Versicherungsbote: Wie würden Sie die Zielgruppe der IT-Dienstleister beschreiben? Auf welche Besonderheiten sollten Vermittler Rücksicht nehmen?

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Marc Thamm: Die breitgefächerte Zielgruppe setzt sich aus folgenden Tätigkeitsbereichen zusammen: Entwicklung und Implementierung diverser IT-Lösungen mit App-Entwicklern, SEO-Experten und Webmastern; Beratung und Schulung mit IT-Beratern, Sachverständigen und Change Managern sowie Netzwerk und Verkauf mit Händlern, PC-Technikern und Security Analysts.

Wichtig für Vermittler ist die Kenntnis spezifischer Absicherungs-Bedürfnisse der Kunden, diese können dann individuell über Module berücksichtigt werden. Auch sollte die Versicherung so gewählt werden, dass sie für den Kunden alle Tätigkeiten der IT-Branche versichert. So sind Vermittler auf der sicheren Seite – und müssen keiner abschließenden Auflistung aller relevanten IT-Dienstleistungen hinterherjagen.

Als Problem der Zielgruppe könnte man das erstaunlich schwache Risikobewusstsein anführen. So zählen zwar Schäden durch Projektverzug zu den häufigsten gemeldeten Schäden. Doch laut Hiscox IT-Umfrage 2021 schätzen nur 33 Prozent der befragten IT-Dienstleister das Risiko durch diese Schäden als „kritisch“ oder „sehr kritisch“ ein. Warum werden Verzögerungsschäden so falsch eingeschätzt?

Das ist vermutlich, weil viele IT-Spezialisten technische Risiken stärker wahrnehmen. So wurden in unserer Umfrage Datenverlust oder Ausfall der IT-Infrastruktur als die am kritischsten wahrgenommenen Risiken genannt – und erst dann die tatsächliche Schaden-Ursache Nummer 1, die Verzögerungsschäden, die sich eher auf menschliche Fehler zurückführen lassen. Aber genau deswegen führen wir ja solche Studien durch und teilen die Erkenntnisse mit unseren Partnern und der Öffentlichkeit, um zu informieren und um zu einem Umdenken beizutragen.

Können Sie anhand eines konkreten Beispiels darstellen, welche Kosten mit einem IT-Schaden verbunden sein können?

Gern. Hier ein exemplarischer Fall: Ein Entwickler programmierte für seinen Auftraggeber die Software zur Bedienung eines automatischen Kransystems. Wegen eines Programmierfehlers kam es zu ungeführten Bewegungen des Krans. Das löste eine Kettenreaktion aus, bei der der Kran durch ein Absperrgitter fuhr und erheblich beschädigt wurde. Der von uns übernommene Schaden, der durch unsere Lösung NetIT abgesichert war, betrug rund 25.000 Euro.

Und das ist nur ein mittlerer Schaden – die Summen können auch schnell in sechs- oder gar siebenstellige Höhen gehen.

Dass IT-Dienstleister ihre Risiken falsch einschätzen, könnte auch auf Probleme in der Beratung hindeuten. Oder neigen IT-Dienstleister dazu, Versicherungen ohne Beratung abzuschließen?

Nein – denn jene IT-Dienstleister, die sich aktiv um eine gute Absicherung kümmern, sind sich der verschiedenen Risiken ja sehr bewusst. Auch unsere Makler-Partner sind gut informiert. Problematisch sind nur die IT-Dienstleister, die meinen, gar keine IT-Berufshaftpflicht zu brauchen, weil etwa eine Cyber-Versicherung allein ja reiche. Es kommt aber auch vor, dass Kunden vor einem Beratungsgespräch gar nicht wissen, dass es solch eine Art der Risikoabsicherung gibt.

Gerade kleinere Dienstleister scheinen auf eine IT-Betriebshaftpflichtversicherung zu verzichten. Gerade mal 24,4 Prozent der kleineren IT-Dienstleister verfügen über eine solche Versicherung. Ist das ausschließlich ein finanzielles Problem?

Nein, da bei kleineren IT-Dienstleistungsfirmen ja auch keine hohen Prämien für eine Absicherung anfallen. Oft ist den kleinen Unternehmen mit nur wenigen Mitarbeiten einfach nicht bewusst, welche gefährlichen offenen Flanken sie bei ihrer Absicherung haben. Bei kleinen IT-Dienstleistern entscheidet oft die Geschäftsführung persönlich über die Versicherungen – und durch viele andere Aufgaben gerät das Thema Absicherung leicht ins Hintertreffen. Aus unserer Praxis können wir sagen: Oft entscheiden sich Erstkäufer deswegen für eine Versicherung, weil der Auftraggeber eine entsprechende Versicherung verlangt.

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"Wir setzen auf Prävention"

Wie sollten sich Vermittler in ihrer Ansprache auf das Thema Cyber vorbereiten?

Wenn sie die Ergebnisse unserer Umfragen parat haben, sind sie eigentlich sehr gut vorbereitet – etwa mit aktuellen Zahlen zu oft unterversicherten, aber am häufigsten vorkommenden Risiken wie Verzögerungsschäden oder Programmierfehlern. Angesprochen werden kann auch der Umstand, dass eine gute Absicherung immer häufiger zur Voraussetzung für eine Projektvergabe durch Auftraggeber wird.

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2020 mussten 58 Prozent der befragten IT-Dienstleister ihre Versicherung in Anspruch nehmen – eine Steigerung um 20 Prozent. Wie war die Entwicklung 2021?

Hierzu laufen unsere Analysen noch. Wir können aber generell sagen, dass der Wind schärfer geworden ist. Das heißt: Anspruchssteller setzen ihre Ansprüche viel früher als noch vor ein paar Jahren durch. Mit dem Argument, „den Fehler kann ich in ein paar Stunden Nacharbeit beheben“, lassen sich die Kunden heute oft nicht mehr beruhigen.

Deutet sich hier ein ähnlicher Trend wie bei der Cyberversicherung an? Ist also mit Prämien-Steigerungen und/oder höheren Selbstbehalten zu rechnen?

Der IT-Sektor ist ein dynamischer. Und wir sehen uns heute mit anderen Schaden-Szenarien als noch vor ein paar Jahren konfrontiert. Wir als Hiscox setzen ungebrochen auf Prävention, indem wir diesen Risiken mit Zusatzfragen begegnen – auch, um Awareness der Situation bei den ITlern zu schaffen. Das hat oberste Priorität und ist für uns wichtiger, als über allgemeine Preissteigerungen nachzudenken.

Bei der Projektvergabe an IT-Dienstleister werden vom Auftraggeber nicht selten Nachweise über bestehenden Versicherungsschutz verlangt. Welche Tendenzen lassen sich diesbezüglich erkennen? Welcher Schutz wird besonders häufig verlangt?

Das stimmt: Eine umfassende Absicherung wird immer stärker zur Voraussetzung, dass IT-Dienstleister überhaupt beauftragt werden. Von daher stellt auch für die kleinen und mittleren Dienstleister das Fehlen einer entsprechende Police einen echten Wettbewerbsnachteil dar.

In unserem IT-Index fanden wir heraus, dass in 84 Prozent der Fälle Auftraggeber einen Nachweis über eine IT-Betriebshaftpflicht und 82 Prozent über eine IT-Berufshaftpflicht für die Projektvergabe voraussetzten. Eine Versicherung für Elektronik und Büroinhalt forderten 61 Prozent; und eine gegen Cyber- und Datenrisiken – die ja häufig die IT-Dienstleister selbst schädigen – immerhin 49 Prozent aller Auftraggeber.

Die Fragen stellte Michael Fiedler

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