Die Beiträge beziehungsweise Prämien werden durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam geschultert. Weil die Vorsorgeeinrichtungen nicht gewinnorientiert arbeiten, sie zudem wesentlich von Skaleneffekten profitieren, werden Kosten niedrig gehalten. Die Pensionspläne sind überwiegend leistungsorientiert und garantieren demnach einen bestimmten Prozentsatz des durchschnittlichen Lohns (z.B. 70 Prozent) als Rente.

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Sowohl „Unternehmenspensionsfonds“ als auch "obligatorische Betriebs- und Branchenpensionsfonds“ dominieren als wichtigste Akteure, wie Zahlen (wenngleich mit Stand für Beginn des 21. Jahrhunderts) zeigen. Der Begriff der „Unternehmenspensionsfonds“ darf jedoch nicht falsch interpretiert werden. Handeln die Fonds doch finanziell und rechtlich von den Unternehmen getrennt. Die Statistik offenbart für die zwei wichtigsten Typen ein widersprüchliches Verhältnis: Wenngleich nämlich 88,6 Prozent der Fonds Unternehmenspensionsfonds sind, haben diese nur 15,6 Prozent der Mitglieder. Hingegen stellen die obligatorischen Betriebs- und Branchenpensionsfonds nur 7,4 Prozent aller Fonds, haben jedoch 78,6 Prozent aller Mitglieder. Der größte Teil der Niederländer ist demnach über „obligatorische Betriebs- und Branchenfonds“ versichert.

Einer der Fonds ist ein wahrer Riese: Der bis 1996 öffentlich-rechtliche und nun als private Stiftung agierende Pensionsfonds ABP zählt mit einem Anlagevolumen von aktuell 431 Milliarden Euro laut Private Banking Magazin zu den drei größten Pensionseinrichtungen auf dem Erdball.

Das „Sahnehäubchen“ als Problem: Die geringe Bedeutung der privaten Altersvorsorge

Welche Bedeutung aber spielt das Sahnehäubchen für den Renten-Cappuccino der Niederländer? Sprich: Welche Bedeutung haben zusätzliche Produkte der kapitalgedeckten privaten Vorsorge jenseits der Betriebsrenten? Den Vermittlern in Deutschland sei kundgetan: Zumindest für die Branche bietet das „Cappuccino-Modell“ alles andere als eine attraktive Alternative. Zwar sind zusätzliche Marktsegmente der privaten Altersvorsorge in den Niederlanden äußerst wichtig für Selbstständige. Jedoch: Ansonsten hat die private Altersvorsorge jenseits der Betriebsrenten „keine große Bedeutung“, wie ein Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung eher vorsichtig pointiert.

Das hat seinen Grund. Denn niederländische Betriebsrenten beinhalten häufig auch einen Versicherungsschutz gegen die Folgen von Tod, Alter und Invalidität. Somit brechen schon aufgrund des übermächtigen Konkurrenten wichtige Marktsegmente weg. Die kapitalgedeckt finanzierte Betriebsrente lässt anderen kapitalgedeckten Vorsorgeelementen nur wenig Raum.

Das „Cappuccino-Modell“ als richtige Medizin für Deutschland?

Vielleicht erscheint es aus dieser Sicht beruhigend für die Branche, dass in Deutschland kaum eine Übernahme des niederländischen Vorsorgemodells auf kurze Frist vorstellbar ist. Denn zum einen müssten die Beamtenpensionen komplett abgeschafft werden. Ein solcher Schritt dürfte jedoch auf großen politischen Widerstand stoßen. Zum Zweiten müsste das Prinzip der Teilhabeäquivalenz komplett abgeschafft und auf eine bedingungslose Grundrente ohne Bedarfsprüfung umgestellt werden. Beides aber ist durch die deutsche Regierung derzeit nicht geplant und ließe sich auch nur über mehrere Generationen hinweg umsetzen. Selbst der Plan einer so genannten „Respekt-Rente“ von Hubertus Heil beruht wesentlich auf dem Prinzip der Teilhabeäquivalenz und belohnt mit der Lebensleistung eine lange Beitragszahlung – wenngleich mit Verzicht auf eine Bedarfsprüfung (der Versicherungsbote berichtete).

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Hinzu kommt: Der niederländische Staat kann sich auch deswegen über die Immunität seines Rentenmodells freuen, weil alle Anpassungslasten des demografischen Wandels in den Niederlanden über leistungsfähige kapitalgedeckte Vorsorgesysteme aufgefangen werden. Auf diesen Aspekt weist eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (iW) hin. Die Leistungsfähigkeit verdankt sich jedoch auch einer langen Existenz unter günstigen Bedingungen – der größte niederländische Fonds ABP existiert zum Beispiel schon seit 1922 und profitierte in den Zeiten nach dem Zweiten Weltkrieg wesentlich von seiner Mitgliederstruktur. Deutschland jedoch müsste erst vergleichbare Systeme schaffen – und zwar zu Bedingungen, die sofort eine Belastung durch den demografischen Wandel mit sich bringen. Derartige Probleme lassen fragwürdig erscheinen, ob der niederländische Cappuccino tatsächlich als schnelle Medizin für Deutschland geeignet ist.

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