Matthias Beenken: Da wird gerne nur auf Einzelaspekte verwiesen, die aus dem Zusammenhang gerissen positiv erscheinen. Gerade aus UK gibt es sehr aufschlussreiche Berichte der dortigen Aufsicht und des Finanzministeriums zu den Wirkungen des Provisionsverbots, das übrigens nur Makler und nur bei Kapitalisierungsprodukten trifft. Was Verbraucherzentralen nicht erwähnen sind Tatsachen wie jene, dass eine Beratungslücke entstanden ist und normal verdienende Menschen nicht mehr im erforderlichen Ausmaß Beratung angeboten erhalten. Oder dass die „Honorare“ teurer geworden sind gegenüber früher, teurer auch als die typischen deutschen Provisionen und Courtagen. Oder dass es in Wahrheit weit mehrheitlich gar nicht Honorare im hier gebräuchlichen Sinn sind, die vereinbart werden, sondern Gebühren. Diese werden mit dem Kunden vereinbart, dann aber vom Versicherer oder der Anlagegesellschaft aus dem Anlagebetrag des Kunden abgezogen und an den Makler bezahlt. Hier würde das weiterhin als Courtage bezeichnet werden. Der Kunde hat lediglich einen Transparenzgewinn, denn er muss dieser Courtage zustimmen.

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Übrigens unterhalte ich mich häufiger mit Verbraucherschützern und lade sie in meine Veranstaltungen an der Hochschule ein. Daher kann ich sagen, dass es durchaus keine einheitliche Meinung gibt, dass ein komplettes Provisionsverbot richtig wäre. Die Verbraucherschutzwelt ist recht heterogen und föderal organisiert. Da gibt es Scharfmacher wie auch sehr vernünftig und pragmatisch argumentierende Vertreter. Leider bekommen zu häufig die Erstgenannten die Bühne. Dagegen könnten auch die Fachmedien etwas unternehmen und verschiedenen Vertretern des Verbraucherschutzes Gehör verschaffen, nicht nur denen, die fast täglich Pressemitteilungen verteilen.

Die Lebensversicherung ist in der Krise, das Neugeschäft schwächelt und der Niedrigzins setzt der Branche zu. Eine kurze Prognose: Wo sehen Sie die Lebensversicherung in fünf Jahren?

Die Branche wird die Krise meistern. Sie wird sich weiter differenzieren in die ausgesprochenen Biometrie-Spezialisten auf der einen und die Fonds-Spezialisten auf der anderen Seite. Automatisierte Beratungssysteme zur Einordnung der Risikoneigung des Kunden und vor allem auch zur laufenden Optimierung von seinem Portfolio werden in der Altersvorsorge zum Must-have werden. Denn nur so kann das Problem gelöst werden, dem Kunden auch während der Vertragslaufzeit die immer wichtigere laufende Beratung zu bieten, ohne dabei unwirtschaftliche Prozesse aufbauen zu müssen oder gar wieder neue Provisionsniveaus aufzubauen.

Leider wird die Branche aber auch damit leben müssen, dass die Lobby der Älteren in der Politik verhindert, dass die mutigen Reformen der Gesetzlichen Rentenversicherung aus der Ära Schröder/Riester und damit die Demografiesicherheit unangetastet bleiben. Damit wird der Bevölkerung gegenüber fatalerweise suggeriert, dass man nur laut genug protestieren und extrem genug wählen muss, und schon erhält man ohne die Mühsal einer selbstverantworteten, privaten Vorsorge die Rentenversorgung, die man sich wünscht. Die Lebensversicherung dagegen mutiert zum Anlageprodukt der Reichen. Und das finde ich sehr traurig, auch wenn es für die Versicherer und die Vermittler kein Nachteil ist, sich mit weniger Kunden mit größeren Anlagesummen auseinanderzusetzen.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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