Versicherungsbote: Unser Thema ist die Bestandsübertragung. Viele Versicherungsmakler stehen kurz vor dem Ruhestand. Haben Sie Zahlen oder Schätzwerte, wie viele Bestände demnächst den Besitzer wechseln werden?

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Matthias Beenken: Was wir wissen ist, dass gut jeder zweite Makler in den nächsten 10-15 Jahren das Ruhestandsalter erreicht. Leider wissen wir aufgrund der gewerberechtlichen Besonderheiten der Erlaubniserteilung und Registrierung nicht genau, wie viele Makler es tatsächlich gibt. Wir schätzen die Zahl auf rund 25.000. Die Differenz zu der Zahl im Vermittlerregister sind Untervertreter von Maklern und wohl auch zunehmend Makler im „stillen Run-off“, die also keinen Nachfolger oder Käufer gefunden haben und nun das Gewerbe bis ins hohe Alter angemeldet halten, ohne ernsthaft aktiv zu sein. Aus alledem könnte man vorsichtig schließen, dass jedes Jahr rund 1.000 bis 1.500 Maklerbetriebe eine Nachfolgeregelung benötigen, aber bei weitem nicht jeder eine solche erreichen wird.

Die Bestandsübertragung ist ein komplexer Prozeß. Wann sollten Versicherungsmakler aus Ihrer Sicht spätestens den Wechsel eines Besitzers in die Regel leiten? Und was sollten sie dabei beachten?

(c) Redaktionsbüro Prof. Dr. Matthias BeenkenNach unserer aktuellen Umfrage wird nur rund jeder fünfte Betrieb an Familienmitglieder oder ehemalige Mitarbeiter weitergegeben. Das ist sehr bedauerlich, denn diese Art der Nachfolge dürfte die naheliegendste sein. Verkäufer und Käufer kennen sich über viele Jahre gut, der Nachfolger wird die Philosophie des Vorgängers teilen und bei den Kunden sofort Akzeptanz finden. Aber das Ergebnis zeigt auch, dass viele Maklerbetriebe sich nicht ausreichend langfristig vorbereiten.

Die beste Vorbereitung ist, frühzeitig gute Mitarbeiter einzustellen, zu fördern und zu qualifizieren sowie sie beizeiten am Unternehmen zu beteiligen, beispielsweise Gesellschaftsanteile zu vergeben, um das Interesse an der Nachfolge durch Komplettübernahme der Gesellschaftsanteile zu verstärken. Zudem bleibt damit Geld im Betrieb, das sonst in Form von Erfolgsvergütungen den Betrieb verlassen und nicht mehr für Investitionen zur Verfügung steht. Das alles lässt sich nicht erst kurz vor Ruhestandseintritt machen, ich spreche hier über Prozesse, die mindestens zehn Jahre vorher beginnen müssen.

Wie werden Bestände bewertet? Und können Makler auch kurz vor dem Bestandsverkauf noch etwas unternehmen, um den Bestand aufzuwerten?

Unsere Umfrage zeigt, dass es viele Illusionen über die Bewertung gibt. Dass ein Verkäufer seinen Bestand höher bewertet als der Käufer, ist normal. Aber bei Maklerbeständen gehen Erwartung und Wirklichkeit sehr weit auseinander. Beispielsweise im wertvollsten Bestandsbereich, Schaden-/Unfall-Versicherungen ohne Kfz, werden oft drei Jahrescourtagen gefordert, aber nicht viel mehr als die Hälfte tatsächlich gezahlt. Was Makler auf jeden Fall rechtzeitig tun sollten, ist die Bestände auf ein modernes Maklerverwaltungsprogramm (MVP) zu migrieren, das Schnittstellen für gegebenenfalls weitere Migrationen zu einem abweichenden MVP eines Käufers vorsieht.

Darüber hinaus gilt: Die Bestände müssen top gepflegt sein. Mit allen Kunden sollten schriftliche Maklerverträge vorliegen, die auch eine ausreichende Datenschutzklausel enthalten bei einer eventuellen Weitergabe an Dritte. Jede Kundenakte muss aussagekräftige Beratungsdokumentationen enthalten, die auch einigermaßen regelmäßig im Rahmen von Folgeberatungen ergänzt werden. Und generell sollten sich Makler auf das Schaden-/Unfallversicherungsgeschäft ohne Kfz fokussieren und versuchen, die Bestände netto zu steigern. Viele Aufkäufer wollen keine Lebens- und Krankenversicherungsbestände, weil es hier meist keine nennenswerte Folgecourtage, dafür aber potenzielle Haftungsprobleme zu übernehmen gibt. Und auch Kfz-Versicherungen sind aus verständlichen Gründen weniger beliebt.

Welche Probleme können bei einer Bestandsübertragung typischerweise auftreten?

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Das Hauptproblem, von dem ich immer wieder in der Praxis höre, ist, dass viele Versicherer nicht in der Lage sind die Bestände rasch umzubuchen. Dieser Tage charakterisierte ein Makler in einer Veranstaltung bei mir an der Hochschule die Bandbreite „von zwei Monaten bis zu zwei Jahre“, die nach seiner eigenen Erfahrung Versicherer benötigen. Das ist ein enormer Aufwand, der durch schlechte Prozesse bei Versicherern zum Schaden der Makler und der Kunden verursacht wird.

