Das Urteil, das auf dem ersten Blick zu Lasten der Versicherungsnehmer geht, dient auf dem zweiten Blick einem wichtigen Ziel: Dem Schutz des Kollektivs der Rechtsschutzversicherten.

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Ursache des Gerichtsstreits aufgrund eines verhinderten Gerichtsstreits: Eine Fondspolice nach dem Policenmodell.

Fondsgebundene Rentenversicherungen, so genannte „Fondspolicen“, kombinieren eine private Rentenversicherung mit einem Fondssparplan. Anbieter bewerben die Produkte als Alternativen zu klassischen Rentenversicherungen, weil Sparer von Renditen der Finanzmärkte profitieren können. Jedoch: In der Vergangenheit machten die Produkte auch negative Schlagzeilen. Denn für Gelder aus dem Sparanteil, die in die Fonds fließen, droht mitunter ein nicht unerhebliches Verlustrisiko.

Außerdem wurden im Zeitraum von 1994 bis 2007 viele Produkte nach dem so genannten Policenmodell geschlossen: Bei diesem Modell erhielt der Kunde notwendige Verbraucherinformationen erst mit dem Versicherungsschein schriftlich zugesandt. Eine Aufklärung über Rechte und Pflichten erfolgte demnach nicht rechtzeitig. Seit 2008 ist die Vertriebspraxis in Deutschland verboten. Auch sahen sich Anbieter in der Folge mit einer Klagewelle konfrontiert, weil sowohl der Bundesgerichtshof als auch der Europäische Gerichtshof durch Urteile die Rechtswidrigkeit des Policenmodells beschieden (der Versicherungsbote berichtete). Die Klagen galten als derart erfolgversprechend, dass sogar Legaltechs wie Claimright das „Geschäftsmodell Fondspolice“ für sich entdeckten (der Versicherungsbote berichtete).

Fondspolice als Anlagegeschäft? Rechtsschutzversicherer verweigert Kostenübernahme für Rechtsstreit

Aber muss auch eine Rechtsschutzversicherung für juristische Streitigkeiten leisten, die durch das Policen-Modell verursacht sind? Dass sich die Frage überhaupt stellt, ist durch eine Tatsache begründet: Rechtsschutzversicherer schließen Leistungen für Streitigkeiten aus, die durch Anlagegeschäfte entstehen. Bergen doch Anlagegeschäfte hohe Verlust- sowie Prozessrisiken und werden folglich schnell zur Belastung für das gesamte Versicherungskollektiv. Demnach schützen sich Anbieter über eine Klausel und definieren in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (AGB) einen Ausschluss für Streitigkeiten, die "Kapitalanlagegeschäfte aller Art und deren Finanzierung" betreffen (siehe Paragraph 3 Absatz 2 der AGBs mit Stand 2015).

Zum Problem wird die Klausel, wenn man nun bedenkt: Sie könnte sich nicht nur auf klassische Anlagegeschäfte, sondern auch auf viele Versicherungsprodukte der Lebensversicherer beziehen. Bewerben Anbieter doch insbesondere Produkte der „Neuen Klassik“ damit, die Spar- oder auch die Überschussanteile der Kunden an die Börsen zu bringen (der Versicherungsbote berichtete mit Bezug auf so genannte "Indexpolicen").

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Demnach droht: Der Versicherungsnehmer verliert just für jenen sensiblen Bereich der Altersvorsorge seinen Rechtsschutz, der als dritte Säule der Vorsorgelandschaft eigentlich besonders durch den Gesetzgeber gestärkt sein müsste. Und doch: Rechtsschutzversicherer sehen sich auch hier im Recht, sobald sie für derartige Rechtsstreitigkeiten nicht leisten wollen. Das zeigt nun ein Urteil des Bundesgerichtshofs mit Datum vom 10. April 2019 (IV ZR 59/18).

Rechtsschutzversicherer sollte bei Rückabwicklung der Fondspolice helfen

Geklagt gegen seinen Rechtsschutzversicherer hatte ein Mann, der einen Prozess aufgrund seiner fondsgebundenen Lebensversicherung führen wollte. Die Police wurde am 01. Dezember 2004 und damit zu Hochzeiten des Policenmodells abgeschlossen. Prämienzahlungen in Höhe von 9.555,50 Euro flossen in der Folge in den Vertrag. Verluste der angelegten Gelder aber führten zur Unzufriedenheit: Mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Februar 2016 (und damit in Zeiten der Klagewelle aufgrund des einstigen Policenmodells) widersprach der Mann seinem Vertrag und begehrte die Rückabwicklung und die Erstattung der eingezahlten Prämien. Diese Forderung jedoch wies der Lebensversicherer zurück.

Nun wandte sich der Mann an seine Rechtsschutzversicherung, die er zu Beginn 2016 abgeschlossen hatte – und wollte eine Kostenzusage für eine Klage gegen den Lebensversicherer. Diese Bitte wurde jedoch unter Berufung auf die AGBs zurückgewiesen. Der Mann klagte deswegen gegen den Rechtsschutzversicherer.

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Entscheidung des BGH: In dritter Instanz als Versäumnisurteil

Es folgte ein Rechtsstreit durch mehrere Instanzen. Zunächst wies das Amtsgericht (AG) Hersbruck die Klage mit Entscheidung vom 27.02.2017 ab ( Az. 5 C 1009/16). Nach Berufung des Klägers jedoch gab das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth der Klage mit Entscheidung vom 31.01.2018 zu großen Teilen statt (Az. 2 S 1925/17).

