Ein Plan von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sorgte in den letzten Wochen für Kritik und Kopfschütteln: Die massenhafte Ausweitung von Corona-Tests wollte er ausschließlich aus dem Topf der gesetzlichen Krankenkassen finanzieren. Warum mutmaßlich privat Krankenversicherte sich nicht an den Kosten beteiligen sollten, stieß auf Unverständnis. Es hatte den Eindruck, als sollten allein die gesetzlich Krankenversicherten für die Kosten der Krise aufkommen.

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Zwar kritisierte sogar der PKV-Verband die Pläne und wollte nicht als Buhmann in der Krise dastehen. Doch nun präsentiert der Lobbyverband der privaten Krankenversicherer eine Studie, die suggerieren soll, dass man sich ja ohnehin überproportional an den Kosten der Krise beteilige. Demnach zahlen Privatversicherte einen weitaus höheren Anteil an Steuern in den GKV-Gesundheitsfonds ein, als das gesetzlich Krankenversicherte tun. Über die Studie berichtet das „Handelsblatt“ am Dienstag.

20 Prozent Steueranteil von Privatversicherten

Erstellt hat die Studie das private RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag der privaten Krankenversicherer mit Hilfe eines Simulationsmodells zur Steuerlast. Vom jährlichen Bundeszuschuss von zuletzt 14,5 Milliarden Euro haben demnach Privatversicherte gut drei Milliarden in den Gesundheitsfonds des GKV eingezahlt. Das entspreche rund 20 Prozent, obwohl nur gut zehn Prozent der Deutschen privat vollversichert seien.

Haushalte, in denen mindestens eine Person privatversichert ist, zahlen demnach rund 500 Euro im Jahr in das gesetzliche Kassensystem ein, rechnet das RWI vor. Schon hier lässt die Studie aufhorchen: In seinem Simulationsmodell rechnet das RWI sowohl Haushalte ein, in denen alle Personen privatversichert sind - und jene, in denen nur eine Person den Krankenvollschutz der PKV genießt. Also auch Haushalte, in denen eine oder mehrere Mitglieder gesetzlich versichert sein dürften, was die Zahlen bereits verzerren könnte.

Dem „Handelsblatt“ sagt RWI-Professor Boris Augurzky: „Privatversicherte tragen überproportional viel zum Steuerzuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung bei. Das liegt daran, dass sie in der Regel höhere Einkommen haben und damit auch mehr Steuern zahlen“. Dieser Effekt würde sich nun auch bei den Pandemiekosten auswirken.

Problem: Versicherungsfremde Leistungen

Was in der Studie nicht angesprochen wird: Das GKV-System muss auch sogenannte versicherungsfremde Leistungen stemmen, die aus dem Topf der Krankenkassen bedient werden. Laut einer im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erstellten Studie, die sich auf das Jahr 2016 bezieht, haben sich die versicherungsfremden Leistungen der GKV in diesem Jahr auf 42,7 Milliarden Euro belaufen. Dabei handelt es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht vorrangig Aufgabe des Krankenkassen-Systems sind.

Allerdings rechnet Böckler auch Leistungen ein, von denen die gesetzlich Versicherten eindeutig profitieren: etwa die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und Jugendlichen. Für den eigenen Nachwuchs müssen Privatversicherte selbst Beitrag zahlen. Aber auch Ausgaben, die reine Fürsorgeleistungen sind: Etwa der Beitrag für Bezieher von Arbeitslosengeld II ("Hartz IV“).

Bereits die Ausgaben für Sozialempfänger überbieten die Zuschüsse aus dem Gesundheitsfonds deutlich. Während der Bund 2016 eine Pauschale von 96,81 Euro pro Hartz-IV-Empfänger an den Gesundheitsfonds überwies, betrugen die durchschnittlichen Leistungsausgaben je Person hingegen 245 Euro im Monat - allein für diese Fürsorge klafft bei den Krankenkassen eine Finanzierungslücke von 6,1 Milliarden Euro, so die Böckler-Stiftung.

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Dass auch die privat Krankenversicherten zunehmend am Steuertropf hängen, wenn auch indirekt, zeigt eine andere Zahl. Laut einer Studie des Analysehauses Assekurata ist mittlerweile die Mehrheit der privat Krankenversicherten beihilfeberechtigt. Seit 2014 machen Beihilfe-Berechtigte mit rund 55 Prozent auch den Großteil des jährlichen Neuzugangs aus der GKV aus (der Versicherungsbote berichtete). Hier schießen Bund und Länder 50 bis 70 Prozent der Arzt- und Gesundheitskosten aus Steuermitteln zu.

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