Versicherungsbote: Die Bundesregierung plant einen Provisionsdeckel in der Lebensversicherung. Im Gespräch ist ein BaFin-Vorschlag: 2,5 Prozent der Beitragssumme, qualitätsabhängig weitere 1,5 Prozent. Wie bewerten Sie die Pläne? Welche positiven und negativen Folgen hätte ein solcher Schritt?

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Matthias Beenken: Der Vorschlag, den Sie ansprechen, stammt zwar von der BaFin, ist aber derzeit wohl leider nicht mehr Stand der Dinge. Aktuell fordert das der BaFin übergeordnete Bundesfinanzministerium einen harten, gesetzlichen Provisionsdeckel, hat aber noch keine konkreten Zahlen dazu genannt. Mich würde es aber nicht überraschen, wenn die von Ihnen genannten Größen dabei eine Rolle spielen. Übrigens, viele wissen das nicht mehr: Bis 2008 galt eine aufsichtsamtliche Vorgabe an die Versicherer, nicht mehr als 40 Promille an Vermittler zu zahlen. Diese wurde aufgegeben, weil die Aufsicht damals wohl glaubte, die Transparenz der kalkulierten Abschlusskosten im Produktinformationsblatt und die Verhandlungsbereitschaft der Kunden würden ausreichen, die Kosten in vernünftigen Größen zu halten. Offenbar hat das nicht funktioniert, jedenfalls nach meinen Erhebungen wurden bis zum LVRG die 40 Promille durchaus häufig bei Maklern überschritten.

Die Abschlussvergütungen sollen gedeckelt werden, weil laut LVRG-Evaluierungsbericht der Bundesregierung die Kosten zu Lasten des Kunden nicht wie gewünscht gesenkt werden konnten. Bei Maklern steht ein Minus von 7,21 Prozent im Vergleich zu 2013, bei Vertretern gar nur von 2,89 Prozent. Muss sich die Branche auch an die eigene Nase fassen, weil sie zu wenig tut, um die Vertriebskosten zu senken?

(c) Redaktionsbüro Prof. Dr. Matthias BeenkenZunächst einmal hätte ich mir gewünscht, dass das Bundesministerium für Finanzen (BMF) würdigt, dass die Branche freiwillig, ohne gesetzliche Eingriffsrechte in laufende Vertreterverträge und Courtagezusagen, solche Senkungen ausgehandelt hat. Es ist ja nicht so, als würden sich Lebensversicherungen von allein verkaufen, ganz im Gegenteil. Der Cocktail aus Niedrigzinsen zur Sanierung auch des bundesdeutschen Haushalts, starker Einschränkung der bis 2004 üblichen Steuervorteile, Steigerung der Komplexität in der bAV, Steigerung der Komplexität auch bei Produktkonzepten jenseits der alten Deckungsstock-Welt sowie beständiger Diffamierungen der privatwirtschaftlich organisierten Altersvorsorge durch Verbraucherschützer verleidet vielen Vermittlern die Laune, tagtäglich Menschen auf dieses wichtige Thema anzusprechen. Aber ausreichen tut es sicher nicht, was bisher passiert ist. Die enorme Bandbreite von Kostenquoten je nach Versicherer zeigt, dass es sicher noch bei vielen Gesellschaften erhebliche Effizienzpotenziale gibt.

Laut einer Umfrage von AssCompact unter 400 Maklern fürchtet jeder zweite Versicherungsmakler finanzielle Not durch einen Provisionsdeckel, ein Drittel fürchtet gar um die berufliche Existenz. Sind Versicherungsmakler mehr noch als andere Vertriebskanäle von den Plänen betroffen? Wenn ja, warum?

Makler und Mehrfachvertreter sind ein höheres Courtageniveau gewöhnt als Ausschließlichkeitsvertreter, deshalb sind die Einschnitte auch größer und schmerzhafter. Hinzu kommt, dass viele Makler ihr Neugeschäft über Pools einreichen, die weitere Supercourtagen bei den Versicherern beanspruchen. Deshalb sollten Makler nicht nur auf ihre eigenen Courtagezusagen blicken.

Sind die Ängste aus Ihrer Sicht begründet, dass ein Drittel der Makler um die Existenz bangen muss? Oder ist da auch Panikmache und Schwarzmalerei dabei?

Ich habe Verständnis für die Existenzängste, halte sie aber in diesem Ausmaß nicht für sachlich begründet. Hauptbetroffene sind wohl die doch eher wenigen Makler, die ausschließlich oder überwiegend im Lebensversicherungsgeschäft unterwegs sind. Und selbst von denen haben sich viele längst auf reine Biometrieprodukte oder auf die betriebliche Altersvorsorge spezialisiert. Da gibt es deutlich weniger Grund zur Sorge. Ich glaube, dass viele Befragte eher ein Problem mit der fehlenden Wertschätzung haben, die man ihnen und ihrer Arbeit entgegenbringt. Ständig sieht man sich in die Ecke des Provisionsgeiers gestellt, soll aber gleichzeitig Existenzen absichern.

Wir haben in unserer Redaktion ein bisschen den Eindruck, vor allem die Vermittler müssen für Fehlentwicklungen der Branche bluten, obwohl viele einen guten und anständigen Job machen. Müsste vielleicht auch bei den Versicherern geschaut werden, wo - jenseits der Vertriebskanäle - Kosten gesenkt werden können?

