Wer auf ein baldiges Ende der Politik des billigen Geldes hofft, der wurde heute enttäuscht. Nach übereinstimmenden Medienberichten stellte Mario Draghi, scheidender Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), am Donnerstag ein neues Maßnahmenpaket vor. Die Politik des billigen Geldes will er fortführen und sogar zum Teil verschärfen — um einer möglichen Rezession in Europa entgegenzuwirken.

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Anders formuliert: Statt Geld zu bunkern, sollen die Banken fleißig Kredite vergeben, damit Firmen investieren und so die Wirtschaft in Schwung kommt. Aus diesem Grund wird der Einlagezins für Geldhäuser sogar weiter verschärft. Wollen die Banken Einlagen bei der EZB parken, müssen sie künftig minus 0,5 Prozent „Strafzins“ zahlen statt wie bisher 0,4 Prozent.

Zudem wollen Europas oberste Währungshüter weiter Anleihen kaufen, um selbst die Konjunktur zu stützen, und nimmt dafür einen ordentlichen Betrag in die Hand. 20 Milliarden Euro sollen ab dem 1. November monatlich in Wertpapiere investiert werden. Von März 2015 bis Ende 2018 steckte die EZB bereits rund 2,6 Billionen Euro in Anleihen.

Der Leitzins hingegen bleibt unverändert auf dem Rekordtief von null Prozent: auf unbestimmte Zeit. Doch Draghi sagte noch auf der Pressekonferenz, der Zins solle so lange im Keller gehalten werden, bis die Inflation wieder das Niveau von knapp zwei Prozent erreicht. Damit sei laut Prognosen auch über das Jahr 2021 nicht zu rechnen — der Zins bleibt im Keller.

Debatte über Auswirkungen für deutsche Sparer

Laut "BILD" musste sich Draghi den Vorwurf gefallen lassen, dass seine Politik speziell den deutschen Sparern schade. Eine Kritik, die der Notenbanker nicht auf sich sitzen lassen wollte: Deutschland habe von dem günstigen Geld der EZB schon lange und ziemlich stark profitiert. Er forderte die Bundesregierung zugleich auf, mehr Geld auszugeben, etwa für die marode Infrastruktur: „Es ist höchste Zeit, dass die Fiskalpolitik Verantwortung übernimmt“. Von der Politik des billigen Geldes hätte unter anderem die deutsche Exportwirtschaft profitiert, argumentierte Draghi.

Das Problem: Deutsche Sparer setzen bei der Altersvorsorge stark auf zinsbasierte Produkte. Doch Lebensversicherern und anderen Vorsorgeanbietern fällt es im Niedrigzinsumfeld zunehmend schwer, die Zusagen an die Kundinnen und Kunden zu erwirtschaften. Speziell Garantien entpuppen sich als teuer, weil sie mit vermeintlich sicheren Festzins-Anleihen abgesichert werden müssen, die aktuell kaum noch was abwerfen. Die Versicherer versuchen dem entgegenzuwirken, indem sie auf Produkte setzen, bei denen nur der Erhalt der Beiträge garantiert ist: Dann dürfen sie die Gelder riskanter anlegen und stärker in Aktien und Fonds investieren.

Speziell klassische Lebensversicherungen dürften Neukunden bald noch weniger Rendite bringen. So bringt der Chef der R+V-Versicherung, Norbert Rollinger, aktuell eine weitere Senkung des Höchstrechnungszinses ins Spiel: vereinfacht oft Garantiezins genannt. „Es ist sicher richtig, dass es zunehmend schwierig wird, die Garantie von 0,9 Prozent noch zu halten“, sagte Rollinger im Interview mit dem Handelsblatt.

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Auch Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis sieht die aktuelle EZB-Politik kritisch. "Die Altersvorsorge für Millionen Menschen schmilzt wie Schnee in der Sonne. Sozialversicherungen, Pensionskassen und Stiftungen verlieren jeden Tag viel Geld und damit Leistungsfähigkeit“, sagte der Chef des Sparkassen- und Giroverbandes gegenüber "BILD". Dies sei auch ein Grund, weshalb die Mieten in den Innenstädten steigen: Die Bürger wüssten sich oft keinen Ausweg, als in Immobilien zu investieren.