Versicherungsbote: Herr Heinze, wir wollen über die Absicherung von Oldtimern reden. Sie sind Marktanalyst und Sachverständiger für alte Autos. Woher kommt Ihre Begeisterung für Chrom und Felgen?

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Martin Heinze: Meine Mutter behauptet, das komme daher, dass sie mit mir schwanger war, als sie den Führerschein gemacht hat. Tatsächlich war ich schon als kleines Kind vom Virus Auto infiziert, habe meinen Vater immer gefragt: "Was ist das für ein Auto?“, wenn ich eines auf der Straße gesehen habe. Ich habe ständig mit Autos gespielt, schon beim Frühstück standen Wiking-Autos neben meinem Teller. Später habe ich dann Automobilliteratur verschlungen und Prospekte gesammelt.



…und seit wann sind Sie speziell in diesem Feld beruflich aktiv? War es leicht, zu sagen: Mein Beruf wird künftig den alten Autos gewidmet?

Martin Heinze, Marktanalyst von Classic Car AnalyticsClassic Car AnalyticsMartin Heinze: Seit 8 Jahren. Es war sehr leicht. Ich habe damals, noch im Versicherungsbereich tätig, die Stellenanzeige gesehen und gesagt "Das ist MEINE Position". Nach einigen Gesprächen habe ich dann bei classic-analytics angefangen und es nicht bereut.



Als Marktanalyst für alte Autos: Wie bestimmen Sie denn den aktuellen Wert eines alten PKW? Und wie die künftige Wertentwicklung, die zu erwarten ist?

Frank Wilke: Durch fortlaufende Marktbeobachtung, das heißt: Messebesuche, Auktionsbesuche, Gespräche mit Clubs und dem Handel, aber auch durch das Auswerten von Inseraten. Die künftige Wertentwicklung kann man natürlich nicht exakt vorhersehen; aber es gibt Trends und Erfahrungswerte aus der Vergangenheit, die man auf die Zukunft projizieren kann.



Wie groß ist denn die Oldtimer-Szene in Deutschland? Wie viele Menschen haben einen Oldie und sammeln aktiv?

Frank Wilke: Der Oldtimermarkt wächst stetig. In Deutschland existieren 400.000 Fahrzeuge mit H-Kennzeichen, was einem Anstieg von 160 Prozent in den letzten zehn Jahren entspricht. Der Bestand an Fahrzeugen, die älter als 15 Jahre sind, beträgt 8,7 Millionen; der Bestand der über 20 Jahre alten Autos beträgt 3,1 Millionen und derjenige über 30 Jahren 680.000 Fahrzeuge. Kurzgesagt: Ein großer, stetig wachsender Markt mit einer interessanten Klientel für Versicherungen.

Wo bitte können Interessierte denn überhaupt nach Oldtimern Ausschau halten? Sollten sie schon eine ungefähre Vorstellung haben, welches Auto sie kaufen wollen?

Martin Heinze: Oft führt der Weg zur Oldtimerei über den Erwerb des Traumautos der eigenen Jugend. Diesen kann man ganz klassisch über Inserate in Fachzeitschriften wie Motor-Klassik, gängige Gebrauchtwagenportale wie mobile.de oder Autoscout24.de finden. Man kann aber auch auf Oldtimer-Messen, auf Auto-Auktionen oder bei entsprechenden Markenclubs fündig werden.

Laut einer Umfrage von Kantar TNS haben sechs von zehn Autofahrern ihren Oldie mit einer herkömmlichen Kfz-Versicherung versichert, nicht mit einer Oldtimer-Versicherung. Ganz banal gefragt: Warum und wann braucht es einen extra Schutz für Oldtimer?

Frank Wilke, Geschäftsführer der Classic Car Analytics GmbHClassic Car Analytics Martin Heinze: Ein spezieller Oldtimer-Versicherer kennt die individuellen Gefahren eines historischen Fahrzeugs, die sich von denen eines Neufahrzeugs hinsichtlich Nutzung, Wiederbeschaffung oder Ersatzteilversorgung unterscheiden, genauer. Auch das Thema Wertsteigerung findet hier Beachtung, was bei neuen Kfz in der Regel keine Rolle spielt. Im Unterschied zur herkömmlichen Kfz-Versicherung wird im Oldtimerbereich stets nach Taxe versichert, das heißt, der Versicherer benötigt einen verlässlichen Partner, der ihn nicht nur den aktuellen Wert des versicherten Fahrzeugs mitteilt, sondern ihn auch über Wertsteigerungen auf dem Laufenden hält.

Bei classic-analytics geht dies zum einen ganz klassisch über unsere Bewertungskette mit mehr als 700 Oldtimer-Sachverständigen bundesweit. Darüber hinaus arbeiten wir aber auch mit vielen Versicherern im Bereich der Datenlieferungen und weiteren Serviceleistungen direkt zusammen.