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Ja, das ist der Fall. Beispielsweise erwähnt das Bundesfinanzministerium in dem von Ihnen angesprochenen LVRG-Evaluationsbericht an den Deutschen Bundestag mit keiner Silbe die Abschlusskosten der Versicherer selbst, und ob die BaFin dort ebenfalls Erhebungen durchgeführt hat um Kostensenkungen festzustellen. Zu den Verwaltungskosten wird ein knapper Absatz geschrieben, diese seien vor vielen Jahren noch höher gewesen, jetzt seit langem konstant, und damit scheint für das BMF alles im Lack zu sein. Als ob es keine Bandbreiten von unter einem bis zu über fünf Prozent in dieser Kostenquote unter den größeren Lebensversicherern gäbe. Oder als ob es keine Themen wie Digitalisierung, Dunkelverarbeitung, Reduzierung der Produktvielfalt und bessere Bestandsführungssysteme gäbe, mit denen sich die Branche durchaus beschäftigt, und die auch Verbesserungen der Kosteneffizienz versprechen.

drohendes Provisionsverbot: "Da werden einseitig positive Aspekte herausgegriffen"

Versicherungsbote: Die Verbraucherzentralen fordern ein komplettes Provisionsverbot für LV- und Rentenversicherungen. Sie verweisen in einem Positionspapier auf ausschließlich positive Erfahrungen in Großbritannien und Holland, wo sich die Beratungsqualität in den letzten Jahren verbessert habe. Wäre das nicht der konsequenteste Schritt - oder sind die Erfahrungen in diesen Staaten aus Ihrer Sicht doch nicht nur positiv?

Matthias Beenken: Da wird gerne nur auf Einzelaspekte verwiesen, die aus dem Zusammenhang gerissen positiv erscheinen. Gerade aus UK gibt es sehr aufschlussreiche Berichte der dortigen Aufsicht und des Finanzministeriums zu den Wirkungen des Provisionsverbots, das übrigens nur Makler und nur bei Kapitalisierungsprodukten trifft. Was Verbraucherzentralen nicht erwähnen sind Tatsachen wie jene, dass eine Beratungslücke entstanden ist und normal verdienende Menschen nicht mehr im erforderlichen Ausmaß Beratung angeboten erhalten. Oder dass die „Honorare“ teurer geworden sind gegenüber früher, teurer auch als die typischen deutschen Provisionen und Courtagen. Oder dass es in Wahrheit weit mehrheitlich gar nicht Honorare im hier gebräuchlichen Sinn sind, die vereinbart werden, sondern Gebühren. Diese werden mit dem Kunden vereinbart, dann aber vom Versicherer oder der Anlagegesellschaft aus dem Anlagebetrag des Kunden abgezogen und an den Makler bezahlt. Hier würde das weiterhin als Courtage bezeichnet werden. Der Kunde hat lediglich einen Transparenzgewinn, denn er muss dieser Courtage zustimmen.

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Übrigens unterhalte ich mich häufiger mit Verbraucherschützern und lade sie in meine Veranstaltungen an der Hochschule ein. Daher kann ich sagen, dass es durchaus keine einheitliche Meinung gibt, dass ein komplettes Provisionsverbot richtig wäre. Die Verbraucherschutzwelt ist recht heterogen und föderal organisiert. Da gibt es Scharfmacher wie auch sehr vernünftig und pragmatisch argumentierende Vertreter. Leider bekommen zu häufig die Erstgenannten die Bühne. Dagegen könnten auch die Fachmedien etwas unternehmen und verschiedenen Vertretern des Verbraucherschutzes Gehör verschaffen, nicht nur denen, die fast täglich Pressemitteilungen verteilen.

Die Lebensversicherung ist in der Krise, das Neugeschäft schwächelt und der Niedrigzins setzt der Branche zu. Eine kurze Prognose: Wo sehen Sie die Lebensversicherung in fünf Jahren?

Die Branche wird die Krise meistern. Sie wird sich weiter differenzieren in die ausgesprochenen Biometrie-Spezialisten auf der einen und die Fonds-Spezialisten auf der anderen Seite. Automatisierte Beratungssysteme zur Einordnung der Risikoneigung des Kunden und vor allem auch zur laufenden Optimierung von seinem Portfolio werden in der Altersvorsorge zum Must-have werden. Denn nur so kann das Problem gelöst werden, dem Kunden auch während der Vertragslaufzeit die immer wichtigere laufende Beratung zu bieten, ohne dabei unwirtschaftliche Prozesse aufbauen zu müssen oder gar wieder neue Provisionsniveaus aufzubauen.

Leider wird die Branche aber auch damit leben müssen, dass die Lobby der Älteren in der Politik verhindert, dass die mutigen Reformen der Gesetzlichen Rentenversicherung aus der Ära Schröder/Riester und damit die Demografiesicherheit unangetastet bleiben. Damit wird der Bevölkerung gegenüber fatalerweise suggeriert, dass man nur laut genug protestieren und extrem genug wählen muss, und schon erhält man ohne die Mühsal einer selbstverantworteten, privaten Vorsorge die Rentenversorgung, die man sich wünscht. Die Lebensversicherung dagegen mutiert zum Anlageprodukt der Reichen. Und das finde ich sehr traurig, auch wenn es für die Versicherer und die Vermittler kein Nachteil ist, sich mit weniger Kunden mit größeren Anlagesummen auseinanderzusetzen.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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