Drei wesentliche Kriterien einer gelungenen Bestandsübertragung

Wenn junge Makler einen Bestand aufkaufen wollen, worauf sollten sie dann achten? Was sind mögliche Fallstricke, die in einen „Fehlkauf“ münden können?

MB: Unsere Studie zeigt auf, dass es drei Kriterien gibt, die wesentlich die Gesamtbeurteilung eines Kaufs prägen: Erstens ist es wichtig, dass der Vorgänger oder Verkäufer mithilft, dass die Transaktion gelingt, indem er seinen Nachfolger bzw. Käufer bei seinen wichtigen Kunden persönlich einführt. Zweitens ist es entscheidend, dass die Kunden bleiben. Dafür sollte der Jungmakler wissen, was für ein „Typ“ der Vorgänger war. Wie alt werden die Kunden sein? Aus welchen Beziehungsnetzwerken heraus sind sie Kunden geworden, und kann der Nachfolger in diese Netzwerke integriert werden? Welche Beratungs- und Betreuungsphilosophie hat der Vorgänger vertreten und damit welche Erwartungen bei den Kunden ausgelöst? Drittens ist der Kaufpreis entscheidend. Wer zu viel zahlt, ist später enttäuscht. Helfen können hier auch Raten- oder Rentenvereinbarungen, durch die der Vorgänger noch lange in der Mitverantwortung bleibt, dass der Übergang auf den Jungmakler erfolgreich verläuft.

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Welche Auswirkungen hat die Rechtsform für Nachfolgeregelungen auf die Bestandsübertragung? Macht es Sinn, diese zu ändern?

Kapitalgesellschaften sind generell wesentlich besser als die Rechtsformen Einzelkaufmann oder Personenhandelsgesellschaft geeignet, einen Verkauf herbeizuführen. Eine Kapitalgesellschaft kann schlicht durch Verkauf der Gesellschaftsanteile veräußert werden, ohne aber, dass sich an den Vertragsverhältnissen zwischen Kunden und der juristischen Person Maklergesellschaft etwas ändert. Datenschutzrechtlich ist das ein enormer Vorteil. Allerdings waren wir doch überrascht, dass in unserer Umfrage auch viele Einzelkaufleute und Personengesellschaften erfolgreiche Verkäufe und Käufe berichtet haben. Das hatten wir so nicht erwartet.

Wenn Maklerverträge und die dazugehörigen Folgedokumente wie Datenschutzerklärungen und Maklervollmachten fehlen, sinkt der Wert des Bestandes. Aber kann das Fehlen der Dokumente auch rechtliche Fallstricke mit sich bringen, wenn Makler einen solchen Bestand erwerben?

Ja, das bringt erhebliche Probleme mit sich. Wenn es keine schriftlichen Maklerverträge gibt, die genau bezeichnen, wofür der Makler überhaupt genau sich verpflichtet hat, kann es passieren, dass ein Nachfolger für Verträge und für Versicherungsbedarfe zur Verantwortung gezogen wird, von denen er gar nicht wusste. Beispielsweise könnte dem Vorgänger unausgesprochen klar gewesen sein, dass sein freiberuflich tätiger Kunde nur die beruflichen Verträge über diesen Makler platziert. Der Nachfolger wird aber vielleicht damit konfrontiert, dass nun im privaten Bereich eine passende Versicherung versäumt wurde zu platzieren. Und besonders schwierig ist es auch, wenn Beratungsdokumentationen fehlen und der Nachfolger nicht nachvollziehen kann, was Inhalt der letzten Kundenberatungen war.

Müsste es für angehende Makler aktuell nicht verlockend sein, den Markteintritt zu wagen, wenn viele Vermittler in den Ruhestand gehen? Oder wird der Bedarf an Maklern generell schwinden?

Einerseits steigt der Bedarf an Maklern, weil Kunden zunehmend schätzen, eine Auswahl an verschiedenen Produkten zu erhalten. Das sind sie von den Vergleichsportalen gewöhnt. Andererseits muss man derzeit einigen Mut aufbringen, seine Existenz als Makler zu gründen. Die Flut an Regulierungen und die andauernde Diskussion über die Vergütung verunsichern Interessenten. Hinzu kommt, dass der Arbeitsmarkt jedenfalls für gut ausgebildete Personen Perspektiven bietet wie nie. Und gerade in der jungen Generation beobachte ich eine Abneigung gegenüber der Selbstständigkeit und den damit verbundenen Risiken. Wer die Wahl hat, entscheidet sich lieber für eine festangestellte Position mit geregeltem Einkommen, geregelter Arbeitszeit und „Work-Life-Balance“. Dazu passt, dass nach den Erkenntnissen unserer Studie das Haupt-Kaufgeschehen im Bereich des Aufkaufs durch etablierte Makler stattfindet. Und dort entstehen zunehmend solche Arbeitsplätze, die sich die jungen Talente wünschen.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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