Die privaten Krankenversicherer betonen immer wieder Eigenverantwortung und die positiven Aspekte des Marktes: Doch es sind ausgerechnet Beamte mit Beihilfe-Anrecht, die das Geschäft in der Krankenvollversicherung am Leben halten. So lässt sich pointiert das Ergebnis einer Studie aus dem Hause Assekurata zusammenfassen. Der Marktausblick 2020/21 kann kostenpflichtig auf der Webseite der Analysten bestellt werden.

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Im Neugeschäft der privaten Krankenvollversicherung verbesserte sich 2019 der Nettozuwachs mit Beihilfe-Tarifen von 0,9 Prozent auf 1,5 Prozent, so berichtet das Kölner Analysehaus. Im Nicht-Beihilfesegment schrumpfte der Bestand an Verträgen hingegen um 1,6 Prozent (Vorjahr: 1,3 Prozent).

„Dies unterstreicht den langjährigen Trend, wonach Beihilfeberechtigte bereits seit 2014 mit rund 55 Prozent den Großteil des jährlichen Neuzugangs aus der GKV ausmachen. Seit 2018 sind sie auch bestandsmäßig in der Überzahl“, sagt Gerhard Reichl, Fachkoordinator Krankenversicherung bei Assekurata.

In Summe zählte die PKV zum Jahresende 2019 knapp 8,7 Millionen Krankenvollversicherte. Und der Nettoabrieb im konnte dank Beihilfe-Tarifen zumindest abgeschwächt werden: von 0,2 auf 0,1 Prozent.

Gesetzliche Hürden erschweren Wechsel

Dass sich speziell weniger Beschäftigte den Privatversicherern anschließen, liegt auch an gesetzlichen Hürden. Der PKV-Verband beklagt seit Jahren, dass die Versicherungspflichtgrenze ansteigt und einen Wechsel in die private Krankenversicherung so erschwert wird. Sobald der Bruttolohn die Pflichtgrenze übersteigt, darf der Arbeitnehmer wählen, ob er weiterhin die gesetzliche Krankenversicherung bevorzugt oder ob er lieber zu einem privaten Anbieter wechseln will. Die Grenze ist an die Entwicklung der Löhne gekoppelt und stieg von 60.750 Euro in 2019 auf 62.550 Euro in 2020.

Unternehmer trifft Corona-Krise besonders hart

Eine weitere wichtige Zielgruppe wird aber durch die Corona-Krise besonders gebeutelt: die mittelständigen Unternehmer. Und so geht Assekurata davon aus, dass das Nicht-Beihilfegeschäft bei den Volltarifen auch 2020 weiter leiden wird.

„Wir rechnen damit, dass mehr PKV-Versicherte versuchen werden, in die gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Einige Selbstständige werden sich eine Festanstellung suchen, manche Arbeitnehmer künftig weniger verdienen oder sogar arbeitslos werden – sodass dann wieder eine Versicherungspflicht in der GKV entsteht", sagt Reichl dem "Handelsblatt".

Das decke sich mit einer Umfrage unter 19 Versicherern, wovon 11 Anbieter auch in der Vollversicherung aktiv sind und hierbei 46,8 Prozent des Marktes abdecken, berichtet Assekurata im Pressetext. Nur zwei Anbieter erwarten, dass sich das PKV-Vollgeschäft in diesem Jahr positiv entwickle.

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Die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt, auch begünstigt durch die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB), setzte die Branche bereits vor der Corona-Krise unter Druck. Hinzu kommen steigende Gesundheitskosten und eine alternde Gesellschaft, die die Beiträge in die Höhe treiben.

Hoffnung im Krankenzusatz-Geschäft

Dass die privaten Krankenversicherer nicht allein das Krankenvollgeschäft betreiben, trägt dann doch zu einer vorsichtig optimistischen Perspektive auf das Jahr 2020 bei. Denn das Geschäft mit Krankenzusatzversicherungen entwickelt sich bedeutend freundlicher. Rund 26,5 Millionen dieser Policen haben die Assekuranzen bereits in ihrem Bestand: Tendenz steigend.

Im Krankenzusatz-Geschäft verbuchte die Branche 2019 unter dem Strich ein Vertragsplus von 2,1 Prozent. Damit zeigt sich das Geschäft gegenüber dem Vorjahr leicht verbessert (+2,0 Prozent), was laut Assekurata sehr stark auf einen Boom in der betrieblichen Krankenversicherung (bKV) zurückzuführen sei: Hier wuchs die Branche mit 16,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr zweistellig. Ohne das bKV-Segment hätte der Zuwachs im Krankenzusatz-Geschäft in den letzten beiden Jahren nur bei jeweils 1,7 Prozent gelegen.

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Pflegezusatzversicherungen legen leicht zu

Durchwachsen zeigt sich das Geschäft mit Pflegezusatzversicherungen. Zwar legten sie mit einem Nettozuwachs von rund 110.000 Verträgen (Vorjahr: 93.000) auch 2019 leicht zu, bleiben trotz ihrer Wichtigkeit aber weiter ein Nischenthema. Hier habe das Zweite Pflegestärkungsgesetz von 2017 zu einem Einbruch der Nachfrage geführt, berichtet Assekurata: auch aufgrund deutlicher Prämienanpassungen der Versicherer im Bestand. So stiegen die durchschnittlichen Bestands-Beiträge der Pflegeversicherer, die bei Assekurata im Rating gelistet werden, zum Jahresbeginn 2020 um 11,5 Prozent, während sie sich bereits 2017 um 9,8 Prozent verteuert hatten.

Pflegepflichtversicherung: durchschnittliches Beitragsplus von 32,7 Prozent

Ein noch krasseres Bild zeigt sich bei der Beiträgen in der Pflegepflichtversicherung. Hier hätten sich die durchschnittlichen Beiträge gar um 32,7 Prozent erhöht, was die vergleichbar moderaten Prämienanpassungen im Krankenvollgeschäft wieder relativiere, berichtet Assekurata.

Erneut zeigt sich zudem, dass die Prämien in den Beihilfe-Tarifen der Krankenvollversicherung weniger schnell angepasst werden müssen als in den "normalen" Tarifen ohne Beihilfe-Anspruch. Im Beihilfesegment hoben die PKV-Versicherer ihre Prämien zum Jahreswechsel 2020 um durchschnittlich 2,4 Prozent an, im Nicht-Beihilfebereich um 3,7 Prozent.

Problem niedriger Zinsen

Das Problem steigender Beiträge wird ebenfalls durch den Niedrigzins an den Kapitalmärkten verschärft. Stark vereinfacht erzielen die Versicherer geringere Zinsen für ihre eingesammelten Beiträge. Das erschwert es auch, aus den Beiträgen Alterungsrückstellungen zu bilden.

"Der Absenkungsdruck beim Rechnungszins bleibt vorerst bestehen", kommentiert Experte Gerhard Reichel. So sei der aktuarielle Unternehmenszins 2020 im Assekurata-Schnitt von 2,58 Prozent auf 2,40 Prozent gesunken, wohingegen der durchschnittliche Rechnungszins bei 2,56 Prozent (2019: 2,78 Prozent) liegt.

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Dank eines starken Kapitalanlageergebnisses konnten die Versicherer 2019 auch hier gegensteuern. In der Summe verbesserte sich das Rohergebnis nach Steuern um 0,8 Milliarden auf knapp 5,9 Milliarden Euro.

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