Oldtimer sind Autos für die Straße, so ein weiteres Ergebnis der Umfrage. 79 Prozent der Oldtimer-Besitzer gaben zu Protokoll, dass sie an ihrem Oldtimer den Fahrspaß schätzen. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den Versicherungsschutz?

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Frank Wilke: Der Versicherungsschutz sollte der individuellen Nutzung des Autos angepasst werden, da ein Oldtimer, der gefahren wird, anderen Gefahren ausgesetzt ist als einer, der die meiste Zeit nicht genutzt wird. So kann man die Versicherung zum Beispiel hinsichtlich der Laufleistung oder des Umfangs bis hin zu einer Allgefahrenversicherung anpassen. Gerade im letzten Fall ist es für den Versicherer besonders wichtig, über ein ausführliches Wertgutachten einen genauen Überblick über den Zustand des Fahrzeugs zu bekommen, um das Risikopotential realistisch einschätzen zu können.

Taugen Oldtimer für die Altersvorsorge?

Versicherungsbote: Ungefähr jeder achte Fahrer sieht in seinem Auto auch eine Wertanlage. Dann sind möglicherweise andere Prioritäten wichtiger als der Fahrspaß. Worauf gilt es zu achten, wenn ich einen oder mehrere „Oldies“ tatsächlich kaufe, um den Wert zu steigern?

Martin Heinze: Hier bewegen wir uns in einem speziellen Segment. Meist handelt es sich hier um sehr hochpreisige Autos, die in geringer Stückzahl hergestellt worden sind. Es handelt sich meist um leistungsstarke Sportwagen, die bereits zur Produktionszeit die Spitze des technisch machbaren dargestellt haben.

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Oldtimer als Altersvorsorge — das klingt erst einmal für viele befremdlich. Wie verlässlich sind denn alte Autos als „Geldanlage“, und ist das auch ein Modell für Laien?

Frank Wilke: Die Altersvorsorge hauptsächlich auf klassischen Fahrzeugen aufzubauen ist schon sehr ungewöhnlich, weil dies ein erhebliches Maß an eigenem Fachwissen, vertrauenswürdige Berater oder einen hohen Kapitaleinsatz erfordern würde. Wer heute zum Beispiel für 8 Millionen Euro einen Ferrari Rennwagen aus den 50er Jahren mit wasserdichter Historie kauft und sich den Wagen fünf Jahre wegstellt, der kann nichts falsch machen und wird beim Wiederverkauf wahrscheinlich mehrere hunderttausend Euro Gewinn einstreichen.

Wer aber sein Portfolio streut und für etwa 50.000 Euro mehrere, preiswerte Youngtimer kauft, der sollte nicht nur die Stellkosten einkalkulieren, sondern auch bedenken, dass Autos Maschinen sind, die regelmäßig bewegt und gewartet werden müssen, um Standschäden zu vermeiden. Als Ergänzung können einzelne Oldtimer also durchaus zur Altersvorsorge beitragen, als einziges Standbein hingegen sind sie eher risikoreich.

Wertentwicklung verschiedener Automodelleclassic-analytics.de

Wie stark muss man denn den Oldtimer-Markt beobachten, wenn man als Privatperson in Autos als Wertanlage investiert? Wie stabil sind die Preise — und gibt es plötzliche Preissprünge oder Preisverfall?

Martin Heinze: Oldtimer haben sich in den letzten 30 Jahren als extrem wertstabil erwiesen, in vielen Fällen haben sie ihren Wert sogar vervielfacht. Die durchschnittliche Wertsteigerung pro Jahr liegt ungefähr bei 5 Prozent, es gibt aber auch Exemplare, die deutlich mehr an Wert gewonnen haben. Charakteristisch für Oldtimer ist es, dass die Wertentwicklung nicht linear, sondern eher schubweise verläuft. Mal rückt das eine Modell mehr in den Mittelpunkt des Interesses, mal das andere, auch kleinere Schwankungen sind typisch. Marken- und modellübergreifende Preissprünge gibt es vor allem bei Finanzkrisen, wenn eine Flucht in die Sachwerte einsetzt. Einen generellen, dramatischen Preisverfall hat es noch nie gegeben, auch wenn sich der Gesamtmarkt in den letzten anderthalb Jahren beruhigt und auf hohem Niveau konsolidiert hat.

Gibt es auch größere institutionelle Investoren, die in Oldtimer investieren? Oder ist das eher Privatgeschäft?

