Ist die Lebensversicherung tot? Sagen wir so: Über mediale Kinnhaken muss sie sich derzeit nicht beklagen. Einer ihrer prominentesten Kritiker ist Axel Kleinlein, Vorstandssprecher beim Verbraucherverband Bund der Versicherten (BdV). Bei den Versicherern ist seine Meinung auch deshalb gefürchtet, weil er erwiesenermaßen rechnen kann. Und es versteht, zuzuspitzen, manchmal bis zum ätzenden Spott - auch Polemik will gelernt sein.

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Nun hat Kleinlein erneut seinen früheren Arbeitgeber ins Visier genommen, die Allianz Versicherung. Und dafür gesorgt, dass ein vermeintlicher Hoffnungsträger schon ein blaues Auge bekommt, bevor er überhaupt in den Ring getreten ist. „Fourmore“ heißt die Police, mit der die Leben-Tochter der Allianz vor allem ein junges Publikum ansprechen möchte. Eine Lebensversicherung für die Generation der Hipster und Hopper, die einen solchen Sparvertrag - um ein aktuelles Jugendwort zu nutzen, eher „wack“ findet.

Hohe Flexibilität, aber…

Damit die Teens und Twens bei „Fourmore“ zugreifen, hat sich die Allianz etwas ausgedacht. Nein, damit ist nicht der etwas seltsame Name und die dazugehörige Webseite gemeint. Sie bedienen die üblichen Branchen-Stereotype: Die Police verspricht „vier mehr“, also einen vierfachen Mehrwert. Laut Webseite des Versicherers sollen sich dahinter unter anderem verbergen: „mehr Freiheit“, „mehr Klarheit“, „mehr Sicherheit“ und „mehr Wachstum“. So weit, so unspannend.

Auch die Werbefiguren auf der Webseite sind stereotyp, wie Axel Kleinlein in einem Kommentar für das „Manager Magazin“ spöttelt. Da gibt es den tätowierten Mountain Biker, die blonde und perfekt frisierte Surferin, den Berliner Mode-Fotografen. Es fehlt der Kampagne an Prägnanz: etwas, das hängen bleibt und sich einprägt.

Neu aber ist das Konzept der Versicherung selbst. Diese schreibt den Kundinnen und Kunden nämlich nicht vor, wann sie wie viel einzahlen müssen - und wann sie Geld entnehmen dürfen. „Das Positive vorweg: Es gibt keine Verpflichtungen, sich auf regelmäßige Einzahlungen festzulegen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich das Geld auszahlen zu lassen: als Rente, als Zeitrente, in einem Schlag oder auch zwischendrin“, berichtet Kleinlein. Für ein Versicherungsprodukt sei dies bemerkenswert.

Die Vorbilder für diese neuen Policen kommen wie so oft aus den USA und sind dort als „Universal Life“ bekannt. Und dort selbst bereits ein echter Oldie. Erstmals wurden die Policen ab Mitte der 80er Jahre angeboten, ungefähr zu der Zeit, als Madonna mit „Like a Virgin“ durchstartete.

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Ebenfalls bemerkenswert ist, dass „Fourmore“ als digitale Versicherung im Direktvertrieb angeboten wird. Nicht nur ein Zugeständnis an die junge Zielgruppe, sondern auch eine Option, bei den Vertriebswegen zu sparen. An diesem Punkt aber liefert der Versicherer Kleinlein bereits eine erste Steilvorlage für seine Kritik: die intransparenten Kosten. Trotz Direktvertrieb würde der Versicherer nämlich volle vier Prozent an „Abschluss- und Vertriebskosten“ berechnen. Dies sei die „Höhe, in der üblicherweise die Provision angesetzt wird“. Weshalb, wenn doch Vermittler an diesem Produkt gar nicht verdienen? Hier sei fairerweise angemerkt, dass der Versicherer plant, "Fourmore" auch für andere Vertriebskanäle zu öffnen.

neue Wege in den Überschuss

Die berechnete Provision für vermeintliche Nichtleistung ist nicht das einzige, was Kleinlein an der Kostenstruktur stört. Die Effektivkosten seien bei „Fourmore“ mit 1,31 Prozent ebenfalls recht hoch. Also der Wert, um den die jährliche Wertentwicklung maximal bis Rentenbeginn geschmälert wird, weil der Versicherer seine Kunden für Abschluss, Vertrieb und Verwaltung zur Kasse bittet.

