IDD: Pflichten und Chancen

Neue Pflichten für die Versicherungswirtschaft, verbunden mit einer neuen Wohlverhaltensregel: Die Versicherungsvertriebsrichtlinie Insurance Distribution Directive (IDD) darf als weitreichender Versuch der Europäischen Union gelten, Fehlentwicklungen in der Versicherungswirtschaft zu beseitigen sowie Kundenwohl und Verbraucherschutz in den Mittelpunkt der Gesetzgebung zu stellen. In Deutschland wurde diese Richtlinie umgesetzt durch das sogenannte „IDD-Umsetzungsgesetz“ vom 28.07.2017.

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Für Vermittler bedeutete die IDD eine Umstellung des Geschäfts sowie Mehraufwand; laut einer Umfrage bedeutet sie sogar für jeden zehnten Vermittler das Aus (der Versicherungsbote berichtete). Zugleich aber eröffnete die neue Richtlinie auch Wettbewerbs-Chancen für jene Vermittler, denen das Wohl des Kunden schon immer besonders am Herzen lag (der Versicherungsbote berichtete).

Bonifikationen: Mit solchen Vergütungsformen sollte eigentlich Schluss sein

Halten sich jedoch die Versicherungsunternehmen an IDD-Richtlinie und Gesetz? Aktuell erhebt der Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) einen schweren Vorwurf. Demnach erhält ein großer Teil der Vermittler noch Vergütungen, die gegen IDD-Vorgaben verstoßen. Der Verdacht wurde genährt durch die aktuelle BVK-Strukturanalyse 2018/2019 – eine Studie zur Einkommenssituation von Vermittlern, an der sich 2.500 Vermittler beteiligten.

Demnach erhalten noch 85 Prozent der Einfirmenvertreter und 46 Prozent der Mehrfachvertreter Erfolgs- und Sondervergütungen, die gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen dürften. Stein des Anstoßes sind Boni-Zahlungen, die ausschließlich an quantitative Vorgaben für den Verkaufserfolg geknüpft sind. Denn mit solchen Vergütungsformen für den Vertrieb sollte eigentlich Schluss sein.

Boni provozieren Interessenkonflikt

So darf eine Vertriebsvergütung nicht mit der Pflicht kollidieren, im „bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln“. Grundlegend für neue Anforderungen an die Vertriebsvergütung ist Paragraph 48a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG)– „Vertriebsvergütung und Vermeidung von Interessenkonflikten“. Der Paragraph gibt unter anderem vor, dass Versicherungsunternehmen geeignete Maßnahmen treffen müssen, um Interessenkonflikte gegen das Kundeninteresse zu vermeiden.

Auch dürfen keine Anreize für Versicherungsvermittler „geschaffen werden“, die dazu führen, „einem Kunden ein bestimmtes Versicherungsprodukt zu empfehlen, obwohl sie ein anderes, den Bedürfnissen des Kunden besser entsprechendes Versicherungsprodukt anbieten könnten.“ Und hier liegt der sprichwörtliche Hase im Pfeffer begraben.

Denn zur Orientierung, was als Interessenkonflikt bewertet wird, verweisen Experten gern auf die Delegierte Verordnung (EU) 2017/2359 zu Informations- und Wohlverhaltenspflichten. So auch Matthias Beenken, Professor des Fachbereichs Wirtschaft der Fachhochschule Dortmund, der federführend an der Erstellung der BVK-Strukturanalyse beteiligt war. Die Verordnung enthält einen „Artikel acht“ zur „Bewertung von Anreizen und Anreizregelungen“ – und dieser Artikel listet katalogartig auf, welche Anreize vermieden werden sollen, weil sie „gegen die Verpflichtung“ verstoßen, „im besten Interesse des Kunden ehrlich, redlich und professionell zu handeln.“

Im Sinne dieses Artikels liegt auch ein Interessenkonflikt vor, sobald „eine variable oder an die Erreichung eines bestimmten Ziels gebundene Schwelle“ für die Vergütung besteht oder sobald ein „werterhöhender Mechanismus besteht, der bei Erreichung eines bestimmten Verkaufsvolumens oder -werts ausgelöst wird.“ Im Grunde „trifft“ damit der Artikel die Bonusvergütungen im Kern: Bei den Versicherern sollten eigentlich alle Alarmglocken läuten!

Ausschließlichkeit: 21 Prozent des Gewinns über Boni

Trotz dieser Maßgaben, die Versicherer eigentlich kennen sollten, werden Versicherungsprodukte noch immer durch die fragwürdigen Boni-Modelle gepusht. Das macht die problematischen Vergütungen auch für Vermittler weiterhin wichtig. Stellen Boni doch, bei aller Problematik, eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle dar.

In besonders hohem Maße trifft dieses Problem für die Ausschließlichkeit zu. Matthias Beenken führt für den BKV aus: Zwischen drei und neunzehn Prozent der Gesamteinnahmen würden bei der Ausschließlichkeit über Boni-Vergütungen erreicht, wobei die Extraeinnahmen – je nach Versicherer – zwischen 8.000 Euro und 77.000 Euro variieren würden. Das Drastische dieser Vergütungen zeigt sich besonders, wenn man nicht auf die Gesamteinnahmen, sondern auf die Gewinne schaut. Denn für die Ausschließlichkeit machen die Boni-Vergütungen 21 Prozent aller Gewinne aus. Jedoch auch für die Maklerschaft und für Mehrfachvertreter sind Boni-Vergütungen ein Problem – würden sie wegfallen, schrumpfen die Gewinne um immerhin noch 14 Prozent.

Versicherungsunternehmen: „Nicht den Geist der IDD verstanden“

Der Vermittlerverband nutzt darum die eigenen Studienergebnisse für harte Kritik an den Versicherungsunternehmen. So äußert BVK-Vizepräsident Andreas Vollmer: Offenbar hätten „die Versicherungsunternehmen immer noch nicht den Geist der IDD verstanden“. Auch wolle der BVK „auf keinen Fall“, dass Vermittler „rechtlich fragwürdige Vergütungen erhalten“. Hier müsse sich in der Branche „noch grundlegend die Orientierung“ ändern. Eine nachvollziehbare Kritik: Betrachtet man den Anteil dieser Vergütungen am Gewinn der Vermittler, machen die Versicherungsunternehmen die Vermittler regelrecht von fragwürdigen Vergütungsmodellen abhängig.

Aber wie könnte stattdessen eine IDD-konforme Vergütung in der Branche aussehen, die nicht auf Boni setzt? Auch hierzu hat der BVK klare Vorstellungen. Denn statt über Bonifikationen und Zuschüsse sollte eine Vergütung „ausschließlich über vertragsbezogene Provisionen“ erfolgen.

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Zusätzliche Zahlungen jedoch sollten sich nicht länger an quantitativen, sondern an qualitativen Kriterien orientieren. Nur so nämlich ist gesichert, dass sich die Branche IDD-konform verhält. Eine Presseerklärung mit den Forderungen des BVK ist auf der Webseite des Verbands verfügbar.

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