Frank Wilke: Seit Ende der 80er Jahre hat es, ausgehend von Großbritannien, immer wieder sogenannte Oldtimerfonds gegeben, hierbei hat eine Investorengemeinschaft Fahrzeuge nur zu dem Zweck gekauft, sie nach einer festgelegten Zeit wieder zu veräußern. Wirklich funktioniert hat allerdings keines dieser Modelle, da es über kurz oder lang zu Meinungsverschiedenheiten über die Notwendigkeit von Wartungsarbeiten oder den idealen Verkaufszeitpunkt gab.

Was passiert, wenn man keine passenden Ersatzteile auftreiben kann?

Versicherungsbote: Wenn ich meinen Oldie als Wertanlage bzw. Altersvorsorge nutzen will, muss ich ihn dann in der Garage stehen lassen? Oder worauf gilt es zu achten, wenn ich ihn möglichst ohne großen Wertverfall fahren will?

Martin Heinze: Wie gesagt, einfach stehenlassen ist das Schlimmste, was man einem Auto antun kann. Dann altert das Motoröl, Kolbenringe verhärten oder Dichtungen quellen auf und Reparaturen sind vorprogrammiert. Optimalerweise kauft man ein Auto im guten Zustand zu einem marktgerechten Preis und bewegt es dann oldtimertypisch maximal 3.000 bis 5.000 Kilometer im Jahr. Auf diese Weise bleiben Unterhaltskosten und Wertsteigerung in einem günstigen Verhältnis zueinander.



Ersatzteile für seltene Modelle könnten schwer zu finden sein. Leisten Sie hier auch Unterstützung? Und wie funktioniert das — haben Sie „Oldtimer-Detektive“? Wo und wie suchen Sie?

Frank Wilke: Als separate Dienstleistung haben wir Ersatzteilbeschaffung nicht im Programm, mit vielen Versicherern arbeiten wir aber im Bereich der Schadenregulierung bei Oldtimern zusammen und überprüfen die in Gutachten angegebenen Ersatzteilpreise auf deren Marktüblichkeit. Aus Unkenntnis und mangelnder Erfahrung wenden sich viele Sachverständige, die keiner Oldtimer-Bewertungskette angeschlossen sind, häufig an Ersatzteilanbieter, die ihre Ware eher am oberen Ende der Preisskala anbieten. Bestes Beispiel sind Frontscheiben: Man kann eine Scheibe für einen Maserati Ghibli für 8.000 Euro kaufen oder in gleicher Qualität für 1.500 Euro!

Was passiert, wenn sich Originalersatzteile nicht auftreiben lassen? Haben Sie schon solche Erfahrungen machen müssen? Dürfen dann andere Teile eingebaut werden, oder steht der Status des Autos als Oldtimer auf dem Spiel?

Martin Heinze: Unterm Strich ist die Ersatzteilversorgung in den letzten Jahren immer besser geworden, nicht zuletzt, weil sich auch die Hersteller selbst mit ihren Klassikabteilungen in diesem Geschäft engagieren. Soweit möglich sollten aus Gründen der Originalität immer nur passende Ersatzteile für das jeweilige Modell verwendet werden. Wenn es die nicht gibt, kann man auf baugleiche Teile verwandter Modelle zurückgreifen. Im Extremfall, speziell bei Marken, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr existieren, muss man Teile neu anfertigen lassen. Durch moderne 3D-Drucker wird sich hier in den nächsten Jahren voraussichtlich viel vereinfachen und die Ersatzteilproduktion wird tendenziell günstiger werden.

Auch Youngtimer sind zunehmend gefragt. Das betrifft nicht nur Luxusautos, sondern dabei kann es sich auch um einen Subaru Justy oder einen Opel Omega aus den 90er Jahren handeln. Müssen diese als Wertanlage anders bewertet werden als Oldtimer, die ihren Klassiker-Status schon bestätigt haben? Wie vermeide ich hier „Fehlgriffe“?

Frank Wilke: In Sachen Wertigkeit gelten für Youngtimer die gleichen Prinzipien wie für klassische Oldtimer: Teuer ist ein Auto immer dann, wenn es nur wenige gibt, es aber viele haben wollen! Ein weiterer wichtiger Faktor ist aber auch die Zahlungswilligkeit der potentiellen Käufer und hier ist seit einigen Jahren zu erkennen, dass im Youngtimerbereich überwiegend die Top-Modelle größere Wertsteigerungen erfahren. Im Falle des Opel Omega wäre das also nicht die Basisversion sondern der Omega 3000, der Omega Evolution 500 oder am oberen Ende der Skala der Lotus Omega. Potentielle Käufer sollten sich also genau informieren, ob das ihnen angebotene Modell eine gesuchte Rarität oder nur eine unbeliebte Kuriosität ist. Im Internetzeitalter findet man das aber recht schnell heraus.

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(Die Fragen stellte Mirko Wenig)

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