Und er tat es wieder: Seit 2011 bewertet der renommierte Mathematiker Hermann Weinmann, tätig an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein, die Finanzstärke der zwölf Platzhirsche unter den Lebensversicherern. Der Bilanz- und Unternehmenscheck ist eine Fleißarbeit, in die wichtige Kennziffern der Firmen nach einem Punktesystem bewertet werden. Über die aktuelle Studie berichtet das „Handelsblatt“ am Dienstag.

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In das Ranking fließt die Ertragskraft der Versicherer ein, die Zukunftsfestigkeit sowie, wie stark die Sparer an den Ergebnissen beteiligt werden. Stärker als in den letzten Jahren wurde zudem das Risikoergebnis der Anbieter gewichtet: stark vereinfacht wird hier geschaut, in welchem Verhältnis die eingenommenen Prämien und Rückstellungen zu den Aufwendungen für Schäden und Versicherungsleistungen stehen. Die Werte fischt Weinmann aus den Geschäftsberichten sowie den Solvabilitäts- und Finanzberichten (SFCR) der Versicherer. In Summe waren 1.000 Punkte zu erreichen.

Bis zu 100 Punkte Abzug gab es jedoch, wenn die Versicherer Verbraucherinteressen nicht ausreichend berücksichtigen. Bestraft wurden hier zwei Szenarien: Wenn die Versicherer die Kunden nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten am Ergebnis beteiligen ("Partizipation") und nicht ausreichend Eigenkapital haben ("Solvabilität").

Weinmann bezeichnet die Lebensversicherung als "Königsdisziplin" der Branche. In dieser Sparte gehe es nicht nur um das reine Versicherungsgeschäft, sondern das Feld sei weit komplexer: Kapitalanlage und Fondsauswahl zählen ebenso dazu wie die Beteiligung der Kunden. Auch die Kosten, die ein Versicherer den Vertragsnehmern berechnet, entscheiden über den Erfolg eines Versicherers.

Allianz Leben bleibt der Champion

Wie auch in den letzten Jahren ist die Allianz Leben der leistungsstärkste Versicherer im Ranking. Von 1.000 möglichen Punkten konnten die Stuttgarter immerhin 700 einsammeln — das bedeutet den Spitzenplatz und Schulnote 1,3. Ein Grund für den Triumph ist die schiere Größe des Versicherers. Der Marktanteil nach Bruttobeitrag bezifferte sich 2018 auf knapp 25 Prozent, wie Weinmann betont — so viel wie die sechs nachfolgenden Lebensversicherer zusammen. Das bedeutet nicht nur eine hohe Zukunftsfähigkeit: die Allianz beteiligt auch die Kunden am stärksten am erzielten Kapitalanlageergebnis. Als einziger Versicherer erreicht die Allianz Leben die Note "sehr gut".

Weinmann sieht die Dominanz der Allianz Leben kritisch, wie das „Handelsblatt“ berichtet. Dem Markt drohe demnach „für die Zukunft ein Ungleichgewicht, wenn nicht gar eine Verwerfung“, wird der Analyst zitiert. Dabei können auch die nachfolgenden Versicherer durchaus überzeugen: insgesamt vier Versicherer erhalten das Prädikat „betriebswirtschaftlich stark bis sehr stark“. Erwähnt sei, dass die Allianz beim Unterpunkt "Partizipation" 50 Punkte Abzug bekam: Der Versicherer könnte seine Sparer stärker am Unternehmensgewinn beteiligen.

Nürnberger, Zurich und R+V mit "gutem" Ergebnis

Auf dem zweiten Rang landen gemeinsam Die Nürnberger Lebensversicherung AG sowie die Zurich Deutscher Herold. Beide erzielen 650 Punkte sowie Gesamtnote 1,7. Vor allem die Nürnberger Leben konnte sich stark verbessern: im letzten Jahr hatten die Franken noch mit Schulnote 2,7 weit schwächer abgeschnitten. Doch sowohl beim betriebswirtschaftlichen Ergebnis als auch der Kundenbeteiligung weise der Versicherer nun deutlich bessere Werte aus.

Zur Spitzengruppe muss darüber hinaus die R+V Leben gezählt werden: sie scheitert mit Note 2,0 zwar knapp an einem Podiumsplatz, erhält aber ebenfalls das Prädikat „betriebswirtschaftlich stark bis sehr stark“. Alle drei Versicherer erhalten die Gesamtnote "gut".

Run-off-Versicherer verlieren

Das Mittelfeld führen dahinter punktgleich die Axa Leben und Alte Leipziger Leben an: Beide erhalten Note 2,7, wobei die Axa 525 Punkte sammelt und die Alte Leipziger 500. Ein glattes „befriedigend“ mit Schulnote 3,0 und 450 Punkten erreicht die Württembergische Leben. Die Aachen Münchener Leben kommt mit Note 3,3 und 400 Punkten ins Zielfeld. Alle diese Versicherer erreichen ein „befriedigend“.

