Wie gut sind Pensionskassen für die Zukunft aufgestellt? Diese Frage wurde zuletzt mit Bangen gestellt, nachdem mehrere Anbieter gehörig in Schieflage geraten waren:

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Ausgerechnet die Pensionskasse der Steuerberater sowie die katholische Caritas müssen wohl die betrieblichen Altersrenten ihrer Versicherten deutlich kürzen, um überhaupt überlebensfähig zu sein. Das gleiche gilt für die Kölner Pensionskasse, einer Schwester der Caritas. Das Neugeschäft mussten alle drei Anbieter auf Anordnung der Aufsichtsbehörde BaFin einstellen. Neben dem Niedrigzins an den Kapitalmärkten und hohen Leistungsgarantien sind auch Managementfehler für die Krise mitverantwortlich. Unter anderem wurden Tarife mit unzutreffenden Sterbewahrscheinlichkeiten berechnet (der Versicherungsbote berichtete).

Zusätzliche Brisanz erhalten die Leistungskürzungen bei den Pensionskassen nun durch einen Rechtsstreit, der vor dem europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt wird. Dort hat ein Betroffener dagegen geklagt, dass seine Pensionskasse die Rentenbezüge zurechtstutzen darf. In diesem Fall springt eigentlich der Arbeitgeber ein, der für die Höhe der Rente auch in Deutschland mithaftet. Aber die Firma war ebenfalls in den Konkurs gerutscht — einen Ausgleich für die gekürzte Rente erhielt der Kläger nicht, so dass er vor Gericht zog. Über den Rechtsstreit berichtet aktuell die „Süddeutsche Zeitung“.

Politik könnte zum Handeln gezwungen sein

Das Urteil des EuGH könnte auch einen deutlichen Auftrag an die deutsche Politik beinhalten: nämlich die Betriebsrentner besser zu schützen. Laut „Süddeutscher Zeitung“ könnte die Bundesregierung verpflichtet werden, einen Rettungsfonds für Pensionskassen zu schaffen, ähnlich der Auffanggesellschaft „Protector“ bei den deutschen Lebensversicherern. Das gehe aus einer Empfehlung des beauftragten Generalanwaltes vom Mai 2019 hervor. In der Regel folgt das Gericht diesen Expertisen der Generalanwälte.

Greifen würde der Schutzmechanismus aber erst, wenn sowohl die Pensionskasse als auch der Arbeitgeber nicht für Leistungskürzungen einspringen kann, schreibt das Münchener Blatt: Die Firmen wären folglich weiter in der Haftung. Konkret geht es hierbei um sogenannte regulierte Pensionskassen, für die es aktuell noch keinen gesetzlichen Insolvenzschutz gibt: obwohl die deutsche Regierung die Betriebsrenten als wichtige Stütze für die Altersvorsorge der Deutschen betrachtet. Das Urteil des EuGH wird für Ende des Sommers erwartet.

Hier sei auf den Unterschied zwischen regulierten und deregulierten Pensionskassen verwiesen. Nach § 233 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) zählen zu den regulierten Kassen betriebliche Altersvorsorge-Anbieter, die unter bestimmten Voraussetzungen die Beiträge anheben und Leistungen kürzen können, wobei der Arbeitgeber für den Differenzbetrag der Renten haftet. Sie sind nicht vertrieblich orientiert, sondern in der Regel Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die bestimmten Firmen oder Berufsständen vorbehalten bleiben. In Deutschland gibt es aktuell rund 120 Anbieter dieser Art. Leistungseinschnitte zu Lasten der Rentner müssen durch die BaFin genehmigt werden.

Ein Großteil der deutschen Betriebsrentner ist bei Insolvenz abgesichert

Das bedeutet aber nicht, dass es in Deutschland gar keinen Insolvenzschutz für Betriebsrenten gibt. Rund 11,1 Millionen Versorgungsberechtigte sind über den sogenannten Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG) abgesichert, das entspricht rund 70 Prozent aller Betriebsrentner und Anwärter in Deutschland. Diese Selbsthilfeeinrichtung der deutschen Wirtschaft springt aber vor allem ein, wenn ein Arbeitgeber in Not gerät und unverfallbare Anwartschaften auf Betriebsrente nicht mehr bedienen kann.

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95.100 Firmen waren zum Jahresende in diesem Verein organisiert. Und tatsächlich muss er regelmäßig zahlen, weil eine Firma pleitegeht und die Betriebsrenten früherer Mitarbeiter bedroht sind. Bei 372 Firmeninsolvenzen 2018 musste der PSV nach eigenen Angaben mit rund 660 Millionen Euro aushelfen. Geschützt sind vor allem Ansprüche durch Pensionszusagen, Unterstützungskassen und Pensionsfonds.

Protektor: dünnes Sicherungsnetz der Versicherungswirtschaft

Jene Vorsorgeanbieter, die von den Lebensversicherern betrieben werden und im Wettbewerb um Neukunden stehen, sind zudem durch die Auffanggesellschaft Protektor AG abgesichert. Von der Versicherungswirtschaft wurde diese Gesellschaft 2002 gemeinsam gegründet, um Verträge von Lebensversicherern aufzufangen, die in die Insolvenz schlitterten. Anlass war die damalige Pleite der Mannheimer Leben.

Wiederholt gab es jedoch in der Vergangenheit Debatten, ob der Fonds von den Versicherern mit ausreichend Geldern ausgestattet wurde, um notfalls auch Bestände größerer Unternehmen auffangen zu können. Die Auffanggesellschaft ist paradoxerweise selbst in Geldnöten:

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Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen konnte Protektor allein zwischen 2010 und 2013 viermal die geforderte Mindestzuführung zu den gesetzlich vorgeschriebenen Rückstellungen nicht erfüllen: also stark vereinfacht zu jenem Kapitalpuffer, der Ansprüche der Kunden langfristig sichern soll. An der großen Zahl der Verträge kann es nicht gelegen haben, die Gesellschaft betreute in der Zeit nur knapp 155.000 Policen (der Versicherungsbote berichtete). Zur Erinnerung: Fast 80 Millionen Lebensversicherungen halten die Deutschen.

BaFin beobachtet 31 Anbieter genauer

Die drei oben genannten Pensionskassen sind nicht die einzigen mit finanziellen Problemen. Ein Sprecher der BaFin bestätigte der Süddeutschen Zeitung auf Anfrage, dass sie 31 der 120 Anbieter derzeit genauer beobachtet werden, quasi in Manndeckung sind. Die Engpässe auffangen können viele Kassen nur, indem sie sich frisches Geld leihen. Laut Zahlen der Bundesregierung haben von 2008 bis 2017 insgesamt 25 Pensionskassen Nachrangdarlehen und Genussrechte aufgelegt. In Summe sollen so 455 Millionen Euro in die klammen Kassen geflossen sein.

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