Versicherungsbote: Herr Benecke, eines Ihrer Steckenpferde ist -neben anderen- die Apothekenversicherung. Wie kamen Sie auf dieses Spezialgebiet?

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Steffen Benecke: Schon länger war ich auf der Suche nach einem Bereich, auf den ich mich spezialisieren könnte, um Effizienzgewinne zu erzielen. Vor allem war mir wichtig, dass ich eine Affinität zur Zielgruppe habe. Auch sollte das Beitragsaufkommen zumindest nicht ganz gering sein. Da schimmerten Medizinberufe ständig im Hintergrund. Bei Ärzten gibt es jedoch viele Kollegen, die einen guten Job machen. Heilnebenberufe wie zum Beispiel Physiotherapeuten zahlen zu wenig Beitrag.


Dann kam zusammen, dass Kollege Michael Jeinsen das Buch „Zielgruppenanalyse Apotheken“ geschrieben hat und wir einen Bestand übernahmen, in dem zumindest eine Handvoll Apotheken vorhanden war. Das war 2017 die Geburtsstunde. Kollegen, die Apotheken verstehen, gibt es noch relativ wenige. So stoße ich selten auf ernst zu nehmende Mitbewerber.


Ich unterstelle mal, dass Apotheken-Policen für viele andere Makler Neuland sind. Ganz naiv gefragt: Wie groß ist die Zielgruppe? Beziehungsweise wie viele Apothekenbetreiber gibt es in Deutschland, die einen entsprechenden Schutz brauchen?


Es gibt knapp 20.000 Apotheken in Deutschland und gut 400 Apotheken in Hamburg. Dazu kommt für uns als potentielle Zielgruppe das Hamburger Umland. Wir haben aber Apotheken in ganz Deutschland versichert: Ich kann derart genau für die Beratungsleistung fragen, dass ich hinterher weiß, wie die Apotheke aussieht, ohne dort gewesen zu sein.



…und wie groß ist -ungefähr- der Markt der bzw. die Zahl der Anbieter, die spezielle Policen für Apothekenbetreiber im Portfolio haben?

Das ist schwer abzugrenzen. Manche Gesellschaften versichern Medikamentenverderb im Kühlschrank, schreiben „Apotheken“ drüber – und fertig ist das Spezial-Konzept. Ich behaupte mal, es sind drei Versicherer und ein paar Assecuradeure.

Wo finden Sie Ihre Kundinnen und Kunden für Apotheker-Policen? Gehen Sie auf spezielle Veranstaltungen? Werben Sie im Netz bei zielgruppenrelevanten Webseiten? Können Sie uns verraten, wo und wie Sie die Zielgruppe ansprechen — und über welche Kanäle?


Das ist multifunktional. Unsere Grundstruktur sind halbjährliche Vortragsveranstaltungen in Hamburg, das „Hamburger Apotheken-Forum“. In diesem Zusammenhang gibt es naturgemäß zahlreiche Telefonate mit Apothekern, die auch zu Terminen führen. Die Vortragsabende flankieren wir von Zeit zu Zeit mit redaktionellen Beiträgen in der Deutschen Apotheker Zeitung (DAZ).


Auch über Facebook habe ich in Gruppen einige Kontakte geknüpft. Häufig kommen dann mehrere Punkte zusammen, die zum Erfolg führen. So habe ich neulich eine Apotheke versichert, deren Inhaberin mich in einer Facebook-Gruppe wohl wahrgenommen hatte, dennoch aber ihren Steuerberater und Ihren Mentor nach einem Versicherungsweg gefragt hatte. Beide antworteten unabhängig voneinander mit „Steffen“. Wichtig ist bei allem, dass man auf Augenhöhe mitreden und Mehrwert bieten kann. Andernfalls antwortet niemand mit „Steffen“.

Warum genau brauchen Apotheker aus Ihrer Sicht eine spezielle Apothekenversicherung – oder würde es eine „normale“ Allround-Gewerbeversicherung auch tun? Gibt es Risiken, die ausschließlich Apotheker haben und nur hier mitversichert sind?

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Neben Medikamentenverderb im Kühlschrank kommen einige spezifische Risiken vor, die man identifizieren und gegebenenfalls versichern muss. Dazu gehören die verschuldensunabhängige Haftung beim Inverkehrbringen oder Herstellen von Arzneimitteln und Retaxationen der Krankenkassen [Anmerk. Redaktion: Bei fehlerhaften Rezepten, unwirtschaftlich hohen Kosten oder Medikamenten-Fälschungen können Krankenkassen die Erstattung eines Medikamentes verweigern und Apotheker selbst dann für die Kosten in Regress nehmen, wenn der Patient das Medikament schon erhalten hat]. Ein weiteres spezifisches Risiko sind Unterhaltsansprüche im Zusammenhang mit der rezeptfreien Abgabe der Pille danach, die weder ein Personen- noch ein Sachschaden sind. Ein Kind ist kein Personenschaden.

...besondere Haftungsrisiken für Apotheker

Versicherungsbote: Ich nehme an, bei der Abgabe von Arzneien können besonders hohe Haftpflichtschäden auftreten. Geht es doch im Zweifel um bleibende Personenschäden bei mehreren Personen. Sind die Schadensforderungen in diesem Segment besonders hoch? Wie hoch sollte folglich die Mindestabsicherung sein?

