In Deutschland liegt jede zweite Altersrente (51 Prozent) unter 900 Euro im Monat. Das ergab eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sabine Zimmermann, über die zuerst das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete.

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Im Jahr 2018 bekamen demnach 9,4 Millionen Menschen nur eine Altersrente, die weniger als 900 Euro im Monat betrug. 58,6 Prozent der Altersrenten lagen unter 1.000 Euro und 70,8 Prozent unter 1.200 Euro. Die Bundesregierung bezieht sich auf Daten der Deutschen Rentenversicherung (DRV). Bei den Daten handelt es sich um Rentenzahlbeträge - also nach Abzug von Sozialbeiträgen und vor Steuern.

"Rente nicht armutsfest"

Die Linken-Abgeordnete wertet die Zahlen als Beleg dafür, dass vielen Menschen Altersarmut droht. "Es lässt sich schlicht nicht leugnen, dass die gesetzliche Rente nicht mehr armutsfest ist“, sagte Zimmermann dem Redaktionsnetzwerk. Viele Rentnerinnen und Rentner würden nur deshalb über die Runden kommen, weil sie sich selbst etwas dazuverdienten. Ein wichtiger Grund für kaum auskömmliche Renten seien zudem niedrige Löhne.

In konkreten Zahlen: Mehr als 240.000 Menschen gehen auch im Rentenalter einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, so berichtet die Bundesregierung, weitere 980.000 haben einen Minijob. Und 411.000 Personen über 65 Jahren waren darüber hinaus als Selbstständige tätig. Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass viele nicht aus monetären Gründen länger arbeiten, sondern auch andere Motive haben: etwa, dass die „Unruheständler“ auch geistig fit bleiben, einen Sinn in ihrem Beruf erfahren und eine Aufgabe haben.

Bundesregierung: Kein Beleg für Bedürftigkeit der Rentner

Die Bundesregierung entgegnet hingegen in der schriftlichen Antwort, dass allein aus der Höhe einer gesetzlichen Altersrente nicht auf Bedürftigkeit in der Grundsicherung im Alter geschlossen werden könne. So müssten zusätzliche Einnahmequellen und die konkrete Haushaltssituation der Rentner berücksichtigt werden: das könnten diese statistische Daten nicht leisten.

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Zur Erinnerung: In Deutschland beruht die Alterssicherung auf drei Säulen: der gesetzlichen, privaten und betrieblichen Altersvorsorge. Sehr bewusst ist die gesetzliche Rente nicht darauf angelegt, allein den Lebensstandard im Alter zu sichern: Sie soll durch weitere Privatvorsorge ergänzt werden. Ein Grund, weshalb die Bundesregierung pro Jahr Milliarden-Beträge in die Förderung von Rürup, Riester und Co. pumpt. Auch Einnahmen etwa aus der Vermietung von Immobilien oder der Besitz von Aktien und anderen Wertpapieren wird in der Statistik nicht abgebildet.

Debatte um Altersarmut

Dennoch: Bereits zu Anfang des Jahres hatte das Statistische Bundesamt gewarnt, dass fast jeder fünfte Rentnerhaushalt (19,5 Prozent) armutsgefährdet sei. Das zeigen Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP), der größten wiederkehrenden Haushaltsbefragung mit 60.000 teilnehmenden Haushalten.

Eine Person gilt nach der EU-Definition als armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt. Die entsprechende Grenze lag 2017 für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 1.096 Euro netto im Monat, für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2.302 Euro im Monat (der Versicherungsbote berichtete).

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Sozialflügel der Union fordert bAV-Pflicht

Der Sozialflügel der Union fordert nun als Antwort auf die Daten, die betriebliche Altersvorsorge für alle abhängig Beschäftigten gesetzlich vorzuschreiben. „Es sollte eine Pflicht zur Betriebsrente geben“, sagte der Chef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, der „Rheinischen Post“ am Freitag.

„Mit dem Modell der Riester-Rente sind wir in eine Sackgasse geraten. Ich bin der Meinung, dass wir bei der privaten Vorsorge ein Obligatorium brauchen“, positioniert sich Naumann. Gerade kleine und tariflich nicht gebundene Betriebe bieten ihren Mitarbeitern aktuell kaum Betriebsrenten an: Laut einer Studie im Auftrag der Bundesregierung sorgt hier nicht einmal jeder dritte Beschäftigte betrieblich vor.

Österreich: hohe Renten, mehr Einzahler

Dass eine alternde Gesellschaft nicht zwangsläufig mit Einschnitten bei der gesetzlichen Rente einhergehen muss, zeigt das Beispiel Österreich. Auch dort ist das öffentliche Rentensystem umlagefinanziert.

Anders als Deutschland und viele andere europäische Staaten ist die Alpenrepublik in den Nullerjahren nicht dem Rat von OECD und privaten Interessengruppen gefolgt, die gesetzliche Rente zu beschneiden und stärker auf private Vorsorge zu setzen. Stattdessen wurde das gesetzliche Pensionssystem sogar ausgebaut: In Österreich erhalten Rentner aus dem gesetzlichen System weit höhere Bezüge. Damit keine Verwechslung entsteht: Renten heißen in Österreich seit 1962 Pensionen, wobei der Begriff nicht nur die Beamtenversorgung umfasst, sondern alle Ansprüche aus dem Umlageverfahren.

Bei 1231 Euro liegt die monatliche Durchschnittsrente in der Alpenrepublik, in Deutschland bei 909 Euro. Im Unterschied zu Deutschland zahlen in der Alpenrepublik auch Selbständige und Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung ein und der Rentenbeitrag ist mit rund 22 Prozent deutlich höher. So werden auch die Arbeitgeber stärker an den Beiträgen beteiligt. Zu bedenken gilt es darüber hinaus, dass die Pensionskasse auch ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld auszahlt, also 14mal im Jahr Anspruch auf die Monatsrente besteht.

Geringverdiener bekommen in Österreich zudem eine Ausgleichzulage, wenn sie mindestens 15 Jahre Beiträge gezahlt haben. Die dadurch gesicherte Mindestpension liegt bei 933 Euro für Alleinstehende. Wer 30 Jahre einzahlte, bekommt sogar mindestens 1.089 Euro. Für den Anspruch müssen die Betroffenen zwar nicht ihr Vermögen nachweisen, dieses spielt keine Rolle: auch wer ein sattes Sparkonto hat, erwirbt Anspruch auf das Geld. Aber die aktuelle Einkommenssituation wird beleuchtet und darf eine bestimmte Grenze nicht unterschreiten. Auch diese Zulage wird 14mal pro Jahr gezahlt.

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Allerdings sind in Österreich private und betriebliche Vorsorgemodelle kaum verbreitet. Zu Lasten der Zukunftsfähigkeit? Auch die Alpenrepublik macht die Alterung der Gesellschaft zu schaffen: Das Modell funktioniere nur, wenn die erwerbstätige Bevölkerung durch Zuwanderung in etwa konstant bleibe, so geht aus einer Simulationsrechnung der EU-Kommission hervor.

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