In der Folge dieses Urteils ging der Rechtsschutzversicherer jedoch in Revision vor den Bundesgerichtshof (BGH). Galt es doch, ein Grundsatzurteil für die Ausschlussklausel für „Streitigkeiten aus Kapitalanlagegeschäften aller Art“ für sich zu entscheiden.

Ein Schritt, mit dem der Rechtsschutzversicherer nun Erfolg hatte. Die Wirksamkeit der Klausel auch für Kapitalanlagegeschäfte in Verbindung mit Fondspolicen wurde nun durch den Bundesgerichtshof bestätigt. Das Urteil wurde als Versäumnisurteil gefällt, da der Klagende nicht vor Gericht erschien. Das Revisionsurteil bezog sich jedoch inhaltlich nicht auf dieses Säumnis des Klägers, sondern auf die Prüfung des Antrags.

BGH definiert Bedingungen für Ausschlussklauseln

Beruhigt aber werden kann, wer nun meint: Das Urteil schwäche die Versicherungsnehmer, indem es wichtige Produkte vom Rechtsschutz ausschließt. Für die Wirksamkeit von Ausschlussklauseln nämlich wurden durch den Bundesgerichtshof besondere Anforderungen gestellt. Demnach ist keineswegs ausgeschlossen, dass Rechtsschutzversicherer in anderen Fällen die Kosten einer Klage für neue Produkte der Lebensversicherung übernehmen müssen. Die Klausel greift nur für jene Ansprüche, die der Versicherung den Charakter eines Anlagegeschäfts geben. Mehr noch: Das Urteil nutzt auch den Interessen des Versichertenkollektivs.

Grundsätzlich stellen die Urteilsgründe zwei Anforderungen an Ausschlussklauseln heraus. So müssen Klauseln transparent sein und zudem eng gefasst sein. Eine enge Auslegung sichert den Versicherungsnehmer davor, dass der Versicherer den Ausschluss einer Leistung unerwartet und beliebig ausdehnen kann. Zudem erfordert die Transparenz, dass dem allgemein verständigen Versicherungsnehmer der Ausschluss der Leistung durch die Klausel auch bei Vertragsabschluss erkenntlich wird. Beides jedoch trifft für den vorliegenden Fall in Verbindung mit der Ausschlussklausel für Kapitalanlagegeschäfte zu.

Ausschluss nur bei kostenträchtigen Risiken der Kapitalanlage

Zur Beurteiliung des Falls musste zunächst durch das Gericht geklärt werden: Kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer verstehen, was mit jenen „Kapitalanlagegeschäften“ gemeint ist, die durch die Klausel in den Rechtsschutz-AGBs vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind? Zwar: Es gibt keinen fest umrissenen Inhalt und auch keine allgemeingültige Bestimmung dessen, was ein „Kapitalanlagegeschäft“ ausmacht. Das heben die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs hervor. Und doch wird ein allgemein verständiger Versicherungsnehmer laut Gericht erkennen, dass „jeglicher Einsatz von zur Verfügung stehendem Geldvermögen“ durch die Klausel betroffen ist, der „nicht zum Verbrauch, sondern zum Zwecke des Erhalts oder der Vermehrung“ des Vermögens erfolgt. Der Zusatz „aller Art“ macht zudem anschaulich, dass jegliche Geldanlage diesen Charakters unter den Leistungsausschluss fällt.

Jedoch definiert das Urteil auch spezifische Anforderungen, unter denen die Klausel gültig wird. Denn die vom Rechtsschutz ausgeschlossene Streitigkeit muss gerade aus jenen besonders kostenträchtigen Risiken im Bereich der Kapitalanlagegeschäfte herrühren, vor denen die Risikogemeinschaft der Rechtsschutzversicherten geschützt werden soll. Nur dann kann die Klausel auch Anwendung für derartige Vorsorgeprodukte finden.

Nun dienen Fondspolicen verschiedenen Zwecken. Wichtig ist also, dass nur solche Streitigkeiten unter den Ausschluss der Klausel fallen, die laut Gericht „ihren Ursprung ... in dem Anlagecharakter des Geschäfts haben.“ Das jedoch ist gegeben, wenn es um die Rückabwicklung derartiger Verträge geht aufgrund des Verlustrisikos der Geldanlage. Denn eine solche Rechtsstreitigkeit betrifft nicht allgemein den Risikoschutz des Vorsorgeprodukts, sondern den verhießenen Gewinn (und den drohenden Verlust) durch die Geldanlage.

Beteiligung über das Vorsorgeprodukt: ebenso zu bewerten wie eine unmittelbare Beteiligung

Zusätzliche Gewinnchancen einer solchen Geldanlage in Fonds seien schließlich ein „wesentlicher Gesichtspunkt für den Versicherungsnehmer“, wenn er „sich für eine fondsgebundene Lebensversicherung" entscheidet, führt das Gericht hierzu aus. Dadurch aber ist die Beteiligung über das Vorsorgeprodukt ebenso zu bewerten wie eine unmittelbare Beteiligung an Fondsgesellschaften. Und demnach berührt die Forderung der Rückabwicklung aufgrund eintretender Verluste auch jenes spezifische Risiko, vor dessen wirtschaftlichen Auswirkungen Rechtsschutzversicherer ihr Versichertenkollektiv durch die Klausel schützen wollen.

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Das Gericht schließt: Die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Vertrag einer Fondspolice stellt sich „als Streitigkeit aus einem Kapitalanlagegeschäft im Sinne der hier in Rede stehenden Ausschlussklausel“ dar. Und da Anforderungen an die Gültigkeit der Klausel erfüllt sind, muss der Rechtsschutzversicherer nicht für Streitigkeiten leisten, die die Rückabwicklung einer Fondspolice betreffen.

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