Bezüglich der Altersstruktur in Deutschland lassen Daten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) Bonn aufhorchen. Die Behörde hat Daten des Statistischen Bundesamtes ausgewertet und kommt zu dem Fazit: „Deutschland altert unterschiedlich!“. Während das Durchschnittsalter in den Universitätsstädten Freiburg und Heidelberg 39,8 beziehungsweise 39,9 Jahre beträgt, liegt es in einigen ostdeutschen Landkreisen und kreisfreien Städten etwa zehn Jahre darüber, zum Beispiel im Altenburger Land (49,4) oder Dessau (49,5). In zahlreichen ostdeutschen Kreisen ist bereits mehr als jeder vierte Einwohner älter als 65 Jahre (Zahlen für 2015).

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Vorwurf: Der Risikostrukturausgleich begünstigt AOKen

Folglich müssten gerade Anbieter einen höheren Zusatzbeitrag erheben, die in Regionen mit vielen älteren Menschen agieren. Der Risikostrukturausgleich (RSA) sorgt aber nach der jetzigen Ausgestaltung dafür, dass gerade die Ortskrankenkassen hohe Beträge aus dem Gesundheitsfonds erhalten: Sie sind viel im ländlichen Raum aktiv und können hohe Ausgleichszahlungen geltend machen. Zuschläge werden aktuell pauschal gezahlt, wenn die Patienten an bis zu 80 Krankheiten leiden.

Der RSA führt zu Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der AOKen, hatten wiederholt Wettbewerber geklagt. Sie konnten in den letzten Jahren hohe Rücklagen aufbauen, während Betriebs- und Innungskrankenkassen oft in den roten Zahlen steckten. Der Risikostrukturausgleich macht es hier attraktiv, sich auf bestimmte ländliche Regionen zu beschränken. „Allein aus finanziellen Gründen“ baue die AOK „ihre Marktmacht auf dem Lande aus“, kritisierte kürzlich BKK-Vorständin Sigrid König (der Versicherungsbote berichtete).

Statt um die beste Versorgung vor Ort zu konkurrieren, sollen nun die Kassen in einen „überregionalen Preiswettbewerb“ treten, so Spahns Pläne. Der RSA soll freilich auch durch Spahns Gesetzesreform reformiert werden.

Deutschlands Regionen altern unterschiedlich: Besonders viele Seniorinnen und Senioren leben im Osten. Quelle: BBSR, Zahlen für 2015

Überregional erfolgreich vs. Ansprechpartner vor Ort

Laut GKV-Spitzenverband gibt es aktuell 109 Krankenkassen in Deutschland. Während die großen Ersatzkassen Techniker Krankenkasse, Barmer und DAK bundesweit agieren, sind die Ortskrankenkassen auf bestimmte Gebiete beschränkt. In manchen Regionen haben die AOKen ein Quasi-Monopol: in Bayern haben sie Stand 2018 einen Marktanteil von 41 Prozent, in Sachsen waren es gar 56 Prozent.

Dass es keinen Wettbewerbsnachteil bedeuten muss, bundesweit aufgestellt zu sein, zeigt gerade die Techniker Krankenkasse (TK). Mit aktuell 11,7 Millionen Versicherten ist sie der Branchenprimus unter allen Krankenversicherern in Deutschland: zumindest, wenn man die AOKen einzeln nach Region betrachtet. Dabei profitiert die TK auch von einem großen und bunt aufgestellten Versichertenkollektiv, so dass Risiken und Kosten breit gestreut sind.

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Allerdings ist diskutabel, ob es nicht völlig unrealistisch ist, dass sich ein Mitglied der AOK Nordwest bei der AOK in Sachsen-Anhalt pflichtversichert. Regionale Ansprechpartner und Netzwerke vor Ort sind schließlich wichtige Trümpfe, weshalb eine Person seiner Ortskrankenkasse treu bleibt: Das zeigen mehrere Studien, zum Beispiel des Deutschen Instituts für Service-Qualität (DISQ). Viele Versicherte nehmen dafür höhere Zusatzbeiträge in Kauf. Hier ist fraglich, ob bisher regional begrenzte Ortskrankenkassen bundesweite Netzwerke schaffen können - eventuell durch die Kooperation mit anderen AOKen.

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