Gleich vier Versicherer müssen sich aber mit der Gesamtnote „ausreichend“ begnügen und landen auf den hinteren Plätzen. Darunter die Generali Leben und Ergo Leben: Beide Versicherer betreiben kein Neugeschäft mehr und wickeln bestehende Verträge nur noch ab. Während die Generali ihren Bestand von rund 4 Millionen Verträgen an die Viridium Gruppe verkauft hat: ein reiner Run-off-Anbieter, betreibt die Ergo für ihre rund 6 Millionen Verträge eine eigene Abwicklungsplattform.

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Die Ergo Leben schneidet vor allem bei den Betriebskosten schlecht ab, die Generali Leben bei den Werten für Zukunftsfestigkeit: zudem gab es für beide Versicherer Punktabzug wegen schlechten Werten in Sachen Solvabilität. Beide Versicherer erreichen Note 3,7, wobei die Generali 375 Punkte erzielt und die Ergo 350 Punkte.

Bayern Versicherung und Debeka Leben auf den letzten Plätzen

Auf den unrühmlichen letzten Plätzen im Ranking finden sich die Bayern Versicherung und die Debeka Leben wieder. Beide erreichen beim Ergebnis für betriebswirtschaftliche Stärke nur 350 von 1.000 möglichen Punkten. Während die Bayern Versicherung aber noch Note 3,7 erhält, muss die Debeka Leben gar eine 4,0 verkraften: Die letztgenannte erhält 50 Punkte Abzug in Solvabilität wegen schlechter Ausstattung mit Eigenkapital.

Die Bayern Versicherung schneidet vor allem beim Rohüberschuss und der Ertragskraft schlecht ab: Mit einem Durchschnittszins von 2,39 Prozent auf die Kapitalanlagen hatte sie mit das schlechteste Ergebnis im Teilnehmerfeld. Dem entgegen sind es bei der Debeka Leben laut „Handelsblatt“ die hohen Altlasten, welche die Debeka auf den letzten Platz katapultieren:

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Die Debeka Leben rutsche aufgrund des hohen Kapitalpuffers für die Zinszusatzreserve auf den letzten Platz. Mit anderen Worten: Der Versicherer hat besonders viele hochverzinste Altverträge im Bestand, was die Zukunftsaussichten trübt. Einst hatte die Debeka für alle Verträge den jährlichen Garantiezins auf 4,0 Prozent angehoben.

Grundsätzlich kritisch sehe der Wissenschaftler, dass die Versicherer ihre Kundinnen und Kunden vergleichsweise gering am Ertrag beteiligen, heißt es in dem Bericht. Auch fordert Weinmann, dass die Kosten der Verträge transparenter ausgewiesen werden. So müssten Angaben über Provisionen an verschiedenen Stellen in den Berichten der Versicherer nachgeprüft werden: für Laien kaum interpretierbar.

Hintergrund

Für die Punktevergabe legte Hermann Weinmann Vergangenheits- und Zukunftskriterien fest, die er unterschiedlich gewichtete. Maximal waren 1.000 Punkte zu erreichen. Für die Punkte aus „Vergangenheit“ berücksichtigte er die:

  • Rohüberschuss-Marge (Profitabilität eines Lebensversicherers im Geschäftsjahr insgesamt. Neben dem Nettozins fließt noch das Risikoergebnis und das übrige Ergebnis ein),
  • die Ertragskraft der Kapitalerträge anhand der laufenden Durchschnittsverzinsung (Errechnet sich aus Bruttoerträgen abzüglich der Kosten für die Verwaltung der Kapitalanlagen und der planmäßigen Abschreibung im Verhältnis zu dem mittleren Bestand der Kapitalanlagen),
  • übriges Ergebnis/ Betriebskosten (ein negatives übriges Ergebnis ist stark vereinfacht ein Hinweis, dass ein Versicherer schlecht wirtschaftet und hohe Kosten hat),

Die Punktzahl aus „Zukunft“ errechnet sich aus der:

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  • Risikoergebnis-Reserve sowie der
  • Bewertungsreserven-Quote (Differenz aus dem Marktwert und Buchwert der Kapitalanlagen: Der Wert, zu dem eine Kapitalanlage aktuell gehandelt wird, wird ins Verhältnis gesetzt zum früher gezahlten Preis der Anlage inklusive Abschreibungen und Wertminderungen).

In einem dritten Schritt wurde die Berücksichtigung des Verbraucherinteresses bewertet und negative Ergebnisse mit einem Punktabzug von bis zu 100 Punkten bestraft: Eingerechnet wurden hier die Partizipation und Solvabilität des Versicherers.

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