Sie haben mit Ihrem Buch „Ich bin kein Klinkenputzer“ eine Liebeserklärung an die Versicherungsbranche geschrieben. Warum braucht es eine solche? Und warum ist es „Liebe“?

Anzeige

Klaus Hermann: Wir leben in einer Welt, in der wir uns den Luxus erlauben können, unseren Beruf auszusuchen. Für mich ist es selbstverständlich, dass man seinen Job mit Leidenschaft und Liebe ausüben sollte, genau so, wie ich das in der Freizeit mit meinen Hobbies mache. Es braucht eine Liebeserklärung, weil wir zu Unrecht am Tabellenende der Beliebtheitsskala der Branchen stehen. Es wird Zeit, das zu ändern.

Sie blicken selbst auf eine 30jährige Erfahrung in der Branche zurück. Können Sie sich kurz vorstellen bzw. Ihre berufliche Karriere?

Kurz und knapp. Mit 16 Ausbildung zum Versicherungskaufmann, danach weitere 7 Jahre als Kundenberater und Agenturinhaber bei der Westfälischen Provinzial Versicherung in Münster. 1998 Wechsel in den angestellten Außendienst der Allianz, Führungskraft als Bank- und Orgabereichsleiter und ab 2007 Generalvertreter. Seit dem 1.10.2019 Versicherungsmakler.

„Ich bin kein Klinkenputzer“, heißt Ihr Buch, womit Sie auf ein altes Klischee anspielen: Herr Kaiser, der wie ein Staubsaugerverkäufer an der Wohnungstür klingelt, um Policen zu verkaufen. Wie würden Sie den Beruf des Versicherungsvermittlers alternativ charakterisieren — in wenigen Worten?

Buch "Ich bin kein Klinkenputzer": Anschreiben gegen Vorurteile über die Versicherungsbranche. VVW Verlag 2019

Wir sind Risiko-Manager und Berater. Der Verkauf der Produkte ist deutlich seltener im Vordergrund, sondern in den meisten Fällen die logische Konsequenz einer guten Beratung. Von Haustür zu Haustür geht heute keiner mehr. Das machen ja noch nicht einmal die Zeugen Jehovas.

Wer ist die Zielgruppe Ihres Buches? Und haben Sie schon Rückmeldungen von außerhalb der Branche erhalten?

Ich habe das Buch als „Feel Good“ Lektüre für die Kolleginnen und Kollegen der Branche geschrieben und als Image Aufheller in der Öffentlichkeit. Ich bekomme tolle Rückmeldungen. Ein Lehrer schrieb mir: „Lieber Klaus, ich kann Deine Branche eigentlich nicht leiden, muss aber zugeben, dass sich das durch Dein Buch verändert hat.“ Mehr geht nicht.

Die Versicherungsbranche hat ein schlechtes Image: in allen Statistiken landet der Beruf des Vermittlers auf der Beliebtheitsskala weit hinten. „Das Ansehen des Versicherungsvermittlers ist auf einem Abstiegsplatz“, schreiben Sie im Buch. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür? Vorurteile, Kommunikationsprobleme — und/oder auch hausgemachte Probleme?

Wir haben uns das Image in den 70er, 80er und auch noch 90er Jahren mühsam erarbeitet. Das lesen und hören einige Verantwortliche nicht gerne, kann aber nicht ignoriert werden, wenn wir nach den Ursachen suchen. Somit sind wir nicht grund- und schuldlos am Tabellenende des Ansehens.

Haben Sie selbst schon persönliche Erfahrungen machen müssen, aufgrund Ihres Berufes schief angeschaut oder mit Vorurteilen konfrontiert zu werden? Vielleicht ein Beispiel.

Selbstverständlich. Bei neuen, beruflichen Kontakten ist da, nach der persönlichen Vorstellung, häufig dieser kritische, abschätzige Blick. In Unternehmerkreisen und Netzwerken bekommt man nicht selten den Eindruck, mit seiner Branche irgendwie nicht richtig dazu zu gehören. Diese Hürde muss auch heute noch als erstes überwunden werden.

Sie schreiben mit Ihrem Buch gegen Vorurteile an. Was können Versicherer und Vermittler tun, damit sich der Ruf der Branche zum Besseren ändert und wenigstens ein Mittelfeldplatz erreicht?

Die Vermittler sollten sehr konsequent nach den Prinzipien eines ehrbaren Kaufmanns handeln und mit einer erfrischenden, modernen und innovativen Art und Weise auf die Kunden zugehen.

Anzeige

Den Versicherern würde ich empfehlen, die Kundenorientierung nicht nur als Überschrift der Jahresauftaktveranstaltungen zu schreiben, sondern sehr ernsthaft umzusetzen. Die wenigen Kontakte im Leben eines Kunden zu seinen Gesellschaften müssen unkompliziert und begeisternd sein. Ansonsten werden wir es nie mit dem Ruf eines Arztes oder Feuerwehrmanns aufnehmen können.

