Die Verbraucherzentrale Sachsen hat im Dezember Musterfeststellungsklagen gegen die Sparkasse Mittelsachsen und gegen die Sparkasse Bautzen eingereicht. Erneut geht es um den Vorwurf, dass die Geldinstitute bei Prämiensparverträgen Zinsen zu niedrig berechnet haben - und sich nun weigern, diese zurückzuzahlen. Das berichten die Verbraucherschützer in einem Pressetext. Entsprechende Verträge der Art "Prämiensparen flexibel" waren von Sparkassen und Volksbanken/Raiffeisenbanken seit den 90er Jahren im großen Stil vertrieben worden.

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Anpassungsklauseln unwirksam

Die Verbraucherzentrale Sachsen beruft sich bei ihrer Klage unter anderem auf ein Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH). Das Oberste Zivilgericht hatte im September eine Musterfeststellungsklage gegen die Sparkasse Leipzig positiv entschieden:

Demnach sind bestimmte Klauseln in den Sparverträgen unwirksam, die es den Banken erlauben, variable Zinsen bei Sparverträgen nach Belieben anzupassen. Sparer müssen nach Ansicht der Richter bei Abschluss einer Sparanlage die Möglichkeit haben, die Änderungen eines Zinses zu einem Mindestmaß zu kalkulieren: unter anderem dadurch, dass sich dieser Zins an einem Referenzzins orientiert. Änderungen „nach Gutsherrenart“ seien hingegen nicht zulässig (Urteil vom 06.10.2021, Az.: XI ZR 234/20).

Streitpunkt ist darüber hinaus, an welchem Referenzzins sich die Sparkassen hätten orientieren müssen. Die Verträge sehen vor, dass das Institut dem Kunden zusätzlich zum Zins eine Prämie bzw. einen Bonus zahlt: gestaffelt nach Laufzeit. Bis zu 100 Prozent zusätzlich zur jährlich eingezahlten Sparleistung waren so möglich. Doch in Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen fiel es auch den Bankhäusern schwer, das zusätzliche Geld zu erwirtschaften. Sie nutzten eine Klausel in den AGB, um niedrige Zinsen am Kapitalmarkt einseitig an Kundinnen und Kunden weiterzugeben: teilweise erhielten sie nur noch 0,01 Prozent extra. In mehreren Gerichtsurteilen seit 2004 hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Klauseln für unwirksam erklärt.

Sparkassen zeigen keinerlei Einlenken

Obwohl sich auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf die Seite der Verbraucher gestellt hat und im Juni die Banken per Allgemeinverfügung aufforderte, zu wenig gezahlten Zins zu erstatten, stellen sich die Banken bisher quer. Die Praxis der Institute sei ein „erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz“, hatte sich die Aufsichtsbehörde positioniert.

Die Sparkassen sehen sich hingegen weiter im Recht. Und berufen sich auf das Oberlandesgericht Dresden, der laut Bundesgerichtshof noch Fragen zu klären hat: etwa, welcher Zins konkret als Referenz für die Sparverträge anzuwenden sei. „Die Einzelfallprüfung der richtigen Zinsberechnung kann nicht Gegenstand des Musterfeststellungsverfahrens, sondern nur eines Individualklageverfahrens sein“, heißt es etwa im OLG-Urteil. Soll heißen: Auch nach erfolgreichem Musterverfahren muss jeder Sparer einzeln klagen. Eine Schwachstelle der Musterfeststellungsklage, die es seit November 2018 im deutschen Recht gibt: Sie erleichtert zwar den einzelnen Klageweg für die Verbraucher, wenn sie gegen Unternehmen streiten, ersetzt ihn aber nicht. Das unterscheidet sie etwa von Sammelklagen wie in den USA.

Auf wieviel Geld die Sparenden bei erfolgreicher Klage hoffen können, hänge von den Laufzeiten und der Laufzeit der Verträge ab, berichtet die Verbraucherzentrale Sachsen. Nach ersten Berechnungen von Sachverständigen habe die Sparkasse Bautzen – ähnlich wie andere Sparkassen – im Durchschnitt rund 3.000 Euro zu wenig Zinsen pro Vertrag gezahlt. Bei der Sparkasse Mittelsachsen geht es durchschnittlich um rund 2.700 Euro. Im Einzelfall seien aber auch nur zweistellige Beträge an Nachzahlung zu erwarten. Mehr Informationen gibt es auf der Webseite des Verbandes.

Musterfeststellungsklage hemmt Verjährung

Die Verbraucherzentrale Sachsen weist darauf hin, dass Betroffene, die einen Vertrag „Prämiensparen flexibel“ bei diesen Sparkassen halten, sich der Musterfeststellungsklage anschließen können. Und die Uhr ticke gegen die Sparer. Der Grund: „Die Ansprüche auf Nachzahlung der Zinsen verjähren nämlich am 31. Dezember für alle, die nicht aktiv werden“, informiert Andreas Eichhorst, Vorstand der Verbraucherzentrale Sachsen. Denn die Sparkassen hätten 2o18 alle Verträge gekündigt, weil sie sich auch für sie nicht mehr lohnen. Viele Ansprüche gegenüber den Banken verjähren aber nach drei Jahren.

Die neueste Rechtsprechung bestätige aber, dass die Einreichung der Musterfeststellungsklage ausschlaggebend ist, um die Verjährung zu hemmen, so berichtet die Verbraucherzentrale: und das sei Anfang Dezember erfolgt. Die einzelnen Verbraucherinnen und Verbraucher können sich folglich auch später noch ins Register eintragen. „Dennoch sollten Interessierte nicht zu lange warten, um auf Nummer sicher zu gehen und die Schließung des Registers nicht zu verpassen“, empfiehlt Michael Hummel, Rechtsexperte der Verbraucherzentrale Sachsen.

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Doch aktuell sei es noch gar nicht möglich sich einzutragen, weil das Klageregister noch nicht eröffnet. Die Eröffnung erwarte man in den nächsten Tagen, berichtet Andrea Heyer, Referatsleiterin Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale, dem MDR. Möglich sei es Verbrauchern, sich bis zum Vortag der Verhandlung am Oberlandesgericht Dresden der Klage anzuschließen. Diese werde am 04. Mai 2022 erwartet. Ein Wermutstropfen: Wer mit Unterstützung der Verbraucherzentrale klagen will, muss 40 Euro hierfür zahlen.

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