„Diese vermaledeiten Effektivkosten versteht natürlich kein normaler Kunde“, schreibt Kleinlein, nicht ganz zu Unrecht. „Deswegen habe ich mal ausgerechnet, wie hoch denn die Kosten gemessen am eingezahlten Beitrag sind. Mehr als 40 Prozent! Anders ausgedrückt: Für den Kunden fühlt sich das so an, als würden nur 60 Prozent von dem, was er einzahlt, tatsächlich der vollen Verzinsung unterworfen.“ Manche der Kosten weise die Allianz „aktuell“ aus, so dass Kleinlein vermutet, der Versicherer behalte sich das Recht vor, diese künftig nach oben anzupassen.

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Überschussbeteiligung - Wann gibt es sie, und wenn ja, wie viel?

Mehr noch als die Kosten hat Aktuar Kleinlein aber die Überschussberechnung bei „Fourmore“ auf dem Kicker. Das ist ein Lieblingsthema für seinen „Bund der Versicherten“, wie Branchenbeobachter wissen. Unter anderem hatte der Verbraucherverband bis vor das Bundesverfassungsgericht geklagt, um zu verhindern, dass die Lebensversicherer ihre Kunden weniger an Gewinnen aus festverzinslichen Wertpapieren beteiligen dürfen: ohne Erfolg. Seit 2014 gestattet das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG), dass die Versicherer hier den Rotstift ansetzen.

Bei dem Tarifmodell „Fourmore“ muss Kleinlein immerhin anerkennen, dass die Allianz „erstmals ganz neue Wege“ gehe. Wege allerdings, die für den Kunden in einen Irrgarten führen, wie der Aktuar argumentiert. Er bezeichnet die Kostenstruktur als „richtig intransparent“.

“Normalerweise werden die Überschüsse ja im Geschäftsbericht oder im Anhang zum Geschäftsbericht veröffentlicht“ schreibt Kleinlein. „Nicht aber hier. Denn für "Fourmore" gibt es "eigene Überschussanteilsätze". Für jede (!) Einzahlung werden "für einen bestimmten Zeitraum jeweils eigene Überschussanteilsätze festgelegt“. Die können sich dann auch von einem zum anderen Tag ändern.“ Das klinge nach Willkür, kommentiert der BdV-Sprecher. Zudem führe die Adresse der Webseite, wo man die Überschüsse einsehen könne, zu einem toten Link.

Zweifache Garantie - wie werthaltig?

Das alles sei noch verkraftbar, wenn die Leistung stimme, positioniert sich Kleinlein. Hier biete der Versicherer zwei Leistungskomponenten als Garantie. Zum einen garantiere die Allianz einen Beitragserhalt genau zu Rentenbeginn. "Einen Tag früher und einen Tag später kann das alles ganz anders ausschauen", so sein Verdacht.

Zum anderen garantiere die Allianz einen Rentenfaktor, der besage, dass der Kunde pro 10.000 Euro angespartem Kapital eine Monatsrente von 13,12 Euro bekomme. "Mit dieser Rente dauert es genau 63 1/2 Jahre, bis er die Rente rausbekommt", schreibt der BdV-Chef. Erst mit einem Alter von 130 Jahren rutsche der Kunde mit seiner garantierten Rente im Vergleich zur anfänglich gesparten Summe ins Plus. Kleinleins Fazit: Finger weg von "Fourmore!".

Die Stellungnahme der Allianz: "Kleinlein auf dem Holzweg"

Der Versicherungsbote hat die Presseabteilung der Allianz Leben um eine schriftliche Stellungnahme zu Kleinleins Behauptungen gebeten und hierzu kritische Fragen formuliert. Die Antworten veröffentlichen wir ungekürzt und unkommentiert. Es antwortete Pressesprecher Franz Billinger:

Versicherungsbote: Wie positionieren Sie sich zu dem Vorwurf, die Kostenstruktur von "Fourmore" sei unklar?