Klischee des Zigarre rauchenden Anzugträgers

Versicherungsbote: Das Bild des Versicherungsvermittlers beschreiben Sie in Ihrem Buch mit Zigarre rauchenden Herren mit pomadigen Haaren und Schlips. Mein persönlicher Eindruck: In den letzten 20-25 Jahren hat sich viel gewandelt, die Branche ist bunter geworden. Vermittler beraten auch mit T-Shirt, Hip-Hop-Cap oder Lederjacke. Stimmen Sie zu — wenn ja, warum halten sich solche Klischees beharrlich?

Klaus Hermann: Ich stimme Ihnen auf jeden Fall zu. Es gibt zahllose Vermittler, die mit ihrem Büro, dem Outfit und nicht zuletzt mit sich selbst überraschen und begeistern. Das passiert übrigens auch bei einigen Versicherern. Da hat man immer häufiger den Eindruck, bei einem StartUp gelandet zu sein.

Anzeige

Um das uns anhaftende Klischee loszuwerden müssen wir als Branche eine Art Korpsgeist entwickeln und mit einem anderen Selbstverständnis unserer Zunft auftreten. Die Stadt Bielefeld hat durch eine geniale Marketingstrategie gezeigt, wie man mit einem schlechten Ruf umgehen und ihn drehen kann. Von der Aktion „Bielefeldmillion“, die mit dem Mythos spielt, die Stadt gebe es gar nicht, haben laut einer Umfrage schon hochgerechnet 30 Millionen Menschen gehört: auch internationale Medien wie die BBC und New York Times berichteten darüber.

In einer Sache trifft das Klischee des Vermittlers zu: Der Versicherungsvertrieb ist stark männlich geprägt, auch die Vorstandsetagen der Versicherer sind Männerdomäne. Haben Sie eine Erklärung dafür? Warum ist der Vertrieb für Frauen so unsexy? Wie kann der Job des Versicherungsvermittlers für Frauen attraktiver werden?

Mehr Frauen würden dem Versicherungsvertrieb unglaublich gut tun. Um Ihnen das sprichwörtliche Feld zu bestellen und den Einstieg in diese Welt zu erleichtern muss jegliche Form von Chauvinismus verdrängt werden. In einer Männerdomäne wie dem Versicherungsvertrieb ist das leider zu oft bewusst oder unterbewusst an der Tagesordnung und schreckt weibliche Bewerberinnen ab. Das wird mir immer wieder von Kolleginnen bestätigt und stimmt mich sehr nachdenklich.

Ganz jung ist der Vertrieb auch nicht: Das Durchschnittsalter ist circa 50 Jahre. Wie kann, abgesehen von einem besseren Image, dem Nachwuchsmangel entgegengewirkt werden?

Das geht einher mit einer anderen Darstellung und Wahrnehmung der Assekuranz. Vielleicht sollten die Versicherer mal ein Jahr auf die Abwerbeschlacht im Kfz-Geschäft verzichten und das Geld in Image-Kampagnen investieren. Außerdem brauchen wir Vermittler Bedingungen, unter denen wir guten Gewissens unseren Job und die Agentur den eigenen Kindern empfehlen können. Da würde auch helfen, wenn Presse und Politik uns nicht unter Generalverdacht betrachten und auf uns einprügeln.

Sie bieten Vorträge als „Versicherungsentertainer“ an. Als solcher haben Sie bestimmt schon böse Witze über die Branche gehört. Haben Sie einen Lieblingswitz — vielleicht, weil er doch auch einen wunden Punkt der Branche trifft?

Woddy Allen hat mal gesagt: „Es gibt Schlimmeres als den Tod. Wer schon einmal einen Abend mit einem Versicherungsvertreter verbracht hat, wird wissen was ich meine.“

Einige könnten behaupten, Entertainment und Versicherung, das ist ein Widerspruch in sich. Abgesehen von Ihrem Bühnenprogramm — Was ist an der Versicherungsbranche unterhaltsam?

Ganz klar. Ihre Menschen. Da gibt es so unfassbar viele, interessante, verrückte Charaktere in unsere Branche, die ich bei meinen vielen Vorträgen und Veranstaltungen immer wieder kennenlernen darf.

Sollten Versicherer und Vermittler sich hin und wieder trauen, mehr zu entertainen: auch, um mehr Akzeptanz beim Kunden zu finden? Haben Sie da Tipps?

Neben den Grundsätzen eines verantwortungsbewussten Beraters sollte jeder authentisch sein und bleiben. Wer dabei etwas entertainen kann, umso besser. Jeder Lacher, den unsere Branche beim Kunden erzeugt, ist ein Bausteinchen zum besseren Ruf der Versicherungsindustrie.

Anzeige

Die Fragen stellte Mirko Wenig

Seite 1/2/

Anzeige