Seit Jahren beschäftigt der Rechtsstreit um Prämiensparverträge von Sparkassen die deutsche Justiz - aber auch die Finanzaufsicht und den Verbraucherschutz. Über Jahre hinweg hatten Sparkassen einen Teil des Zinses variabel angepasst, in der Regel zum Nachteil der Sparenden. Während laut Vertrag mit diesen Modellen bis zu 100 Prozent Bonus zur jährlich eingezahlten Sparleistung möglich sein sollten - abhängig von der Vertragslaufzeit - wurden in Zeiten niedriger Zinsen teils nur noch 0,01 Prozent extra gezahlt. Die Kundinnen und Kunden erfuhren oft nichts von dieser Korrektur, weil die Institute Änderungen des Zinses auch schon mal über einen Aushang in der Filiale bekannt gaben.

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Am Dienstag hat der Bundesgerichtshof erneut in der Sache entschieden - und im Grunde bereits zum dritten Mal ein Urteil bestätigt, das die betreffenden Klauseln der Sparkassen für unwirksam erklärt. Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Sachsen im Rahmen einer Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Vogtland. Stark vereinfacht wurden dabei auch individuell geschlossene Zusatzvereinbarungen auf das Prinzip verpflichtet, dass sich die Zinsen an einem Referenzzins zu orientieren haben und für den Verbraucher transparent und nachvollziehbar sein müssen. Auch müsse der relative Abstand des Vertragszinses zum Referenzzinssatz beibehalten werden (Urteil vom 24. Januar 2023 - XI ZR 257/21).

Erlauben Zusatzvereinbarungen das Umgehen des BGH-Urteils?

Auch im aktuell verhandelten Rechtsstreit ging es um sogenannte Prämiensparverträge, die die beklagte Sparkasse seit Anfang der 90er Jahre mit vielen Kundinnen und Kunden abgeschlossen hatte. Die Verträge sahen einen variablen Zins ab dem dritten Sparjahr und bis zu 50 Prozent Verzinsung des eingezahlten Sparguthabens ab dem 15. Sparjahr vor. Die Höhe des Zinses wurde dabei auch nach der Laufzeit der Verträge gestaffelt: Je länger man den Sparvertrag hielt, desto mehr Zins sollte möglich sein.

Mit einer Klausel aber behielt sich die Sparkasse vor, den Zins nach Belieben beinahe täglich anpassen zu dürfen. Änderungen des Zinssatzes mussten nur per Aushang bekannt gegeben werden. Die entsprechende Klausel lautete folgendermaßen: “Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.

Bereits in einem viel beachteten Leiturteil hatte der BGH Klauseln in den Sparverträgen für unwirksam erklärt, die es den Banken erlauben, variable Zinsen bei Sparverträgen nach Belieben anzupassen. Sparer müssen nach Ansicht der Richter bei Abschluss einer Sparanlage die Möglichkeit haben, die Änderungen eines Zinses zu einem Mindestmaß zu kalkulieren: unter anderem dadurch, dass sich dieser Zins an einem Referenzzins orientiert. Änderungen „nach Gutsherrenart“ seien hingegen nicht zulässig (Urteil vom 06.10.2021, Az.: XI ZR 234/20).

Streitpunkt war darüber hinaus, welcher Referenzzins zur Orientierung herangezogen werden muss, damit die Verbraucher ihre Geldanlage auch kalkulieren können. Zinsanpassungen müssten so erfolgen, dass der anfängliche relative Abstand des Vertragszinssatzes zum Referenzzinssatz (Verhältnismethode) beizubehalten sei, betonte der BGH. Hierbei müssten die Geldinstitute sich an einem Referenzzins der Bundesbank orientieren.

OLG Dresden soll Referenzzins festlegen

Im vorliegenden Rechtsstreit hatte hier das Oberlandesgericht argumentiert, es sei nicht auszuschließen, dass die Verträge der Sparkassen individuelle Zusatzvereinbarungen enthielten, wonach diese Verhältnismethode außer Kraft gesetzt werden. Diese Auffassung der Vorinstanz wies der BGH nun als „rechtsfehlerhaft“ zurück. Stark vereinfacht müssen sich auch Zusatzvereinbarungen solcher Verträge auf einen verlässlichen Referenzzins beziehen.

Nun wurde die Musterfeststellungsklage zwischen dem Verbraucherverband und der Sparkasse Vogtland an das Oberlandesgericht Dresden zurückgegeben. „Da das Oberlandesgericht - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen zu einem geeigneten Referenzzinssatz getroffen hat, wird es dies nach Zurückverweisung des Musterverfahrens nachzuholen haben“, fordert der BGH. Und weiter: „Nach dem Konzept der auf ein langfristiges Sparen angelegten Sparverträge ist es interessengerecht, als Referenz für die Verzinsung der Spareinlagen einen Zinssatz oder eine Umlaufrendite mit langer Fristigkeit heranzuziehen. Bei der Bestimmung des Referenzzinssatzes wird das Oberlandesgericht außerdem zu berücksichtigen haben, dass es sich bei den Sparverträgen um eine risikolose Anlageform handelt“.

Das Urteil betrifft nach Angabe der Verbraucherzentrale Sachsen 1.114 Kundinnen und Kunden der Sparkasse Vogtland, die ihre Ansprüche im Verfahren angemeldet haben. Nach Berechnungen von Sachverständigen der Verbraucherzentrale wurden im Durchschnitt 2.400 Euro zu wenig Zinsen pro Vertrag durch die Sparkasse Vogtland gezahlt. Wegen rechtlicher Hürden müssen die Verfahren einzelner lokaler Sparkassen aber separat geführt werden. Aktuell vertritt die sächsische Verbraucherzentrale mehr als 6.000 Personen in neun einzelnen Musterfeststellungs-Klagen.

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Die Sparkassen hatten unter anderem damit argumentiert, dass ihnen die Verhältnismethode auch untersage, Sparverträge zum Vorteil des Kunden anzupassen: etwa, wenn sie diese in Niedrigzins-Zeiten abgeschlossen haben und nun vom steigenden Zins profitieren wollen. Doch das bestätigte nun der BGH. Die Methode bedeute, "dass günstige Zinskonditionen günstig und ungünstige Zinskonditionen ungünstig bleiben", betonten die Karlsruher Richter.

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