Der Versicherer Allianz hat einräumen müssen, Kunden in offiziellen Anschreiben falsch informiert zu haben. Gegenüber der Verbraucherzentrale München musste der Branchenprimus eine rechtswirksame Unterlassungserklärung abgeben, so berichtet heute das Webportal boerse-online.de. Beide Seiten hätten den Vorgang bestätigt, so heißt es weiter. Eine Allianz-Sprecherin wird damit zitiert, man habe die „angreifbaren“ Formulierungen, die in „speziellen Vertragsverhältnissen“ verwendet worden seien, entsprechend korrigiert.

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Langer Streit um Policenmodell in Lebensversicherung

Konkret geht es um Kapitallebens- oder Rentenversicherungen, die Versicherer zwischen 1995 und 2007 nach dem sogenannten Policenmodell vermittelt haben. Verbraucherinformationen wurden den betroffenen Versicherungsnehmern hierbei erst mit dem Versicherungsschein und damit im Nachhinein schriftlich zugesandt. Eine höchst zweifelhafte Praxis – denn eine Aufklärung über Rechten und Pflichten des Kunden fand häufig erst statt, nachdem er den Vertrag bereits unterschrieben hatte.

Seit 2008 ist diese Vertriebspraxis in Deutschland verboten. Doch damit nicht genug: Mehrere Gerichtsurteile des Bundesgerichtshofes bestätigten, dass der Sparer den Vertrag auch im Nachhinein rückabwickeln könne. Jedoch gilt dies nur unter einer Einschränkung: Kundinnen und Kunden müssen nachweisen, fehlerhaft über ihr Widerspruchsrecht aufgeklärt worden zu sein.

Für Versicherungsnehmer hat die Rückabwicklung Vorteile gegenüber einer bloßen Kündigung des Vertrages: Der Versicherer muss nicht nur den aktuellen Rückkaufswert ersetzen, sondern die gesamten geleisteten Prämien plus Zinsen. Lediglich die Kosten für den Risikoschutz darf der Versicherer berechnen. Bei fondsgebundenen Verträgen gilt es allerdings zu bedenken, dass der Verbraucher das Verlustrisiko der oder des Fonds selbst trägt, wenn sich dieser schlecht entwickelt hat.

Ein Monat hat nicht immer dreißig Tage

Eine Rückabwicklung könne der Kunde auch bei den betroffenen Verträgen der Allianz verlangen, so hatte die Verbraucherzentrale Hamburg bereits Anfang Dezember 2018 moniert. Der Versicherer habe eine Widerspruchsbelehrung verwendet, die nach Interpretation des Bundesgerichtshofes fehlerhaft und damit unwirksam sei. Deshalb mahnten die Hansestädter den Versicherer ab und verlangten eine Unterlassungserklärung (der Versicherungsbote berichtete).

Der Anlass ist eine scheinbare Lappalie: In der Belehrung wird dem Kunden ein Widerspruch von „einem Monat“ gestattet. Was nicht korrekt ist, denn zum damaligen Zeitpunkt sah der Gesetzgeber eine 30tägige Frist vor. Da der Monat Februar weniger Tage hat, könne diese Formulierung die Verbraucher benachteiligen, so urteilte der Bundesgerichtshof (Urteil vom 15.07.2015 - IV ZR 386/13).

Allianz schmetterte Widerspruch ab

Obwohl es also um eine Kleinigkeit geht, können betroffene Allianz-Kunden eine Rückabwicklung aufgrund eines fehlerhaften Widerspruchs verlangen, so argumentierte die Verbraucherzentrale aus der Hansestadt. Doch Versicherte, die ihre private Rentenversicherung aufgrund dieses Fehlers rückabwickeln wollten, hätten ein Ablehnungsschreiben der Allianz erhalten. Darin hätte die Allianz behauptet, dass sie die Verträge nicht zurücknehmen müsse, da man korrekt über das Widerspruchsrecht aufgeklärt habe: trotz des Fehlers in den Verträgen. Nun wurden die beanstandeten Formulierungen von der Allianz geändert, berichtet die Konzernsprecherin gegenüber boerse-online.de.

Gegenüber dem Versicherungsboten teilt ein Allianz-Sprecher hierzu mit: "Die Allianz Lebensversicherungs-AG (Allianz Leben) hat die Argumente der Verbraucherzentrale Hamburg (VZ Hamburg) von Ende 2018 aufgegriffen. Die VZ Hamburg hatte damals auf eine angreifbare Formulierung hingewiesen. Die Allianz Leben hatte in speziellen Vertragskonstellationen den Kunden mitgeteilt, dass die Widerspruchsbelehrung im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss in der Vergangenheit ordnungsgemäß gewesen sei, obwohl in dieser die Formulierung „innerhalb eines Monats“ statt „innerhalb von 30 Tagen“ verwendet worden war. Allianz Leben hat inzwischen den Vorgang geprüft und den Prozess für diese speziellen Konstellationen geändert. Die VZ Hamburg haben wir über die Anpassung informiert."

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Ein Einzelfall ist der Versicherer nicht: auch die Zurich und Neue Leben wurden aufgrund eines ähnlichen Vorgehens abgemahnt. Auch wenn eine Rückabwicklung möglich sein sollte, sollten Versicherungsnehmer genau prüfen, ob sich dies tatsächlich lohnt. Oft handelt es sich um hochverzinste Altverträge, die einen Zins garantieren, der mit Leben-Neuverträgen kaum noch zu erzielen ist.

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