Die Frage des Brexits ist nach wie vor ungeklärt. Großbritannien möchte raus aus der EU, aber die Art, wie sich der Austritt gestaltet, entwickelt sich immer mehr zur Farce. Zweimal wurde bereits der Brexit-Vertrag, den die britische Regierung mit der EU ausgehandelt hat, vom britischen Unterhaus abgeschmettert, Regierungschefin Theresa May gerät zunehmend unter Druck. "Die Zeit ist um, Theresa“, so titelte die Sun, Londons größte Boulevardzeitung, in ihrer Montagsausgabe.

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Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit für einen ungeregelten Brexit oder „No Deal“. Dass also Großbritannien mehr aus der EU herausstolpert, statt selbstbewusst über die Schwelle zu treten, wenn das zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt noch möglich ist. Auch für viele Verbraucher und Altersvorsorge-Kunden könnte das bittere Konsequenzen haben:

Wenn Kundinnen und Kunden aus Deutschland oder anderen EU-Staaten Verträge bei britischen Lebensversicherern halten, könnten diese ungültig werden, so warnte im letzten Jahr TheCityUK, einer Interessensvertretung britischer Finanzdienstleister. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gibt Entwarnung. Die Finanzaufsicht BaFin erlaube es den britischen Versicherern, die Bestände bis Ende 2020 abzuwickeln — oder danach mit einer Geschäftserlaubnis weiterzubetreiben, so informiert der Verband auf seiner Webseite.

Doch wer einen Vertrag bei der Standard Life hält, muss sich über solche rechtlichen Fragen nun keinen Kopf mehr machen: Der Versicherer kann seine Bestände von Schottland in ein Land retten, das vom Brexit nicht betroffen sein wird.

Standard Life-Bestände bald ohne Schottenrock

Die Standard Life mit Hauptsitz Edinburgh hat die letzte notwendige Genehmigung erhalten, um — unabhängig von den Auswirkungen des Brexits — weiterhin EU-Versicherte betreuen zu dürfen. Demnach stimmte das oberste schottische Zivilgericht (Court of Session) dem Plan zu, die Verträge von der schottischen Standard Life Assurance Limited auf die irische Standard Life International DAC zu übertragen. Das teilte die Deutschland-Tochter am Montag in einem Pressetext mit.

„Heute ist ein bedeutender Tag für Standard Life. Wir haben in den vergangenen 36 Monaten intensiv an einer Lösung für unsere Kunden und Vertriebspartner gearbeitet, die für maximale Planungssicherheit sorgt. Ich freue mich sehr, dass wir die Genehmigung erhalten haben“, lässt sich Peter Tyson zitieren, zuständiger Brexit Programme Director bei Standard Life. „Bis zum 29. März werden wir die Übertragung abgeschlossen haben und sind damit pünktlich startklar.“

Dabei geht es nicht um kleine Bestände. Immerhin 600.000 Verträge von deutschen, österreichischen und irischen Kunden sind vom Transfer betroffen, berichtet die Standard Life. Das Versicherungsvertragsvermögen beziffere sich auf 26 Milliarden Euro. Damit werde man zweitgrößter Lebensversicherer in dem Staat auf der grünen Insel sein, heißt es im Pressetext, wenn Irland auch nur knapp 4,8 Millionen Einwohner zählt. Zum neuen Branchenriesen per Brexit-Flucht.

Die hiesigen Verträge sollen weiterhin in Deutschland verwaltet und betreut werden, so bestätigt der Versicherer. Nach der Übertragung gelte weiterhin deutsches Vertrags- und Steuerrecht. Auch die Rechtsaufsicht der BaFin bleibe unverändert bestehen.

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Auch andere britische Versicherer betten Bestände um

Die Standard Life ist nicht der einzige britische Versicherer, der nun seine europäischen Auslands-Bestände in ein EU-Land mitnimmt. Auch andere Versicherer wie zum Beispiel Royal London, Friends Provident (eine Marke von Aviva) oder Scottish Widows Limited (SWL) reagieren bereits im Vorfeld und kündigten die Gründung von Tochtergesellschaften in Irland oder Luxemburg an, um Verträge mit Kunden aus EU-Ländern, natürlich ausgenommen Großbritannien, zu übertragen (der Versicherungsbote berichtete).

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