Provisionsdeckel: „Spinnerte“ Idee „seit unendlichen Zeiten“

Der „Entwurf eines Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen und von Restschuldversicherungen“ führt zur Zeit ein tückisches Doppelleben. Denn auf der einen Seite scheint er eine lange Zeit in einer Black Box verschwunden: Mehrfach nahm das Bundeskabinett das Thema von der Tagesordnung, Verantwortliche schweigen sich aus (der Versicherungsbote berichtete). Auf der anderen Seite jedoch ist er dann plötzlich wieder da, wenn keiner es erwartet – so zum Beispiel, wenn mit Jörg Kukies der Staatssekretär der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf der Handelsblatt-Konferenz vage erklärt: man sei „dabei, das Thema zu finalisieren“ (der Versicherungsbote berichtete).

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Eine Situation, die bei Vermittler-Verbänden zunehmend als Zumutung gesehen wird. Das offenbaren aktuell zwei Stellungnahmen von Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Noch sachlich ist der Ton in einem aktuellen „Presse-Statement“, das als Rundschreiben verschickt wurde: In diesem formuliert Heinz, es existiere quasi eine Situation der „Nicht-Entscheidung“. In diesem Statement fasst Heinz noch einmal bekannte Argumente der Gegner eines Provisionsdeckels in der Lebensversicherung zusammen.

In einer Eröffnungsrede jedoch, die der BVK-Präsident bei einem Pressegespräch seines Verbandes in Berlin hielt, wählt Heinz einen weit weniger sachlichen Ton: Seit "unendlichen Zeiten“ müsse man sich „mit dieser spinnerten Idee aus dem Finanzministerium“ beschäftigen, dies "lähme" den Verband und „nahezu die ganze Branche“, wird Heinz durch das Fachportal "Versicherungsmagazin" zitiert. Die Verantwortlichen für das Gesetzvorhaben hätten „einfach keinen Plan und keine Ahnung“.

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Das Mantra des Alt-Bekannten

Die Argumente aus dem Statement sind bekannt ... mittlerweile scheint die fehlende Reaktion der Politik auf diese Sachargumente zu einer Mantra- artigen Wiederholung zu führen: Kritisiert wird zum Beispiel jene Kontrollfunktion, die Versicherer über Versicherungsvermittler ausüben sollen, damit bis zu 40 Promille von der Bewertungssumme statt der zulässigen 25 Promille gezahlt werden dürfen. Kritisiert wird zudem eine Markteintrittsbarriere in Zeiten des Vermittler-Sterbens, da eine höhere Zahlung überhaupt nur möglich ist durch Kriterien für Bestandskunden (junge Makler haben aber in den ersten Jahren noch gar nicht einen solchen Bestand vorzuweisen). Kritisiert wird außerdem, dass der Provisionsdeckel eingeführt werden soll, obwohl Versicherungsvermittler bereits im Zuge des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG) vom 1. August 2014 ihre Abschlussprovisionssätze –je nach Vertriebsweg – um 1,5 bis 7 Promillepunkte reduzierten. Und kritisiert wird der vermutete Eingriff in die durch Art. 12 Grundgesetz (GG) geschützte Berufsfreiheit.

Olaf Scholz und "Staatssekretärin": Heinz adressiert Kritik persönlich

Sind diese Dinge aber oft vorgebracht, so spielte sich das Spannende dann doch eher bei den mündlichen Äußerungen des BVK-Präsidenten ab. So verstieg er sich in die kühne These, den Provisionsdeckel würde es dann doch „nicht geben“, da Kanzlerin Merkel „das Thema nicht interessiert“. Auch würden sich vor allem Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und die verantwortliche Staatssekretärin einer „Argumentation auf Sachebene“ entziehen.

Lob hingegen gab es für die FDP für ihren Kampf gegen den Deckel. Lob gab es zudem für CDU-Politiker Carsten Brodesser als Gegner eines starren Deckels (der Versicherungsbote berichtete) – denn von diesem werde man "gut behandelt", wie Heinz mit leichter Selbstironie formulierte. Ebenso gab es Lob für den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Hatte sich doch der GDV mit einer Stellungnahme vom 6. Mai 2019 ungewohnt offen gegen den Deckel positioniert.

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Bonifikationen: Verfängt sich die Branche im Fehlanreiz?

Dass aber nicht nur unterhaltsame Polemik und Altbekanntes verkündet wurde, lag an der Präsentation der neuen BVK-Strukturanalyse 2018/2019. Denn hier wurden auf Grundlage der Daten von 2.500 Vermittlern Fakten präsentiert, die in der Branche für Gesprächsstoff sorgen dürften. So geht die Einkommensschere auch bei den Vermittlern immer mehr auseinander. Erheblich viele Makler kämen auf Jahresumsätze unter 50.000 Euro und Gewinne unter 25.000 Euro.

Ein weiteres Problem sind die Bonifikationen, die 80 Prozent aller Teilnehmer an der Strukturanalyse erhalten. Denn sind diese ausschließlich an quantitative Vorgaben geknüpft wie z. B. an das Erreichen bestimmter Verkaufsziele und Schwellenwerte, verstoßen sie gegen Maßgaben der Versicherungsvertriebsrichtlinie Insurance Distribution Directive (IDD). So gilt ein solcher Vergütungsmechanismus der Delegierten Verordnung (EU) 2017/2359 als klassischer Fehlanreiz, wie Vertriebsexperte Matthias Beenken in einem Interview gegenüber dem Versicherungsbote ausführte. Hier lohnt es, genauer hinzuschauen, damit sich die Branche nicht selber schadet. Der Versicherungsbote wird weiter über die BVK-Strukturanalyse 2018/2019 berichten.

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