Franz Billinger: Fourmore ist digital vom ersten bis zum letzten Schritt, so flexibel wie nie zuvor und auch maximal transparent. Das gilt auch für den Ausweis der Kosten. Sie sind auf der Seite fourmore.de einfach und verständlich dargestellt – mit einem Klick wissen unsere Kunden, mit welchen Kosten sie rechnen können. Und zwar geht es um einmalige Kosten bei der Einzahlung und um laufende Kosten für das Management von Vertrag und Kapitalanlage.

Entscheidend ist, wie stark sich alle Kostenkomponenten auf die Rendite des Vertrages auswirken; das drücken die Effektivkosten aus – z.B. 1,2 Prozent für einen typischen 30-jährigen Vertrag mit laufender Beitragszahlung. Zusammen mit den Renditechancen und Sicherheiten von Fourmore können wir sagen: Mit dem Angebot von Fourmore bieten wir ein auch im Marktvergleich attraktives Preis-Leistungsverhältnis. Für den Kunden zählt, was rauskommt!

Wie positionieren Sie sich zu dem Vorwurf, die Berechnung der Überschüsse sei intransparent und nahe an der Willkür, weil die Überschussbeteiligung für jede Einzahlung extra berechnet werde? Warum tun Sie dies überhaupt?

Der Vorwurf ist völlig aus der Luft gegriffen. Fakt ist: Um die Flexibilität bei Ein- und Auszahlungen zu ermöglichen und gleichzeitig die Leistungsstärke unseres Sicherungsvermögens für alle Kunden zu erhalten, brauchen wir etwas Flexibilität in der Überschussbeteiligung. Die eigenen Überschussanteilssätze gelten für jede Einzahlung jeweils für die ersten vier Jahre, dann gelten die allgemeinen Sätze. So stellen wir sicher, dass die Kunden von Fourmore von der langfristig ausgelegten Kapitalanlage profitieren und wir ihnen zugleich die volle Flexibilität mit kurzfristigen Änderungen bieten können. Die Konditionen dazu sind auf fourmore.de transparent dargestellt.

Warum berechnen Sie vier Prozent Vertriebs- und Abschlusskosten, wenn die Policen online im Direktvertrieb verkauft werden?

Die Kostenstruktur von Fourmore unterstützt die Flexibilität, die die Kunden der Zielgruppe wünschen. Nach einer Auszahlung sind beispielsweise weitere Einzahlungen bis zur Höhe des Auszahlungsbetrags kostenfrei. Den einkalkulierten Kosten von Fourmore stehen umfassende Features und Services gegenüber, unter anderem ein umfassendes Support-Angebot über Email und Telefonie sowie ein transparentes Onlineportal mit umfangreichen Interaktionsmöglichkeiten.

Kernstück ist die weltweite Kapitalanlage mit langjähriger Erfahrung, umfassender Expertise und globaler Aufstellung der Allianz-Anlageexperten. Die Kunden von Fourmore können schon jetzt nach Abschluss eine persönliche Betreuung wählen, und für Herbst planen wir eine Antragsstrecke für Vermittler. Die Erfahrung aus anderen Online-Angeboten zeigt, dass die Nachfrage nach persönlicher Beratung und Betreuung hoch ist. So lassen sich 9 von 10 Kunden, die sich online über eine Risikolebensversicherung informieren, dann doch von einem Vermittler beraten bzw. schließen dort ab.

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Leider habe sich Axel Kleinlein auf der Suche nach möglichen Kritikpunkten teilweise völlig vergaloppiert, zum Beispiel in der Diskussion um die Kosten, schreibt der Allianz-Sprecher an den Versicherungsboten. Es sei ihm auch nicht um eine neutrale Bewertung der neuen Allianz-Police gegangen, sondern er habe gezielt nach möglichen Kritikpunkten gesucht.

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