Es sind schwere Vorwürfe, denen sich die Allianz aktuell vor dem Arbeitsgericht Würzburg stellen muss. Es geht um Mobbing und zerstörte Karrieren. Um ein Klima der Angst und Einschüchterung. Und es geht um Verträge, die mit Absicht falsch berechnet worden seien, um einen Mitarbeiter in Misskredit zu bringen. Auch die Vorstände sollen über die Anschuldigungen informiert gewesen sein - ohne eingegriffen zu haben. Erhoben werden sie von einem früheren Mitarbeiter im Vertrieb, der jetzt Schadensersatz fordert. Über den Prozess berichtet am Dienstag die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“.

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Vorwürfe bei Vertriebstochter der Allianz

Der klagende Mitarbeiter arbeitete früher im Außendienst der Allianz Beratungs- und Vertriebs-AG, einer Tochter der Allianz Gruppe. Es soll sich nach Informationen des Versicherungsboten um einen Mann aus dem Main-Spessart-Kreis in Unterfranken handeln. Der Klagende sei seit dem Jahr 2012 Teilnehmer eines Führungskräfte-Programms gewesen und habe als Leiter einer Verkaufsregion gearbeitet, berichtet die „FAZ“. Mit anderen Worten: ein Mitarbeiter, dem selbst eine große Karriere im Vertrieb bei Deutschlands Branchenprimus bevorgestanden hätte.

Seit Anfang 2016 aber fühlte sich der Mann im Unternehmen systematisch gemobbt und benachteiligt, so weiß die FAZ aus der Klageschrift. Die Vorwürfe betreffen dabei einen süddeutschen Geschäftsstellenleiter, der sein Vorgesetzter gewesen sei. Und grundsätzlich im Vertrieb des Versicherers weit oben auf der Hierarchieleiter stand: zwei Stufen unterhalb des AG-Vorstands. Dieser habe ihn gemobbt und zermürbt, bis auch die Gesundheit gelitten habe, so wird in der Klageschrift behauptet.

Die Vorwürfe des Mannes haben es durchaus in sich. Der Geschäftsstellenleiter habe vier interne Bewerbungen auf andere Stellen nicht weitergereicht und verschwinden lassen. Er habe Zwischenzeugnisse verweigert, die ihm laut Arbeitsvertrag zugestanden hätten: wichtige Dokumente, um sich auf anderen Posten bewerben zu können. Und er habe den Mann zu seiner eigenen Kündigung nötigen wollen. Ihm sei Arbeitsentgelt vorenthalten worden. Am Ende habe er mit schweren Depressionen krankgeschrieben werden müssen. Selbst nachdem er krankgeschrieben gewesen sei, hätten ihn noch unverhältnismäßig viele Arbeitsaufträge erreicht.

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Angebliche Ursache: Missstände im Vertrieb aufgedeckt

Warum aber soll der Konzern Anlass gehabt haben, den Mann zu mobben? Auch dazu enthält die Anklageschrift Aussagen, berichtet die „FAZ“. So spekuliere der Kläger, er sei im Konzern in Misskredit geraten, weil er Missstände bei nebenberuflichen Vertretern der Allianz aufgedeckt und gemeldet habe. So soll es in der Region vorgekommen sein, dass Neugeschäft in andere Regionen umgeleitet wurde, damit dortige Vertriebler unrechtmäßig die Provisionen abgreifen können. Auch höhere Hierarchiestufen sollen davon gewusst haben.

Allianz: Vorwürfe der Anklage unbegründet

Die Allianz bestätigte auf Anfrage der FAZ, dass es diese Vorwürfe gebe. Während die FAZ nur ein kurzes Statement des Versicherers druckt, äußerte sich eine Konzernsprecherin gegenüber dem Branchenportal „Versicherungswirtschaft Heute“ ausführlicher. Zur Klage schreibt sie: “Die darin erhobenen Vorwürfe gegen die ABV, die Klagepunkte und die geltend gemachten Ansprüche sind unbegründet. Wir nehmen es sehr ernst, wenn wir auf Unstimmigkeiten oder eventuelle Fehler in unseren Abläufen aufmerksam gemacht werden. Dafür haben wir bewährte Mechanismen und interne Prüfprozesse.“

Die Vorwürfe des Angestellten zu Missständen bei den nebenberuflichen Vertretern habe man geprüft und aufgeklärt, positioniert sich die Konzernsprecherin der Allianz gegenüber dem Branchenblatt. Die Darstellung des Angestellten habe sich dabei aber nicht bestätigt. Zu den Klagepunkten, die sein Arbeitsverhältnis betreffen, könne man sich nicht im Detail äußern, solange das Klageverfahren noch laufe. Auch der Datenschutz stünde dem im Wege.

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Brisanz erlangt der Vorgang auch dadurch, dass der klagende Außendienstmitarbeiter sowohl Vertriebsvorstände als auch die Compliance-Abteilung des Versicherers über das angebliche Mobbing informiert haben will. Unter anderem habe der verantwortliche Vorstand für den Vertrieb Süd, Jürgen Heinle, einen solchen Brief beantwortet, schreibt die FAZ. Er bitte darin um Geduld, weil er den beschuldigten Geschäftsstellenleiter um Auskunft bitten wolle. Die Mail eines Betriebsrates könne darüber hinaus bestätigen, dass die Arbeitnehmer-Vertreter von den nicht weitergereichten internen Bewerbungen gewusst hätten. Verhandelt werden soll der Fall im Juli.

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