Steffen Benecke: Zum Glück sind solche Schäden relativ selten. Der Extremfall aber, bei dem zum Beispiel ein Säugling eine zu hohe Dosis eines Wirkstoffes bekommt und lebenslang beeinträchtigt bleibt, kann zu sehr hohen Forderungen führen. Häufiger als das ist es aber der Fall, dass zum Beispiel jemand versehentlich ein Schlafmittel bekommt und einen Arbeitstag verpasst.
Ich empfehle mindestens eine Absicherung für Haftpflichtschäden von zehn Millionen Euro. Die Kammern empfehlen mindestens fünf Millionen.

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Apothekenversicherungen sind Kombi-Produkte, die mehrere Versicherungsarten zusammenfassen. Welche Bausteine sind typischerweise mitversichert?


Richtig. Meistens sind es Multirisk-Policen, die zumindest die Haftpflicht- und die Inhaltsversicherung zusammenfassen. Manchmal lassen sich Transportrisiken oder eine Hersteller-Haftpflicht dazu wählen. Oder die Betriebsschließungsversicherung, falls Behörden zum Beispiel aufgrund meldepflichtiger Krankheitserreger in einer Apotheke deren vorübergehende Schließung anordnen.



Gibt es Leistungspunkte, die aus Ihrer Sicht für eine Apothekerversicherung besonders wichtig sind? Worauf sollten potentielle Neukunden achten?


Da die Sachwerte regelmäßig sehr hoch sind, sollte der Bedingungstext aus Sicht des Versicherungsnehmers gut formuliert sein. Eingeschränkte Kürzungsmöglichkeiten bei grober Fahrlässigkeit, Unterversicherungsverzicht oder auch – wegen der häufig historischen Einrichtungen – die „goldene Regel“, dass für Gegenstände im Gebrauch konsequent der Neuwert ersetzt wird, finde ich wichtig. Ansonsten siehe die oben bereits angesprochenen Risiken: Unterhaltsansprüche etc. …

Apotheken dürfen meines Wissens in bestimmtem Umfang auch selbst Arznei mischen oder herstellen, was zu zusätzlichen Haftungsrisiken führen kann im Vergleich zu fertigen Produkten. Müssen jene, die das betreiben, einen extra Schutz hierfür abschließen? Oder ist das auch bei den Apotheken-Policen typischerweise mit enthalten?


Die Frage ist wichtig. Für bestimmte Sachverhalte ist der Apotheker verpflichtet, als pharmazeutischer Unternehmer eine im Arzneimittel-Gesetz definierte Deckungsvorsorge zu betreiben. 
In diesen Fällen gilt eine verschuldensunabhängige Haftung mit Höchsthaftungssummen von 120 Millionen Euro in Summe beziehungsweise 600.000 Euro je geschädigte Person, die versichert sein müssen. Obwohl das Höchsthaftungssummen sind, sprengen sie natürlich jede Betriebshaftpflichtdeckung. Zudem formuliert die Betriebshaftpflichtversicherung einen entsprechenden Ausschluss. Die hohen Deckungssummen werden über den „Pharma-Pool“ rückversichert.

..."Ich empfehle zusätzlich eine Cyberpolice!"

Versicherungsbote: Welchen Schutz brauchen Apotheker darüber hinaus, wenn sie eine eigene Apotheke eröffnen? Vielleicht, weil Apothekenversicherungen hier keine oder nur eine lückenhafte Absicherung bieten?

Steffen Benecke:
 Da Gesundheitsdaten im Darknet teuer gehandelt werden und die Zahl der Einfallstore für Angriffe über das Internet zunimmt, empfehle ich eine Cyber-Police. Rechtsschutz ist besonders sinnvoll – auch, weil Apotheker eher mal in ein teures Strafverfahren verwickelt werden können als andere Berufsgruppen. Vertreterkosten oder Betriebsschließung lassen sich ebenfalls versichern.

Man könnte sagen, Apotheker und Makler teilen ein ähnliches Schicksal: beide müssen sich auf die zunehmende Digitalisierung einstellen und erhalten mächtige Konkurrenz durch den Online-Vertrieb, so dass persönliche Beratung vakant wird. Zwei kurze Statements zum Abschluss: Wo sehen Sie den Apotheker in 20 Jahren? Und wo den Versicherungsmakler?


Ich denke, dass die Vor-Ort-Apotheken ebenso wie die Vor-Ort-Makler ausreichend Fans behalten werden, die die persönliche Beratung und den Kontakt schätzen. Einen Vorteil, den ich ausmache, ist außerdem, dass die Kunden durch das Internet besser informiert zur Beratung kommen und im Idealfall die richtigen Fragen stellen.


Einen Unterschied in der Entwicklung zu Lasten der Apotheker mache ich jedoch auch aus. Der Apotheker leidet darunter, dass das einfache Geschäft vermehrt im Internet stattfindet, während bei ihm die aufwändige Herstellung und der Notdienst hängen bleiben, die nicht ausreichend entlohnt werden. Bei uns Versicherungsmaklern geht ebenfalls das einfache Geschäft vermehrt über das Internet.


Von komplizierten Schadensfreiheitsrabatt-Konstruktionen bei Kfz-Versicherungen mal abgesehen, wird bei uns das anspruchsvolle Geschäft im Regelfall gut bezahlt.
Wenn ein Kunde seine Kfz-Versicherung im Internet abschließt, habe ich 30 Euro weniger, kann in der eingesparten Zeit aber eine Apotheke versichern.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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