Eine Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen wurde heute vor dem Oberlandesgericht Dresden zugunsten des Sparer entschieden. „Das OLG Dresden urteilt wesentlich im Sinne der Verbraucher: Sparer sollen Ihre Zinsen nachgezahlt bekommen“, berichtet die Verbraucherzentrale mit einem Liveticker auf ihrer Webseite.

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Die Verbraucherzentrale hatte dem Bankhaus vorgeworfen, Zinsen in langfristigen Sparverträgen zulasten der Kundinnen und Kunden gekürzt zu haben: aufgrund einer unwirksamen Klausel. Die hierfür relevante Zinsanpassung der Sparkasse Leipzig in den Sparverträgen "S-Prämiensparen flexibel" sei nun für unwirksam erklärt worden, schreibt die Verbraucherorganisation: Sparer sollen Zinsen nachgezahlt bekommen.

“Für welche Vertragslaufzeit den Sparern Zinsnachzahlungen zustehen, ist noch nicht abschließend entschieden“, heißt es weiter auf der Webseite. „Nach aktuellem Stand sollten die von der Verbraucherzentrale Sachsen berechneten Zinsnachzahlungen erfolgen“.

Bundesweit unzählige Verträge betroffen

Laut Verbraucherzentrale hatten sich rund 900 Kunden der Musterklage angeschlossen. Im Schnitt seien 3.100 Euro pro Vertrag zu wenig ausgezahlt worden, berichtet eine Sprecherin dem MDR. Die Fehler würden aber von Vertrag zu Vertrag stark schwanken: von 200 Euro bis hin zu 36.000 Euro.

Doch das Problem betrifft nicht die Leipziger Sparkasse allein. Bundesweit haben unzählige Sparkassen das nun verhandelte Produkt unter dem Namen „S Prämiensparen flexibel“ angeboten und die Zinsen mit der nun beanstandeten Klausel angepasst. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) listet aktuell knapp 140 Institute auf, die den Kunden mutmaßlich einen zu geringen Zinssatz berechnet haben. Die Verbraucherzentrale Sachsen hat zwei weitere Musterfeststellungsklagen gestartet: gegen die Erzgebirgssparkasse und die Sparkasse Zwickau.

Fallende Zinsen zu schnell weitergegeben

Das Problem: Die Sparkassen beriefen sich bei den Sparverträgen auf eine Klausel, die es erlaubt, fallende Zinsen schneller an den Kunden weiterzugeben: zu dessem Nachteil. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte die Klausel in mehreren Urteilen für unwirksam (u.a. BGH-Urteil vom 17.02.2004, AZ: XI ZR 140/03 sowie BGH-Urteil vom 14.03.2017, XI ZR 508/15). Sie sei nicht nur intransparent, sondern orientiere sich zudem am falschen Referenzzins: statt langjährigen Anleihen wie vom Gesetzgeber vorgegeben rechneten die Geldhäuser auch kurzfristige Papiere ein.

Die Verbraucherzentrale will nun alle betroffenen Sparer, die sich der Musterklage angeschlossen haben, zeitnah über das Ergebnis der Verhandlung und ihre Möglichkeiten informieren.

Musterfeststellungsklage: Verbraucher müssen dennoch weiter um ihr Recht streiten

Die sogenannte Musterfeststellungsklage soll es Verbrauchern ermöglichen, gemeinsam gegen einen Konzern zu klagen: Seit dem 1. November 2018 gibt es dieses Instrument des Verbraucherschutzes in Deutschland. Der Erfolg bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Verbraucher im Anschluss sofort Schadensersatz erhalten, denn die juristischen Hürden hierfür hat der Gesetzgeber hoch gelegt. Im Gegenteil: danach muss jeder Verbraucher individuell einzeln klagen, wenn auch unter vereinfachten Bedingungen.

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Nach einer erfolgreichen Musterfeststellungsklage sei aber "so gut wie sicher", dass auch die anschließende Klage im Sinne der Verbraucher ausgehe, sagte Fachanwalt Norman Wirth aus Berlin dem Versicherungsboten bereits 2019. Unter anderem seien keine Gutachten und Zeugen mehr nötig, sofern sie schon erhoben wurden (der Versicherungsbote berichtete).

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