformen werden die Versicherer eher Lieferanten als Betreiber sein—allein schon, weil sie nicht die Produkte der Konkurrenz anbieten können. Entsprechend sind in 5 von 6 Szenarien Vermittler die Kandidaten für eine monopolartige Marktstellung. Nennenswerte Ausnahme ist lediglich die Allianz, die als einziger Versicherer in Deutschland genug Strahlkraft und Ressourcen haben dürfte, um selbst als Plattform reüssieren zu können. In allen anderen Szenarien betreibt die Plattform letztendlich am besten ein Vermittler.

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Die eigentliche Marktmacht wird aber bei demjenigen liegen, der die Kundenschnittstelle besetzt. Dies ist nicht notwendigerweise die Plattform, wenn diese nur die Technologie bereitstellt, vom Kunden aber gar nicht wahrgenommen wird. Wer nur Tech-Dienstleister im Hintergrund ist, wird vermutlich nicht die erträumten Monopolmargen erreichen, wenn er nicht der einzige Anbieter ist. Eher muss man angesichts der Tatsache, dass so viel in Plattformen investiert wird, damit rechnen, dass Plattformen zur „commodity“ werden – sprich, jedermann zu günstigen Preisen zugänglich werden, da die Anbieter unter starker Konkurrenz stehen.

Am Ende könnten dann unterm Strich die Vermittler die großen Gewinner sein.

Und welches der Szenarien hat die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit?

Hier hilft vielleicht eine kleine, nicht repräsentative empirische Erhebung. Vor einigen Wochen haben mein Kollege Ernesto Knein und ich in einem kleinen aber feinen Kreis von Entscheidungsträgern der Versicherungsbranche die in unserer Serie dargestellten Szenarien präsentiert und den Kreis nach der Eintrittswahrscheinlichkeit der Szenarien in den nächsten 5 Jahren gefragt. Das Ergebnis lautete wie folgt (wahrscheinlichste zuerst):

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  1. Megaplattformen (sehr wahrscheinlich)
  2. Ping An (wahrscheinlich)
  3. Großmakler (wahrscheinlich)
  4. Amazon (eher unwahrscheinlich)
  5. Bancassurance (eher unwahrscheinlich)
  6. Allianz (gänzlich unwahrscheinlich)

Von der Allianz war an diesem Tag übrigens niemand dabei, von daher sollte man diese Einschätzung mit etwas Vorsicht genießen. Weiter möchte ich an dieser Stelle gar nicht mehr in die Kristallkugel schauen—das wäre, wie so vieles in dieser Kolumne, ein Thema für ein anderes Mal.

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